Wolke 7 (Max Herre)

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Ich schwebe. Auf einer Wolke weitab sämtlicher Zivilisation liege ich, habe die Augen geschlossen und lausche den sanften Tönen der Musik, die vom Wind an meine Ohren getragen wird.
Sobald ich meine Augen allerdings öffne, wird mir schmerzlich bewusst, wo ich mich tatsächlich befinde. In meinem Bett, mit den Kopfhörern auf den Ohren und dem Wodka in der Hand.
Warum habe ich die Augen nur aufgemacht? Ich nehme einen weiteren Schluck und versuche, mich wieder in meinen Schwebezustand zu versetzen. So recht will es mir allerdings nicht gelingen.

Ich setze mich also auf und schaue auf dieUhr. Es ist 14:27 Uhr.

Ich bin seit knapp vier Stunden wach und ziemlich exakt seitdem trinke ich auch. Es hat sich langsam zu einem Ritual entwickelt, meine Tablette nach dem Aufstehen mit Alkohol zu nehmen und dann den Rest des Tages auch bei dem einen Getränk zubleiben.

Ich weiß, dass dieses Verhalten alles andere als gesund ist. Und doch empfinde ich nichts als Gleichgültigkeit wenn ich daran denke, welche Folgen dieser Konsum haben könnte. Momentan versuche ich nur, irgendwie durch den Tag zu kommen.

Der Alkohol und ich haben eine langjährige und intensive Beziehung; mehr, als ich je mit einem Menschen zustande gebracht habe. Dabei ist die Beziehung von viel Zweisamkeit geprägt, da ich noch nie besonders oft auf Veranstaltungen gegangen bin, sondern lieber mit mir selbst feiere. Aber auch meine Getränkevorlieben weichen von der Norm ab. Während die Durchschnittsfrau sich an Wein, Sekt, Bier oder Cocktails hält, bevorzuge ich meine Freunde Jack, Jim und Johnny. Da ist es fast schon vorauszusehen, dass ich die Kontrolle schneller verliere, als es mir lieb ist. Wie oft mussten mich meine Eltern schon betrunken ertragen, sei es, weil sie mich aus der Prärie abholen mussten oder meine nächtlichen Affären mit der Kloschüssel mitbekamen. Ich bin wahrlich nicht stolz auf meine Eskapaden, doch der Alkohol ist nach wie vor ein Teil meines Lebens und meine längste Beziehung, die ich einfach nicht aufgeben kann. Er lässt mich mich einfach so unbeschwert und fast schon glücklich fühlen... warum sollte ich das einzige aufgeben, das mich noch glücklich macht?

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