Als ich aufwachte, schien mir die Sonne direkt ins Gesicht. Ich hatte am Abend vergessen, die Jalousien herunter zu lassen, also war der Raum lichtdurchflutet. Seufzend stand ich auf und zog mir meine Hose von gestern und den Hoodie, den Palle mir geliehen hatte an. An Schlaf war jetzt sowieso nicht zu denken, also konnte ich auch einfach aufstehen.
Gerade als ich ins Bad hatte gehen wollen, hörte ich ein leises Klirren und kurz darauf ein Fluchen aus Palles Zimmer. Erschrocken lief ich durch den Gang zu seiner Zimmertüre, doch im selben Moment, als ich diese hatte öffnen wollen, riss Palle sie auf und rannte mir direkt in die Arme. Kurz verspannte ich mich, doch dann hatte ich die Kontrolle über meinen Körper wieder und machte einfach einen winzigen Schritt zurück um zumindest einen kleinen Abstand zu halten. Dann fiel mir auf, was Palle in den Händen hielt und augenblicklich musste ich leise lachen. Anscheinend hatte er eine Schüssel zerschmissen, denn gerade brachte er einen Haufen Scherben in die Küche.
Mit verschlafenem Blick sah er mich kurz fragend an, dann schien er sich daran erinnert zu haben, dass ich ja zu Besuch war, denn er grinste kurz entschuldigend und lief dann mit seinen Scherben weiter zum Mülleimer. Langsam folgte ich ihm in die Küche. Nachdem die zersprungene Schüssel in einige Lagen Küchenpapier eingewickelt und entsorgt worden war, beschlossen wir, uns Frühstück zu machen, also schob ich ein Blech Aufbackbrötchen in den Ofen, während Palle nochmal kurz in seinem Zimmer verschwand, um sich etwas anzuziehen. Insgeheim hätte ich nichts dagegen einzuwenden gehabt, wenn er oberkörperfrei am Tisch gesessen hätte, doch das konnte ich ihm ja schlecht unter die Nase reiben, also deckte ich in der Zwischenzeit noch den Tisch, bis er endlich wieder in die Küche kam und mich entschuldigend ansah.
„Der Hoodie wollte nicht so, wie ich wollte...", murmelte er verschlafen und ich musste bei der Vorstellung, wie Palle verzweifelt versuchte, einen Hoodie falsch herum anzuziehen, grinsen. Zusammen setzten wir uns an den Küchentisch und begannen, die Brötchen zu verschlingen.
Irgendwann fragte Palle: „Wann musst du eigentlich zurück?" Erschrocken sah ich ihn an, als mir plötzlich wieder einfiel, dass ich ja heute wieder gehen musste. „Äh ja, also heute, wenn... wenn du willst, dann auch jetzt, also ich wollte dich nicht belästigen..." „Nein, tust du nicht!", unterbrach Palle mich, „Ich meinte eigentlich, dass du auch länger bleiben kannst, also wenn du willst. Wir haben ja noch eine Therapie vor uns." Den letzten Satz sagte er mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, das man einfach erwidern musste. „Also ich bleibe gerne noch länger, wenn du damit kein Problem hast!", antwortete ich erleichtert und Palle nickte zustimmend.
Den restlichen Morgen verbrachten wir damit, abzuwaschen und zu reden. Über alles Mögliche, meine Ängste, darüber, dass ich sie gestern überwunden hatte, aber auch über YouTube, mögliche neue Projekte und einfach zukünftige Aufnahmen. Es tat gut, mit ihm zu reden und dabei nicht wie sonst einen Computer, sondern einen echten Menschen vor mir zu sehen. Und langsam schien ich mich tatsächlich an seine Anwesenheit zu gewöhnen.
Ich erschrak nicht jedes Mal, wenn er ein unerwartetes Geräusch machte und hörte auf, mir jeden Satz vorher im Kopf perfekt zurecht zu legen, um auf keinen Fall einen Fehler zu machen, sondern sprach immer öfter einfach aus, was ich dachte. Palle schien es nicht einmal wirklich aufzufallen, was ich als gutes Zeichen nahm.
Nachdem wir uns zu Mittag Nudeln gekocht hatten, beschloss Palle, mich mit nach draußen zu nehmen. Sofort schüttelte ich den Kopf und sah ihn entrüstet an. „Also ich mein ja nur...", fing Palle an, aber ich unterbrach ihn: „Nein! Ich... ich geh doch da nicht freiwillig nochmal raus! Schon als die Evakuierung war da... die Leute sind rum gerannt... und Babys haben geschrien, jeder war hektisch, ich wurde angerempelt..."
Während ich redete, kamen alle Erinnerungen an diesen schrecklichen Tag wieder in mir hoch. Die Hektik, die Schreie, die Berührungen, die ängstlichen Gesichter. Und meine eigene Angst. Das Gefühl zerquetscht zu werden, inmitten der Leute, und der Druck, nicht zusammen zu brechen und zu schreien. Immer deutlicher sah ich alles vor Augen, dass ich in Wirklichkeit immer noch in Palles Küche saß, wo ich die Beine angezogen hatte und immer heftiger zitterte, nahm ich nicht mehr wahr, die Bilder in meinem Kopf waren zu gegenwärtig.
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Kürbistumor - Küss mich!
Fiksi PenggemarIch hatte monatelang nur über Skype mit Leuten geredet und es gab niemanden, der von meiner Sozialphobie wusste. Ich war komplett alleine und eigentlich hätte ich kein Problem damit, wären da nur nicht diese verdammten Gefühle für meinen besten Freu...