Chapter 5

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Sicht Mutter:

Ich parkte meinen Wagen, schloss die Tür auf und betrat unser Haus. Sofort nahm ich das Klappern des Geschirrs war und ging in die Küche, wo Yaron gerade das Abendessen machte. Alaska sah ich allerdings nicht, vermutlich war sie wieder in ihrem Zimmer. Ich gab meinem Mann also einen schnellen Kuss auf die Wange und machte mich dann auf den Weg nach oben. Einen Moment lauschte ich an der Tür, klopfte zwei mal, doch da ich nichts hörte betrat ich das Zimmer. Alaska lag auf dem Boden, zusammengerollt zu einer Kugel, schlafend. Auf dem Schreibtisch, mit ein paar Büchern darunter, stand ihre Kamera, das Lämpchen leuchtete, sie schien noch immer aufzunehmen. Diese schaltete ich zuerst aus, bevor ich den zierlichen Körper meiner Tochter vorsichtig auf ihr Bett legte und die Decke über sie ausbreitete. Natürlich interessierte mich nun, was auf diesem Video war. Und ich nahm die Kamera und sah es mir an. Alaska saß auf ihrem Stuhl, die Haare noch ein wenig zerzaust, vermutlich war sie eben aufgestanden. Die Augen leicht gerötet, scheinbar hat sie kurz davor schon geweint.

"Hi, mein Name ist Alaska. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, warum ich dieses Video aufnehme. Ich glaube, ich möchte einfach nur einmal meine Vergangenheit erzählen, mein Leben von der Seele reden."

Erst in diesem Moment fragte ich mich, wie sie das Leben sah. Warum hatte ich nie darüber nachgedacht?


"Schon von meiner Kindheit an habe ich perfekt zu sein, das kleinste Vergehen wird mit Schlägen bestraft."

War es wirklich so extrem?

"Das fing bereits in meinem dritten Lebensjahr an. Ich durfte nie in einen Kindergarten, hatte bis zu meinem sechsten Lebensjahr keinen Kontakt zu Kindern in meinem Alter."

Wir dachten immer sie wolle keinen Kontakt.

"Mein einziger Gesprächspartner war mein kleiner Teddybär, ich nannte ihn immer liebevoll Tukey."

Ich musste schmunzeln, ich erinnerte mich sehr gut an Tukey. Sie hatte ihn immer dabei und hatte geweint, wenn er mal nicht da war. Dann schlug Yaron sie wieder, sie solle nicht heulen weil Ihr Kuscheltier weg ist.

"Dadurch, dass ich bis zur ersten Klasse keine Kinder kennengelernt habe, redete ich auch in der Schule wenig."

Ich dachte das läge an ihrer Persönlichkeit.

"Durch die Schläge meiner Eltern fürchtete ich mich vor Fehlern, weswegen ich in der Schule nichts sagte."

Sie hatte durch uns Angst bekommen?

"Bis zur fünften Klasse ging das gut, da ich viel lernte. Danach wurde auch meine Mitarbeit benotet. Von da an fingen mich meine Eltern auch wegen meiner schlechten Noten an zu schlagen."

Ich habe sie nie aufgrund der Noten geschlagen. Yaron vielleicht, ich habe es nie mitbekommen.

"Und weil ich nicht sprach hänselten mich die anderen Kinder. Sie meinten ich sei stumm, behindert. Sie machten sich über meinen Glauben lustig und in den Pausen, wenn kein Lehrer hinsah, verprügelten sie mich."

Wieso sagte sie nie dass sie Probleme in der Schule hatte? Wir hätten ihr helfen können, sie auf eine andere Schule schicken können, alles, hätte sie etwas gesagt!

"Zuhause sagte ich immer ich sei hingeflogen, weswegen mich auch Vater wieder schlug, da ich so tollpatschig war."

Das war meiner Meinung nach schon immer übertrieben.

"In der dritten Klasse fand ich dann eine Freundin. Ihr Name war Kim und ich bin mir sicher, wenn sie nicht umgezogen wäre, wären wir noch immer die aller besten Freunde."

Ich erinnere mich an Kim. Sie war aufgedreht, ganz anders als Alaska. Aber ich mochte sie.

"Sie half mir mit den anderen zurecht zu kommen, sie schaffte es, dass sie mich akzeptierten. Natürlich habe ich sie trotzdem gemieden, und ich tue es auch noch immer, doch Kim schaffte es, dass sie mich akzeptierten und in Ruhe ließen."

Nun war ich Kim so unendlich dankbar.

"Wir taten vieles zusammen, oft nahm sie mich mit zu ihr nach Hause, wenn ihre Mutter rein kam versteckte ich mich unter ihrem Bett, nur damit ich nicht zuhause schlafen musste."

Ich dachte mir, dass sie an den Abenden, wo sie nicht nach Hause kam, bei ihr war. Ich sagte nie etwas.

"Kim zog in der sechsten Klasse weg, ich habe sie seit diesem Tag nicht noch einmal gesehen. Als ich die Grundschule verließ, der Wechsel auf ein Gymnasium, dachte ich es würde alles besser werden. Stattdessen wurde alles schlimmer. Ich dachte Vater wäre stolz, da ich es auf ein Gymnasium geschafft habe. Stattdessen schlug er mich, da mein Durchschnitt keine 1,0 war."

Yaron war schon immer sehr streng was die Schulische Leistung angeht.

"Und meine Noten wurden um einiges schlechter aufgrund der fehlenden Mitarbeit. Ich verlor die Lust am Leben, Freunde hatte ich seit dem keine mehr und auch jetzt habe ich keine."

Ich dachte immer sie wäre mit einer Aylin befreundet, über die sie ab und zu redete. Doch vielleicht war sie nur eine erfundene Freundin.

"In der siebten Klasse, als meine Großmutter starb, verlor ich auch meinen letzten Anker. Sie war alles was ich hatte, und sie starb einfach. Ich redete ein ganzes Jahr kein Wort, was mir allerdings auch viele Schläge einbrachte. Und auch heute rede ich nur das Nötigste."

Ich dachte, sie weigerte sich einfach. Ich wusste nicht dass es an Mutters tot lag. Mittlerweile weinte sie, und auch ich wischte mir immer wieder die Tränen weg.

"Verliebt war ich nie, und selbst wenn, mit dem Weirdo will niemand etwas zu tun haben. Das Mädchen, das nie den Mund aufmacht."

Wurde sie wirklich so genannt? 'Weirdo'?

"Wir lebten bis gestern in einem kleinen Dorf, unser Haus war im Wald. Und jetzt? Eine Riesen Villa, eine neue Schule und eine neue Stadt."

Ich wusste dass sie den Umzug hasste.  Sie liebte das kleine Häuschen im Wald.

"Ich habe Angst. Nein, nicht, was passieren wird. Das weiß ich bereits. Nein, ich habe Angst wie schlimm es wird. Denn noch einmal drei Jahre Schläge, Mobbing, mein Leben halte ich nichtmehr aus."

Meinem Mund entflohen immer wieder Schluchzer, Schluchzer, die Alaska weckten. Einen Moment suchte sie die Orientierung, sah die Videokamera in meiner Hand. Dann nahm sie mich still in den Arm. Und ich genoss diese Geste, denn es ist die erste Umarmung, die ich jemals von ihr bekam.

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