Kapitel 11: Kassette 1/Seite B

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„Hallo. Schön das du wieder eingeschaltet hast. Hast du Spaß? Du fragst dich sicherlich wer der nächste ist und warum. Bist du an der Reihe? Was hast du gemacht? Tauchst du in den Kassetten auf? Vielleicht hast du etwas
grausames angestellt, oder du hast vielleicht nur zugesehen ohne etwas zu
tun.“

Ich hatte das Bild im Kopf wie Santi hinter Nina herläuft und obszöne Gesten macht. Nina drehte sich um, vielleicht weil sie genervt war oder garnicht realisierte, was hinter ihr passiert. Und dann fiel ihr Blick auf mich. Ich sah sie im selben Moment ebenfalls an, aber konnte keinerlei Emotion in ihrem Gesicht erkennen. Sie drehte sich wieder um und ging weiter.
Es war mittlerweile später abend und ich lag nun auf meiner Couch, zusammen mit Simon's Walkman und Nina's Kassetten.

„Vielleicht hast du nichtmal geschnallt das du ein Arschloch warst.“

Ein weiteres Bild flog in meinen Kopf. Ich putzte gerade die Milchshake-Maschine im Roller, als Nina reinplatzte, ihre Uniform (in diesem fall ein band was das Team des Jam&Rollers kennzeichnete und ihre schürze), auf die Theke legte und danach sofort wieder ging. Verwundert starrte ich ihr nach und fragte mich wohl warum sie gekündigt hat.

„Vielleicht hast du nicht das geringste getan. Aber vielleicht hättest du etwas
tun sollen. Zu spät. Ich denke du weißt ziemlich genau was du getan hast und
nach diesen Kassetten wirst du es auch nie wieder vergessen. Ich werde es
jedenfalls nicht vergessen können. Oh und ganz nebenbei...ich bin immernoch tot.“

Ich starrte an meine Decke, wo ein poster von einer Spiralgalaxie, als es plötzlich klopfte, sich die Tür ein wenig öffnete und ich dann die Stimmer meiner Mutter warnahm.

„Clay, du kommst noch zu spät. Ich hab frühstück gemacht.“ sagte sie. Ich musste erstmal die Worte realisieren, ehe ich verwirrt zur Tür guckte.

„Du-du hast was?“ fragte ich nach.

„Wir frühstücken heute morgen mal alle zusammen.“

„Oh...tun wir?“ fragte ich verwirrt, aber meine Verwirrung war berechtigt, weil wir sonst nie zusammen frühstückten. Ich stand immer etwas später als meine Eltern auf, weshalb ich also auch später frühstückte und mein Frühstück beinhaltete dann entweder Toast oder Müsli.

„Bist du überhaupt wach, “ fragte sie und erneut öffnete sich die Tür meines
Zimmers und betrat dieses schließlich auch, während ich schnell den Walkman
versteckte.

„Und am leben?“

„Ja, ich lebe, ich lebe aber bleib draußen.“ antwortete ich nur.

„Aber ich muss doch mal nachsehen ob du wirklich noch lebst. Ist die mindeste
Vorraussetzung.“ meinte sie und versteckte sich hinter der Tür.

„Du hörst doch meine Stimme.“

„Jetzt ab duschen und dann komm bitte runter zum Frühstück.“ sagte meine Mum und ging die Treppe wieder herunter. Lustlos setzte ich mich auf und setzte die Kopfhörer auf, ehe ich wieder auf die Play-Taste drückte.

„Freundschaft...ist etwas kompliziertes. Aber keine Sorge, du musst es nicht
alleine durchstehen. Das ist kein Vergnügen, glaub mir. Ich weiß wovon ich
rede. Es wird kein Zuckerschlecken...vielleicht tut es sogar ein bisschen
weh..oder auch ein bisschen mehr als nur ein bisschen. Das hängt ganz von
dir ab. Aber keine Sorge, wir gehen das Schritt für Schritt durch. Kassette für
Kassette. Du und ich. Gemeinsam. Und vergiss nicht...es sitzen noch mehr
Leutem mit im Boot.“

Ich dachte über ihre Worte nach, ehe ich mich aufraffte und mich unter die warme dusche stellte. Das heiße Wasser fiel auf mich und ich schloss meine augen. Nachdem ich fertig war, wischte ich über über die Spiegeloberfläche, die
vollkommen beschlagen war. Ich fasste mit Vorsicht meine Wunde am Kopf an, und musste feststellen das es ein wenig brennt. Ich ging zurück in mein Zimmer, zog mir eine Jeans an und überlegte welches Oberteil ich anzieh, immerhin esse ich zusammen mit meinen Eltern zu Frühstück. Ich entschied mich am Ende für ein einfaches shirt und einer meiner geliebten Jacken im College-Style. Dann packte ich meine Tasche. Bücher, College-Block, Federtasche, alles was in den SchulRucksack halt reingehört und natürlich nicht den Walkman vergessen.
Als ich aus meinem Fenster sah, sah ich Simon's geliebten Wagen, weshalb ich die Treppe hinunter stürmte, die Tür aufriss und auf unsere Veranda lief, aber anscheinend war es nur eine Einbildung. Das war nicht Simon's Wagen, sondern
nur ein alter, verdreckter Wagen. Der könnte aber auch mal eine Aufrüstung
gebrauchen.
Ich ging wieder rein und steuerte in die Küche, wo ich bereits meinen Dad sah, wie immer an seinem Rechner und mit einem Brötchen in der Hand.

13 Reasons Why - GastinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt