Kapitel 17 - Versprechen

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Jonghyun POV.

Ich ging näher auf die Person zu und erkannte an der zierlichen Statur und den langen Haaren sofort das es ein Mädchen war. Mein erster Gedanke war, dass sie Juna ziemlich ähnlich sah. Die schwarzen, welligen Haare. Die Schülerin saß zusammengekauert auf den Boden, hatte die dünnen Beine an die Brust gezogen und versuchte ihr Gesicht vor meinen neugierigen Blicken so gut es ging zu verstecken. Sollte ich wieder gehen? Ich blieb stehen und blickte in ihre Richtung. Ich hörte leises Schluchzen und Verzweiflung. War das wirklich Juna? Aber warum sollte die immer so aufgeweckte, freche, so beliebte Juna hier weinend am Boden sitzen und sich auch noch vor mir verstecken? Das macht meiner Meinung nach nicht wirklich viel Sinn. Ich suchte nach Indizien die meinen Verdacht bestätigten oder nach einem Grund für die Trauer des Mädchens, aber ich konnte nichts finden. Gerade wollte ich umdrehen und wieder in die andere Richtung gehen, als mich Schuldgefühle überkamen und mein Helfer-Syndrom einsetze. Schon immer war ich die starke Person gewesen, die den Schwächeren geholfen hatte und sich meist sogar um jeden Preis um die Probleme Anderer kümmerte. Wahrscheinlich kannte ich das Mädchen noch nicht einmal, also warum sollte ich mich in die Angelegenheiten anderer einmischen, die nicht so aussahen als wollten sie unbedingt ausgerechnet von mir Hilfe? In der Vergangenheit hatte sich das besorgte Helfen meinerseits nicht immer nur als eine Stärke herausgestellt. Ich hatte gehört, dass sich Personen mit dem 'Helfer-Syndrom' bewusst schwache Menschen in ihrer Umgebung suchen, die Probleme haben oder Hilfe brauchen, um sich ihnen als Retter aufzuzwingen. Nicht Jeder möchte umbedingt seine Probleme lösen und ihnen entgegentreten und dann kommt es Ihnen eben oftmals weniger gelegen, wenn ein Helfer sie dazu mehr oder weniger zwingt. Ich hatte mir nach dem letzen Mal geschworen mich nie wieder Anderen so aufzuzwingen wie damals. Außerdem gibt es auch viele schlechte Menschen die dich ausnützen, wenn sie wissen das du gerne hilfst und dich bis zum letzen kleinen Bisschen ausschlachten. Ich wollte mich unbedingt abwenden, doch ich konnte nicht. Sollte ich eine Person der es schlecht geht wirklich einfach so ohne einmal nachzufragen zurücklassen?

Ich öffnete den Mund, wollte etwas sagen, aber schloss ihn drauf hin gleich wieder. Mein Kopf und mein Herz waren hin und hergerissen. Ich war angespannt und meine Knie zitterten ein klein wenig. Wie konnte ich mich in so einer Situation nur so in etwas Hineinsteigern, das mich nichts anging.
Mein Herz riet mir zu helfen und mein Kopf wollte mich zwingen es zu lassen. Wie damals.

"Hey!... Bist dus Juna?', fragte ich und war überrascht, wie rau und krätzig meine Stimme klang.

Ich wollte mich nur vergewissern, mehr nicht. Genau! Wenn das Mädchen nicht antwortete und nicht Juna ist, dann würde ich einfach wieder gehen. Ganz einfach. Nur weil ich Nachfrage mische ich mich ja nicht gleich ein.

Es blieb weiter Still.
Ich probierte es noch ein weiteres Mal und hasste mich gleich darauf selbst dafür. Ich hasste mich dafür helfen zu wollen, aber so war ich eben.

"Was machst du da?", warf ich in den Raum.

