level 4: powerless

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"Hast du eigentlich Angst?", hauchte Brad hervor. Langsam wurde es immer dunkler im Raum und so etwas wie einen Lichtschalter besaß man hier nicht. Er saß immer noch in der Ecke, während sie sich unter die Decke verkrümelt hatte.

Nach dem Streit war es still geworden und keiner hat sich mehr getraut, etwas zu sagen.

"Ich weiß nicht", seufzte sie und steckte ihr Nase nun über den Deckenrand, die vorerst noch dahinter versteckt gewesen war, "du?"

"Darf ich ja sagen?", schlich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen, aber nach dem kurzen Augenblick verblasste auch dies wieder, "ich habe Angst."

"Darfst du auch", murmelte sie und starrte gebannt in die Ferne, an die Wand vor ihr. Sie hatte vorhin kaum geschlafen, ein wenig die Augen geschlossen. Damit der Schmerz, der langsam wieder verflog, erträglicher wurde. Sie hat nur nachgedacht, war tief in ihr gesunken und hat alte Bilder und Sätze ausgegraben.

Viel zu viele.

Wenn nicht, ihre Fehler überdacht. Was sie hätte tun können, um dies hier ungeschehen zu machen.

Damit sie nicht in einem kleinen Bunker sitzen müssen, nur noch darauf warten, bis sie Hand in Hand vor die Wand gestellt wurden. Mehr als ein Schuss, nicht mehr zu hören.

"Du brauchst keine Angst zu haben", hauchte sie hervor und sah nun zu Brad, der mit dem Kopf zur Wand eingenickt war. In ihre und die seinige Jacke gehüllt, um genügend Wärme fürs Schlafen zu finden.

"Ich bin da."

Am nächsten Morgen, Brad war mehrmals in der Nacht wach geworden, was noch mit seiner derzeitig gefühlten Übermüdung deutlich wurde, wurde er durch einen hellen Lichtstrahl wach. In seiner Schlaftrunkenheit hat er immer und immer wieder sich in Gedanken rufen müssen, wo er war. Wie er hier gelandet war. Und was ihm nun auf ewig verweigert werden würde.

Wieder ein paar Tränen vergossen, haben ihm in den Schlaf geholfen.
In eine bessere Welt.

Unter Zwang riss er seine Augen auf, trotz des hellen Lichts, welches von der offenen Tür ihm wieder entgegenleuchtete. Nur zwei Schatten, die aus dem Raum verschwanden. Eine etwas wehrenden, die andere so groß, dass sie sich bücken musste.

"Lucy?", fragte Brad noch leicht verschlafen und rappelte sich auf, während die Jacken auf den Boden fielen, "Lucy!"

Mit beiden Händen klopfte er nun zweimal an die kalte Stahltür und drückte seinen Kopf an diese. Er dürfte sie nicht holen, was würde Brad alleine machen.

Seine Hände waren leicht taub und schmerzten. Sein Herz pochte wie wild gegen seine Brust. Und erneut überkam ihn Angst, bevor er seufzte und abermals an die Tür schlug.

"Du darf sie nicht mitnehmen."

Lucy stolperte erneut über ihre Füße, doch wurde von den zwei Armen so fest gehalten, dass sie kaum selbst gehen musste. Dadurch auch mitgeschleift werden könnte.

Wie aus dem Nichts, hatte man sie aus dem Schlaf gerissen. Sie auf ihre Beine gezerrt und aus dem Raum geschleppt. Hatte nur gedämpft ihren Namen durch die Tür gehört, der wohl von Brad gerufen worden war.

Sie hatte keine Ahnung, was nun passieren würde.

Was ihr ereilte.

Was er nun mit ihr vor hatte.

Sie wurde wieder in den Raum von gestern gestoßen. Fiel vor Schlaftrunkenheit auf ihre Knie und rieb sich die Augen. Kurz betrachtete sie ihre Hände, deren Kratzer ein wenig verheilt waren. Danach wurde sie an den hellbraunen Haaren erneut auf ihre Füße gezogen.

"Hat er angerufen?"
Eine Hand klammerte sich fest an ihr Unterkiefer und zog damit ihr Gesicht in die Richtung, die wohl für ihn passend war. Damit sie ihm in die Augen sehen musste. Doch sie schüttelte nur leicht den Kopf und biss sich auf die Unterlippen, um sich die Wörter zu verkneifen, die ihr ganz vorne auf der Zungenspitze lagen.

"Warum nicht", zischte er seine Wort nur hervor und traf auf einen starren Blick, der sich nicht bewegte und nur stur blieb, "wollt ihr beide das offensichtliche schon früher?"
Dieses Lächeln auf seinen Lippen, es schmerzte. Diese Gehässigkeit tat mehr als nur weh und brannte sich in ihren Kopf, worauf sie nun ihre Augen schloss, um es weitgehend auszusperren.

"Ich habe ihm gesagt, dass es sich nichts bringt", murmelte sie hervor und zeigte kurz ihre Zähne, als sich der Griff an ihren Wangen festigte, "und das iPhone ist Schrott."

Seine Fingernägel bohrten sich nun in ihre Haut und hinterließen dort tiefe Wunden, worauf sie unmittelbar darauf zu Boden gestoßen wurde. Im letzten Moment konnte sie verhindern, mit dem Gesicht nicht auf dem harten Fliesenboden zu landen. Doch dort blieb sie nicht lange unversehrt, als mit dem Lachen ein erster Schnitt sich in ihren Rücken zog und ihr nur einen Schrei entlockte. Sie stark nach Luft rang, ihr selbst sagte, dass es alles einen Sinn hatte.

Wie von ihrem eigenen Verstand gelöst, brachte sie neben ihrer Schnappatmung auch noch ein leichtes Lachen hervor. Nur provozierend für den Bösen, der hinter ihr stand, sich die Hände rieb und das Messer mit seinen Fingern umklammerte, von welcher Klinge ihr Blut tropfte.

Vorsichtig strich sie sich ihre Stirnfransen hinter das Ohr, die vorhin ihr noch an der Stirn geklebt waren und hatte automatisch Blut an ihren Händen. Bevor sie den nächsten Schnitt der Messerspitze spürte. Sich neben der Wirbelsäule in der ganzen Länge entlang zog.

Ihre Hände, mit denen aufgestemmt, die sich langsam zu Fäusten ballten. Ein Lächeln sich auf ihre Lippen zog, während Tränen über ihre Wangen liefen.

Ihre Angst, sie war groß, obwohl es eigentlich nichts mehr zu befürchten gab, was ihr etwas anhaben könnte. Das schlimmste, es war vor Jahren schon über sie gekommen. Aber dennoch war er in ihr immer noch vertreten. Der Schmerz, die Angst.

Alles Emotionen, die sie zu lange erfahren hat, um sie einfach vergessen zu können.

Schlangen sich wie eine Pflanze mit ihren langen Ranken um ihre Seele und die weißen Blüten, die jahrelang gebraucht haben, aufzugehen und zu wachsen, vergilbten nun. Langsam und still.

Etwas ließ sie brechen, ihren Willen anzweifeln. An ihren Mut vielleicht scheitern.

Sie wusste es nicht.

War es er mit seinem Blick. Mit seinen Methoden, die sie brechen sollten, aber eher für Brad gedacht waren. Nicht mit dem Feuer seines Lebens zu spielen.

Vielleicht waren es auch die Erinnerungen, die dies in ihr los rissen.

"Also Püppchen", hatte er sie am Hals gepackt und einen halben Meter über den Boden gehoben, während ihren Gedanken vor sie gewandert, "sag' deinem Freund, wenn er nicht anruft, dann werde ich dich foltern", zog sich ein Lächeln erneut auf seine Lippen, während Lucy nur nach Luft schnappte, die er so derartig mit seiner Hand ihr abschnürte, "dir weh tun, dich qualvoll immer und immer wieder schlagen und ihn zusehen lassen, wie ich dir die Kugel in den Kopf jage, haben wir uns verstanden?"

Erneut hatte sie einen missbilligen Blick parat, da die Worte, Sätze aus Handbüchern ihr durch den Kopf rauschten. Sie war sein Druckmittel, um Brad zu den Dingen zu zwingen, die er wollte. Doch Lucy spielte ihm dieses Spiel nicht mit.
Sie war die bunte Schachfigur auf dem schwarz-weißen Karobrett, zwischen Springer und Dame in eintönigen Farbe.

Sie war anders.

keep running like the sky is falling × LINKIN PARK × b.delsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt