Paul schloss die Augen, öffnete sie wieder und zwickte sich unaufällig ins Bein, aber er saß immer noch in der "kleinen Bibliothek" und vor ihm saß immer noch der Mann, der gerade eben gesagt hatte:
"Dann können wir ja mit dem Unterricht beginnen!"
"U...Unterricht?",
fragte Paul noch einmal vorsichtig, um sicher zu gehen, dass er es richtig verstanden hatte. Der Mann mit der Brille nickte lächelnd und zeigte dem -wie immer genervten - James mit einer Handbewegung, dass er gehen dürfe, bevor er begann, alles zu erklären.
"Das muss alles sehr verwirrend für euch sein, nicht wahr?"
, richtete er sich an Paul und die drei übrigen Jungen. Paul nickte. Ja das war es in der Tat. Von der Küche in die Bibliothek? Von Töpfe schrubben zu...Unterrricht? Nein, dafür hatte er keine Erklärung. Auch die Anderen murmelten zustimmend.
"Eigentlich ist es ganz einfach.",
fuhr der Bibliothekar fort.
"Der Duke, seine Lordschaft George Villiers gibt jedes Jahr vier Schlossbediensteten die Möglichkeit, mehr aus ihrem Leben zu machen, aufzusteigen, eine bessere Position zu erlangen. Und deswegen lost er jedes Jahr unter allen männlichen Bediensteten vier aus. Und ihr seid die Glücklichen."
"Und was ist der Haken dabei?",
knurrte einer der drei anderen misstrauisch. Er war ein großer Junge, mit dunklen, gelockten Haaren, zusammengekniffenen Augen und einer Narbe über dem rechten Auge.
"Es gibt keinen Haken. Aber ich denke, es ist selbstverständlich, dass ihr euch der Mühe, die in euch gesteckt wird als würdig erweist."
Der Junge lachte hämisch.
"Es gibt also einen. Und wenn wir uns nicht würdig erweisen, was ist dann?"
Paul konnte ihn nicht verstehen. Das war eine einzigartige Möglichkeit und auch DIE EINZIGE Möglichkeit, die sich ihm jemals bieten würde, mehr als das zu werden, was er war. Ein Findelkind, ein Bauerssohn, ein verdammter Küchenjunge. Er würde sich als würdig erweisen, George Villiers würde es nicht bereuen, ihn ausgelost zu haben. Während also der Bibliothekar dem grimmigen Jungen erklärte, dass, wenn er sich nicht als würdig erweisen würde, ein Rauswurf die Folge war, ließ Paul seinen Blick über die zahlreichen Bücherreihen schweifen. Unmengen an Büchern, mit so viel Wissen gefüllt. Paul sah sich schon Wälzer über Astronomie studieren, neue Sprachen lernen...ja, die ganze Welt stand ihm jetzt offen. Er würde etwas über Länder erfahren, von denen er noch nie gehört hatte und sich in Fantasien großer Geister verlieren.
Paul war so vertieft in seine Träume, dass er das Hüsteln des Bibliothekars erst beim dritten Mal wahrnahm.
“Kannst du lesen und schreiben, Paul?“
Paul schüttelte den Kopf. Natürlich konnte er nicht lesen und schreiben, warum auch? Solche Bücher, wie er sie heute gesehen hatte, hatte er in seinem ganzen Leben nie in der Hand gehabt. Wofür also lesen? Und schreiben hatte auch keinen Zweck, wenn die gesamte Umgebung das Geschriebene nicht lesen konnte.
Der Lehrer richtete die selbe Frage nun an die anderen drei Jungen.
Zwei von ihnen verneinten ebenfalls, nur der unzufriedene Junge mit den Locken nickte verächtlich.“Die Grundlagen kann ich.
Was soll das alles hier, ich will das nicht.“ ,fügte er grimmig hinzu.
“Du bist auf George Villiers Befehl hier und sein Befehl ist Gesetz!!!“
donnerte der vorher eigentlich so beherrschte Bibliothekar plötzlich und schlug mit seiner Faust dermaßen auf den Tisch, dass dieser zu wackeln anfing.
Dies hatte ihn wohl wieder zur Besinnung gebracht, denn er atmete tief durch und sagte ruhig und beherrscht:“Gut, fangen wir mit dem ersten Buchstaben an...“
...
Während Paul das “A“ immer und immer wieder nachzeichnete und versuchte, es möglichst genau zu machen, konnte er nicht vermeiden, ab und zu zu dem lockigen, grimmigen Jungen zu schauen. Er verstand ihn nicht. Wie konnte er sich dieser Chance verwehren? Sollte er nicht der glücklichste Mensch auf Erden sein?
Als hätte der Junge seine Gedanken gehört, hob er den Kopf und sah Paul an. In seinem Blick mischten sich Wut und Aggression und noch etwas, das Paul zuerst nicht deuten konnte. Aber es war offensichtlich. In den Augen des Jungen sah er die nackte Angst.
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Der Spion
Historical Fiction"Hast du gute Nachrichten?", fragte ihre schneidende Stimme. Er begann zu zittern "Nein, Majestät! " "Wie schade für dich. " Ihr Lachen war unerträglich. "Dann wirst du bestraft werden!" Er schluckte. Er hatte sich mit der Königin angelegt. Das würd...