Das Mädchen wendete sich ab, versuchte sich möglichst so hinzudrehen, dass ich sie nicht sehen konnte und viel dabei fast um. Ihre Beine immer noch dicht an ihrem Körper. Das sollte mir dann wohl sagen, dass ich einfach verschwinden und sie in Ruhe lassen soll oder? Erst jetzt sah ich wie dreckig der Boden war und ich spürte wie ein leichter Ekel in mir aufkam. Wie verzweifelt muss man sein, dass man an so einem Ort zusammenbricht? Ich wollte wirklich gehen, aber ich war an diesem Boden festgewachsen. Ich stand einige Minuten steif da und bewegte mich keinen Millimeter. Plötzlich blickte das Mädchen auf. Sie hatte sicher nicht damit gerechnet mich zu sehen oder dachte das ich schon längst verschwunden war. Vielleicht wollte sie sich auch einfach nur über den Idioten lustig machen, der dachte er könnte ihr helfen. Ich war ziemlich überrascht, als ich in das aufgedunsen, verweinte Gesicht des Mädchens blickte und erkannte, dass es wirklich Juna war. Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet. Sie lächelte peinlich berührt. Ich versuchte mir meine Verwunderung nicht anmerken zu lassen, um es nicht noch unangenehm für sie zu machen, als ich wohl eh schon war. Mein Verdacht hatte sich also gerade bestätigt. In diesem Moment wünschte ich mir es wäre jemand Anderes. Damit war wohl wieder einmal bewiesen worden, das man Menschen ihre Probleme nicht ansehen konnte. Jeder hat mit Sicherheit etwas das ihn belastet, aber die meisten sind wohl sehr bemüht es zu verbergen. Warum? Naja, um nicht darüber reden zu müssen oder um es zu vergessen. Junas Lächeln hatte mir schon zu viel verraten. Sie wollte nicht reden und sie wollte kein Mitleid. Ich entschied mich deshalb einfach dafür sie  nicht über die Situation auszufragen. Ich ging auf sie zu und ohne groß zu überlegen setze ich mich auf den nassen und eklig riechenden Boden. Ihr Gesicht war ausdruckslos, ihr Blick auf mich gerichtet. Sie hatte aufgehört zu weinen und die letzen Tränen bahnten sich ihren Weg über ihr Gesicht. Ich kam ihr zum ersten Mal so nahe und sah in ihre riesigen Augen. Ich hatte noch nie jemanden gesehen der so viel Trauer und Verzweiflung ausstrahlte und trotzdem noch versuchte seine Fassade aufrecht zu erhalten. Ich hatte sie durchschaut. Ich war nicht sicher was ich tun oder sagen sollte. Ich verließ mich auf mein Bauchgefühl.

Das erste was mir in den Sinn kam war eine Umarmung und die Worte
"Ist schon okay. Lass einfach alles raus."

Ich wollte einfach nur für sie da sein, dass war wohl das Einzigste was ich im Moment tun konnte. Ich rutschte näher zu ihr und zog sie behutsam in eine innige Umarmung. Sie lag völlig steif und angespannt in meinem Arm. Ich drückte sie ganz fest an mich. Erst dachte ich sie würde sich jeden Moment aus der Umarmung lösen, mich vielleicht sogar schlagen, aber dann legte sie ihren Kopf ganz selbstverständlich auf meine breite Schulter. In diesem Moment brach alles aus ihr heraus. Sie klammerte sich mit beiden Händen fest an mein Shirt, bebte und alles kam aus ihr heraus wie ein reißender Wasserfall. Ich spürte ihre langen Fingernägeln die sich leicht in meinen Rücken bohrten und wie mein Shirt durch ihre Tränen ganz feucht wurde. Ihr Körper war so dünn, dass ich Angst hatte sie würde jeden Moment zerbrechen, wenn ich aus Versehen noch fester drücken würde. Aus dieser Angst heraus löste ich die Umarmung, legte meinen Kopf an ihren und fing an vorsichtig über ihren Rücken zu streicheln. Nur ganz leicht. Danach holte ein Taschentuch aus meiner Hosentasche und reichte es ihr.

"Danke...", sagte sie mit weinerlicher Stimme.

Als sie es entgegen nahm, berührten sich unsere Hände kurz und es war ein seltsames Gefühl. Ich fühlte mich erleichtert. Sie fing an sich mit dem Tuch die Augen abzutupfen.

"Bitte. Keine Ursache.", antwortet ich darauf und lächelte sie leicht an.

Ich wusste wie es war, sich einsam, traurig und verlassen zu fühlen. Ich konnte sie gut verstehen. Es war für einen Moment so, als würde ich selbst gerade vor meiner Vergangenheit sitzen. Wir saßen noch einige Zeit einfach nur da und blickten uns gegenseitig an, bis sie plötzlich schnell aufsprang.

"Es tut mir leid, dass ich dich aufgehalten habe. Du solltest jetzt schnell zurück in deine Klasse gehen. Alle warten sicher schon auf dich", mit diesen Worten kehrte sie mir den Rücken zu und wollte sich aus der Affäre ziehen

Ich packte sie am Handgelenk und zog sie zurück, zwang sie dazu mich anzusehen. Das tat sie auch, aber sie blickte mehr durch mich hindurch, als mich wirklich anzuschauen.

"Wenn du ernsthafte Probleme hast, hab keine Angst mit jemanden darüber zu sprechen. Ich bin immer da, wenn du mich brauchen solltest. Egal was es ist, ich helfe dir."

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Tut mir leid, dass es jetzt so lange gedauert hat bis ein neuer Teil kam. Ich werde jetzt wieder aktiv weiter schreiben. :)
Außerdem kommt als nächstes wieder ein Key Kapitel, immerhin ist das hier ja eine Jongkey FF!! 😂☺️

I'll Take Care Of You. [SHINee || Jjongkey FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt