3. Bier, Whisky, Winchester

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"Darf ich mich bitte erstmal umziehen? Falls es dir nicht aufgefallen ist, dieses Outfit ist nicht unbedingt bequem."
Cas gab ohne zu zögern nach. Ich nahm mir einige Kleidungsstücke aus meiner großen Reisetasche, die unter dem Bett lag und ging damit dann ins Bad.
Meine Haare waren einfach nur Knoten aus schwarz und rot, mal abgesehen von davon das ich dringend wieder nachfärben musste. Unter meinen braungrauen Augen hatten sich Lidschatten, Eyeliner und Wimperntusche zu schwarzen Rändern vermischt. Von meinem Mund, der Stelle an der mein Lippenstift einmal war, wollte ich lieber mal nicht anfangen.
Während ich mich mit einer Hand abschminkte, zog ich mich irgendwie relativ interessant mit der anderen an. All zu viel Zeit würde Cas mir ja sicherlich nicht geben.
Ich zog mein Oberteil drüber, wirrte mich mit meiner Bürste durch meine Haare, um sie dann zu einem Zopf nach oben zu binden, dann putze ich kurz Zähne und schminkte mich zumindest etwas.
"Bist du langsam fertig?", klopfte es auf der anderen Seite.
Ich öffnete genau jetzt die Tür und stand dem Engel genau gegenüber.
"Wie du siehst, ich bin fertig. Mach hier also nicht so viel Stress."
Langsam ging ich an Cas vorbei und setzte mich auf das Bett. Castiel stand da als hätte man ihn bestellt, aber nicht abgeholt. Sein Blick, sein ganzer Gesichtsausdruck war beobachtend, musternd, als versuchte er etwas über mich heraus zu finden, indem er mich genau sah.
"Also worüber willst du mit mir reden?"
"Was hat der Dämon gestern zu dir gesagt?"
Ich nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Mittlerweile war er schon fast kalt geworden. Ich sah Cas direkt an, als ich erzählte.
"Er meinte nur das ich dumm war mit ihm zu gehen oder in die Bar zu gehen und das ich sein nächstes Opfer sein würde."
Cas war misstrauisch. Sein Blick bohrte. Er überkreuzte die Arme.
"Das meinte ich nicht."
Seine mürrische Art war ja irgendwie niedlich.
"Und was meinst du? Wenn du mir nicht genau sagst was du meinst, dann kann dir auch nicht sagen was du wissen willst..."
"Das ist nicht witzig, Jayde. Ich denke nämlich du findest es lustig. Jemand will deinen Tod und ich versuche nur dir zu helfen."
Ich sah Castiel relativ überrascht an. Woher zur Hölle wusste er das? Hatte er gehört was der Dämon gesagt hat?
Er war ein Engel... Das machte es nicht unmöglich, aber es war vielleicht unwahrscheinlich. Wenn ich so recht darüber nachdachte, waren Dean und Sam nicht gestern auch in der Bar gewesen?
Irgendwas stimmte hier nicht. Irgendwas lief hier einfach gewaltig schief.
Ich antworte Cas mit Wut und Ärger in der Stimme.
"Er hat mir nicht mehr gesagt, als du eh schon weißt. Okay?! Und was mich gerade am meisten interessieren würde, woher weißt du das? Warst du dabei oder wie?"
"Ich bin wie bereits gesagt ein Engel des Herrn. Ich sehe vieles und ich weiß vieles."
Allmählich verlor ich die Geduld. Dieser 'Ich bin ein Engel'-Quatsch ging mir gewaltig auf den Zeiger.
Ich sprang auf und ging ihm einige Schritte entgegen. Normalerweise war ich nicht so leicht reizbar, aber gerade war ich einfach nicht in der Stimmung für so einen Mist.
"Schön für dich! Aber ich weiß nicht warum die in der Hölle ein Kopfgeld auf mich aufgesetzt haben! Ich habe mich mit niemandem angelegt, mit niemanden einen Deal gemacht oder irgendwas sonst, also schlage ich dir vor du flatterst davon und lässt mich in Ruhe! Ich kann auf mich selbst aufpassen!"
"Beruhige dich erstmal."
Cas wollte mir mit der Hand an die Stirn fassen, doch ich blockte ab.
"Ich beruhige mich, wenn ich das will! Verstanden?"
"Dann solltest du dich jetzt beruhigen wollen. Setz dich bitte wieder."
Ich sah ihn an, mustere das Gesicht seiner Hülle und warum auch immer setzte ich mich, immmernoch wütend, wieder.
"Und jetzt?"
"Ich verstehe ja, dass du aufgebracht bist, aber ich will nur versuchen dir zu helfen. Also... Du hast nicht gesagt, dass diese Drohung aus der Hölle kommt. Das heißt jemand aus der Hölle trachtet dir wohl nach dem Leben."
"Scharf kombiniert, Sherlock."
Cas strafte mich mit einem genervten Blick.
"Und du bist dir wirklich sicher, dass du dich mit keinem Dämon angelegt hast? Das du keinen Deal, Vertrag oder ähnliches abgeschlossen hast?"
"Natürlich bin ich das! Ich würde das ja wohl noch wissen!"
Cas ging vor mir gespannt auf und ab. Er war nachdenklich. Irgendwie schien er etwas mehr zu wissen als ich.
"Gestern, in deinem Drink waren wohl nicht wie angenommen K.O.-Tropfen, sondern mit großer Sicherheit war es ein Gift, dass dich nur bis zur Übergabe bewusstlos machen sollte."
Ohne wirklich darüber nachzudenken fragte ich Cas nochmal das Ganze zu wiederholen.
Ich dachte, ich hätte mich verhört. Jemand hatte mich vergiftet?
"Ich bin keine Jägerin, ich habe niemandem etwas getan. Also warum zur Hölle, wollen die mich tot sehen?"
"Die Frage ist erstmal wer dich töten will. Du bist mit Sicherheit keine Jägerin?"
Ich nickte.
"Dann muss es etwas anders sein... Ich werde mich ein wenig umhören, bis dahin bleibst du bei Sam und Dean. Sie passen auf dich auf und wissen zur Not was zu tun ist."
Das was er sagte klang so endgültig.
"Cas, warte! Ich-"
Ich konnte mein Rufen nicht mal mehr beenden, da war er schon weg. Der Engel im Trenchcoat hatte sich einfach in Luft aufgelöst und mich hier ziemlich verwundert und verwirrt zurück gelassen.
Erst will er mir helfen, dann verschwindet er einfach. Das sind mir ja die liebsten!
Normalerweise würde ich mir über so etwas nicht wirklich Gedanken machen, aber da ich mir in meiner momentanen Lage echt alles durch den Kopf schwirrte, musste ich nunmal auch darüber nachdenken.
Ich schnappte mir mein Notizbuch und einen Kugelschreiber, warf mich damit aufs Bett. Gedanklich ging ich alle Ereignisse der letzten Wochen und Monate durch, während nebenbei meine Lieblingsplaylist, eine Kombination aus allen Songs, die ich je gehört hatte und die mir gefielen, lief. Irgendwas musste passiert sein. Ohne Grund hätte man es nicht auf mich abgesehen. Alles was mir einfiel schrieb ich auf. Genau so viel wie ich aufschrieb, strich ich vermutlich auch wieder durch.
Ich war vieles, süß, eine Zicke, unglaublich trinkfest, was man bei meinem äußeren ja gar nicht denken würde und definitiv auch nicht dumm, wenn ich allerdings nicht war, dann eine Jägerin.
Mein Vater war Jäger. Er hatte mir mit für den Notfall ein paar Sachen gezeigt. Anscheinend lag es auch in der Familie, aber hielt nicht all zu viel davon. Aber durch das Land ziehen, während man Dämonen und Monster jagt? Das war nichts für mich.
Abenteuer fand ich schon toll und auch beim Töten von Monstern oder Austreiben von Höllenbewonern verspürte ich einen gewissen Kick, aber so ein Leben, ohne festen Platz, das war nicht das, was ich wollte.
Nach dem Tod meiner Mutter musste ich mich sowieso erst einmal wieder selbst finden...
Am Abend zog ich mich etwas schicker an. Eine dunkelgraue Jeans, ein schlichter Pullover mit leichtem Ausschnitt in grau, da es ja draußen doch relativ frisch war und natürlich auch die passenden Stiefel mit Absatz und in der selben Farbe des Oberteils, sollten heute meine Begleiter sein. Mein Make up frischte ich noch etwas auf, trug noch einen auffälligeren Lippenstift in einem rosigem Rotton auf und machte mich dann auf den Weg zum Hayvers.
Die Bar war nur zwei Blocks weiter, es war also kein Problem zu Fuß durch die Dunkelheit zu gehen. Es waren eh überall Straßenlaternen, die das ganze aufhellten.
Als ich, ohne Schaden oder Probleme, in der Bar ankam, erwarteten Dean und Sam mich schon.
Sie saßen an einem Tisch in der Ecke, etwas abseits, trotzdem weit weg genug von dem bisschen Leben, das hier noch herrschte.
Dean freute sich sichtlich über meine Ankunft. Sam... naja... eher weniger.
"Wir haben schon auf dich gewartet, Jayde. Ich dachte schon du schlägst dich draußen wieder mit irgendeinem Dämon."
Dean und ich lachten zusammen. Selbst Sam musste grinsen. Er schien sich in meiner Gegenwart so langsam zu entspannen. Vielleicht hatte Dean ihm aber auch zurecht gewiesen.
Wer weiß...
"Habt ihr euch denn noch gar nichts bestellt?"
"Nein, nein. Wir wollten auf dich warten."
Dean lachte.
"Wir wussten ja nicht, ob du ein Cocktail- oder Biermädchen bist.", zwinkerte er spielerisch.
Ich nahm zwischen den beiden Brüdern auf der dunkelbraunen Sitzgarnitur, an dem ebenso aus dunklem Holz bestehenden Tisch Platz.
"Bier und Cocktails schön und gut, aber wirkliche Freude macht mir nur ein schöner Whisky oder ein Scotch."
Sam sah mich verspielt fragend an.
"Wirklich?"
"Ja. Was denn? Ich hatte dafür schon immer was übrig."
Dean stand also auf, ging zum Tresen und bestellte alles, was wir wollten. Die Nacht zog sich lang. Es war total witzig. Wir tranken und unterhielten uns. Es ging anfangs noch um seriöse Themen, wie dem was Cas zu mir gesagt hatte, was die Jungs in der Stadt machen, was ich in der Stadt mache und so weiter.
Je mehr wir allerdings tranken und vorallem auch noch durcheinander, egal ob Kurzer, Bier oder sonst irgendwelcher Fusel, desto offener wurden wir.
Die Jungs erzählten von ihrer Kindheit, ihrem Vater, dem Auto, Dämonen, Engel und von allem möglichem.
Ich erzählte ebenfalls, achtete aber immer noch darauf, dass ich nicht mit ganz so lockerer Zunge sprach.
Zu meinem Vater sagte ich nur, dass es ein sensibles Thema sei, ich ihn eh kaum gesehen hatte und das er eben Jäger war. Mehr gab es dazu eh nicht zu sagen.
Ich war das Ergebnis und auch das Ende der 'wilden Jahre' meiner Mutter gewesen. Aber durch einen Test, war hundert prozentig sicher, wer mein Vater war.
Am Ende des Abends oder eher spät nachts, egal jedenfalls war es total lustig gewesen, bezahlte ich dann wie Verspätung das ganze Gesöff.
"Woher hast du denn so viel Geld?", fragte Sam der kaum noch gerade stehen konnte.
"Geerbt. Oma und Opa hatten ja nur eine Enkelin und auch einen College-Fond für diese."
Wir mussten lachen und das noch eine ganze Zeit lang. Das Lachen hielt sogar an bis wir schon draußen waren und durch eine Gasse gingen. Dean und Sam hatten nämlich noch darauf bestanden mich zum Hotel bringen zu dürfen, für den Fall dass wieder etwas passiert oder es jemand auf mich abgesehen hatte.

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