5. Kapitel

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“Los! Mach schneller...mein Gott so schwer kann das doch nicht sein, Junge“

Das Gesicht von Mrs. Flint tauchte direkt vor Paul auf. Es war sein zweiter Tag in der Palastküche, 8:00 Uhr morgens und Paul war jetzt schon so erschöpft, wie er es selten gewesen war. Harte Arbeit war er gewohnt, aber die ständigen Schreie von der Köchin und das Herumhetzen in dem großen Raum laugten ihn komplett aus. Als er gestern Abend gegen 10:00 Uhr nach Hause gekommen war, hatte er seinen Eltern nicht viel erzählt. Nicht, dass die Köchin eine alte Hexe war, nicht dass viele Angestellten ihn von oben herab betrachteten und auch nicht, dass er der Laufbursche für alles war. Denn das war er tatsächlich. Gestern hatte er den ganzen Tag nur Arbeiten wie Feuer machen, Wasser holen und Holz hacken verrichten dürfen. Paul nimm mal das, Paul mach mal das, Paul gib mir mal das.

“Paul!“ ,

brüllte Mrs. Flint

“Gib mir mal den Wassertopf!“

Gestern hatte Paul im Laufe des Tages herausgefunden, dass Mrs. Flint vom Küchenpersonal meistens nur “die Flinte“ genannt wurde, was perfekt zu ihr passte. Mrs. Flint hatte natürlich keine Ahnung davon, denn hätte sie die gehabt, hätte sie sicherlich mit einer ominösen Flinte, die sie bestimmt besaß, alle erschossen.
Paul grinste, als er sich die Köchin mit einem großen Gewehr in der Hand vorstellte.

“Hey, Bauernjunge!“,

schrie die Flinte jetzt. Die Art wie sie Paul ansprach variierte zwischen “Paul“,“Bauernjunge“,“Bauernlümmel“ und “Bastard“! Denn, dass Paul ein Findelkind war, hatte sie schon gestern herausbekommen und diese Tatsache hatte sie geradewegs zu der Annahme geführt, dass Pauls Mutter eine Prostituierte gewesen sein musste. Paul spürte das immer noch sehr schmerzhaft in seiner Hand. Denn als Mrs. Flint ihm ihre Theorie unterbreitet hatte, hatte Paul mit seiner Hand mehrfach auf die Holzscheite geschlagen, die er in die Küche tragen sollte, um seine Wut nicht an der Köchin auszulassen, weil dann wäre er mit einem saftigen Fußtritt vor die Tür befördert worden und zwar für immer.

“Paaaaauuuul, mein Gott sowas wie dich kann man hier nicht gebrauchen. Du strengst dich jetzt an oder du fliegst auf der Stelle raus!“

Paul zuckte zusammen. Das konnte er sich wirklich nicht leisten.

“Ja, Mrs. Flint? Was soll ich machen?“

“Du hilfst Ellis bei den Rouladen.“

Also wanderte Paul zu Ellis. Ellis war ein hübsches Mädchen, allerdings ging ein gehöriger Teil ihrer Schönheit verloren, wenn sie den Mund öffnete. Denn Ellis hatte eine ähnliche Ausdrucksweise wie Mrs. Flint. Kein Wunder, dass die Flinte das Mädchen über alles liebte.
Paul stellte sich also stumm neben sie  und betrachtete verzweifelt die ganzen Zutaten, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Er seufzte.

“Was ist?“,

fuhr Ellis ihn an.

“Wie macht man solche Rouladen denn?“,

flüsterte Paul, denn er wollte nicht, dass der Rest des Personals etwas von seiner Unfähigkeit mitbekam.
Diesen Plan machte Ellis sofort zunichte.

“Du weißt nicht wie das geht?“

,lachte sie heiser und so laut, dass es natürlich jeder mitbekam.
Paul schüttelte resigniert den Kopf. Hinter ihm hörte er zwei Küchenmädchen kichern. Ellis drehte sich um und grinste ihnen zu und wandte sich anschließend Paul zu. Sie erklärte die ganzen Zutaten in einer rasenden Geschwindigkeit, machte ihm einmal vor was er machen sollte - ebenfalls so schnell, dass er nichts erkennen konnte und endete mit einem drohenden

“Wehe, du machst etwas falsch!“

Damit war die Sache für das Mädchen erledigt, sie drehte sich von Paul weg und wandte sich komplett ihrer Arbeit zu. Paul wollte gerade anfangen, die Rouladen zu machen, als die Türklingel der Hintertür schellte. Das war keine Seltenheit, denn häufig wurden Lebensmittel an die Küche geliefert.

Der SpionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt