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»Vergiss den Wein nicht!«, rief mir mein Vater hinterher, denn er hatte mich in den Keller geschickt, um einige Sachen zu holen.

»Ja!« Freudig lief ich die Treppenstufen hinunter. Es war der Hochzeitstag meiner Eltern und ein leckeres Abendessen stand bevor.

Unten angekommen öffnete ich die Tür zur Vorratskammer und betätigte den Lichtschalter. Anschließend nahm ich zwei Flaschen Wasser aus der Kiste, um sie auf das Tablett zu stellen.

Doch plötzlich hörte ich ein Rascheln und ein anschließendes »Buh«, wodurch ich vor Schreck das Wasser fallen ließ. Zum Glück waren die Flaschen aus Plastik.

»Wieso musst du mich immer so erschrecken?«, fragte ich wütend. Ich hatte es satt, dass ich nicht normal begrüßt werden konnte.

»Wo bleibt sonst der Spaß?« Kuro musterte mich grinsend. Er schien wie ausgewechselt. Das mit dem Messer war also wirklich nur geträumt. »Schickes Kleid.«

»Heute ist der Hochzeitstag meiner Eltern, deshalb muss ich auch gleich wieder hoch, denn wir essen zu Abend«, erklärte ich. Ich hatte keine Lust auf lange Gespräche.

»Ein paar Minuten wirst du doch wohl noch Zeit für mich haben.« Kuro sah sich im Raum um und steuerte dann auf einen Karton zu, um sich vermutlich darauf zu setzen.

»Halt! Setz dich nicht darauf!«, rief ich panisch. »Da ist Geschirr drin.«

»Das passt ja!«, erwiderte er, öffnete die Kiste und kramte darin herum.

Ich ignorierte das einfach, da ich auf meine Fragen sowieso keine Antworten bekäme, und griff nach einer Flasche Wein, die im Regal stand.

»Öffne schon mal den Wein«, forderte Kuro mich auf.

»Warum?«

»Wir stoßen auf unser Einmonatiges an!« Ich schien ihn so perplex anzustarren, dass er hinzufügte: »Wir kennen uns nun seit einem Monat.«

Seufzend drückte er mir zwei Gläser, die er aus dem Karton geholt hatte, in die Hände und griff im Gegenzug den Wein, um ihn zu öffnen. Anschließend schenkte er die rote Flüssigkeit ein und wir stießen an.

»Ich muss jetzt aber wirklich hoch«, warf ich ein, als das Glas leer war.

»Du kannst doch nicht gehen, wenn es am Schönsten ist.« Er wirkte plötzlich total ruhig und gelassen, ganz anders als ich ihn kennengelernt hatte.

»Ich habe die Belohnung für die gewonnene Wette noch gar nicht bekommen.« Lächelnd sah er mich an.

Ich erwiderte sein Lächeln. Die Erinnerung an die letzte nächtliche Begegnung war wie aus meinem Kopf gefegt und ich wusste, dass es bloß ein Albtraum war. »Was hast du dir ausgesucht?«

Kuro überwand den einen Meter zwischen uns und stand mir plötzlich ungewöhnlich nah. Seinen warmen Atem, der nach Rotwein roch, spürte ich direkt an meinem Hals.

»Das«, flüsterte er dann und berührte mit seinen Lippen die meinigen. Der Kuss begann sanft und endete leidenschaftlich. Und während unsere Lippen vereint waren, bemerkte ich, dass das alles war, was ich wollte.

Wir lösten uns langsam voneinander und ich öffnete die Augen, um noch einmal in sein Gesicht zu blicken. Doch dazu kam es nicht, denn plötzlich wurde alles um mich herum schwarz.

PapierherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt