Zurück nach Hause

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Der Ton meines Weckers riss mich um exakt 05:30 Uhr aus dem Schlaf. Normalerweise würde er erst zwei Stunden später gehen und ich würde mich nur fertig machen, um mit meiner Tante Emily unten im Wohnzimmer meine Schulsachen zu machen, aber heute war alles anders. Es würde endlich zurück nach Beacon Hills gehen.

Ich atmete also tief durch, als ich mich aufsetzte und noch einmal durch den Raum sah. Meine Sachen hatte ich schon komplett gepackt und der Raum erinnerte nur noch durch die vollgemalte Wand an mich. In den letzten sieben Monaten hatte ich nämlich, natürlich mit Tante Emilys Erlaubnis, die Wände komplett bemalt. Ich hatte mich so künstlerisch ausgelebt, dass es auf drei der vier Wänden keinen einzigen Fleck gab, der nicht mit Pflanzen oder ähnlichem verziert war. Auch wenn ich mehr als glücklich war, wieder nach Hause zu kommen, konnte ich die Trauer über unsere Abreise nicht wirklich unterdrücken. Wer wusste bitte schon, ob ich es jemals schaffen würde, die Wände fertig zu bemalen?

Ich griff nach meinem Geldbeutel, den ich extra auf meinem Nachkästchen platziert hatte, damit ich ihn nicht vergaß und öffnete ihn. Sofort sah ich meinen Ausweis, welcher nun den Namen Alicia Hale-McClark zeigte. Diese Sache hielt mich immer noch in der Vergangenheit. Ich hatte herausgefunden, wer mein Vater war und eigentlich hatte ich mir geschworen, es einfach zu verdrängen, aber es ging nun mal nicht. Als Andrew mir dann schließlich auch noch nahegelegt hatte, dass ich meinen Namen doch einfach in einen Doppelnamen ändern könnte, um dem ganzen irgendwo einen Start zu geben, hatte ich ihn zugestimmt. Ich hoffte irgendwann die Zeit zu finden, um mit Malia über unsere Eltern zu reden, immerhin steckte sie im selben Schlamassel, wie ich es tat.

Als ich mich schließlich doch endlich fertig gemacht hatte, schlurfte ich die Treppen hinunter und lief geradewegs in meinen Bruder Kyle hinein. Wir waren in den letzten Monaten wirklich zusammengewachsen. Während Andrew zwar mittlerweile ausführlich über das Übernatürliche Bescheid wusste, hatten wir uns dazu entschieden, dass es schlauer war zu erzählen, dass Mom bei einem Autounfall auf dem Rückweg von einem Tagesausflug in Mexiko ums Leben gekommen war. Unrealistisch wirkte dies nicht, immerhin hatte ich auch so einige Wunden im Kampf erlitten.

Emily hatte uns viel von unserer Mutter gezeigt und mitgegeben. Ich hatte einige Bücher von ihr bekommen, die tatsächlich nicht nur Kinderbücher waren, welche ich auf jeden Fall bei uns zu Hause einräumen würde. Kyle hingegen hatte sich eher einige Bilder gekrallt, da er immer noch etwas damit kämpfte, zu realisieren, wer seine Eltern waren.

„Bist du schon aufgeregt?", fragte ich ihn also, als wir uns beide eine Schüssel Cornflakes in der Küche machten.

„Das kannst du laut sagen. Ich war seit der Middle School in keiner öffentlichen Schule gewesen.", murmelte er nervös und kratzte sich kurz an der Nase. Damit sollte er recht behalten. Er war immerhin seit der neunten Klasse zu Hause unterrichtet worden.

Wenn ich sagen würde, dass ich nicht nervös war wieder nach Hause zu kommen, wäre es eine heftige Lüge gewesen. Meine Freunde waren, vor allem in den letzten zwei Monaten, verdächtig ruhig geworden. Lydia hatte ich das letzte Mal vor knapp einem Monat gesprochen, Liam hatte mir nur einige Male kurz Nachrichten geschrieben, welche sich allesamt anhörten, als hätte er den Text nur etwas verändert, Scott hatte mir insgesamt nur 4 Mal geschrieben und sogar Stiles, der am Anfang noch eifrig updatete, wenn es neue Ereignisse im Bezug auf Übernatürliches gab, hatte vor mehr als vier Monaten komplett gestoppt. Nur Malia sprach ich regelmäßig. Sie erzählte mir zwar nie etwas im Bezug auf die Anderen, aber sie hatte mir davon erzählt, dass sie wüsste, wer ihre leibliche Mutter war und sie mich einweihen würde, wenn ich wieder da wäre. Ich wurde insgesamt das Gefühl nicht los, dass irgendetwas vor sich ging, von dem mir keiner erzählen wollte.

Emily brachte uns schließlich eine Stunde später zum Flughafen und weinte bitterlich, als sie sich von uns verabschiedete.

„Verdammt, normalerweise bin ich nicht so emotional.", murmelte sie mir ins Ohr, als ich sie umarmte und ich lachte deswegen leicht. Es stimmte schon. Emily war um einiges abgehärteter, als es Mom war. Sie war das perfekte Beispiel für „Harte Schale, weicher Kern".

Kurz bevor wir schließlich zum Terminal gingen, schrieb ich Malia noch, dass wir bald losfliegen würden, da sie versprochen hatte mich abzuholen.

„Jetzt geht es endlich nach Hause.", murmelte Andrew schließlich neben mir, als wir unsere Sitze im Flieger eingenommen hatte und nahm dann meine rechte und Kyles linke Hand in seine, „Jetzt wird alles wieder normal."

Ich lächelte ihn mild an. Natürlich wünschte ich es mir, vor allem für Kyle und Andrew, dass ihr Leben einfach genauso normal weiterlaufen würde, wie es bei Emily war, doch ich wurde das Gefühl einfach nicht los, dass wir uns direkt wieder ins nächste Chaos stürzen würden, mit unserer Rückkehr.

Als das Flugzeug einige Stunden später landete, konnte ich mich vor Vorfreude kaum noch im Sitz halten. Bis wir also in der Halle standen, verging die Zeit so schnell, wie schon lange nicht mehr. Aufgeregt suchten meine Augen die gesamte Flughafenhalle nach Malia ab, doch ich fand sie nicht.

„Habt ihr sie schon gesehen?", fragte ich Andrew und Kyle dann, auch wenn Kyle Malia bis jetzt nur auf einem Foto gesehen hatte.

„Nein, aber ihn hab ich gesehen.", erwiderte Andrew und zeigte dann auf einen großen schwarzhaarigen Jungen, der aufgeregt in unsere Richtung winkte.

Mein Lächeln wurde breiter, auch wenn es nicht die Person war, die ich erwartet hatte und ich rief freudig: „Stiles!"

Sofort war ich in seine Arme gesprungen und umarmte ihn fest.

„Wir haben dich unglaublich vermisst, Alicia.", murmelte er in meine Haare, weswegen ich noch breiter lächelte und erwiderte: „Und ich euch erst."

Als wir uns lösten, merkte ich trotz meiner Euphorie, dass ihn irgendetwas bedrückte. Da ich aber nicht sofort auf ihn einreden wollte, räusperte ich mich nur und drehte mich dann zu Kyle.

„Kyle, das ist Stiles. Stiles, das ist mein kleiner Bruder Kyle.", stellte ich die beiden gegenseitig vor und sie nickten sich kurz zu.

„Seltsamer Name." – „Seltsam, dass du hier bist."

Kyle sah Stiles verdutzt an und auch ich blinzelte einige Male verwirrt, weswegen Stiles sich rechtfertigte: „Naja, ihr wisst schon. Dass er hier ist, weil du einen geheimen Bruder hattest, von dem niemand etwas wusste. Deswegen seltsam und... ach, ich lass es einfach."

Damit griff er nach meinem Koffer und deutete mir ihm zu folgen. Ich sah deswegen zu Andrew und Kyle, bevor ich meinte: „Ich werd später nach Hause kommen. Wartet nicht mit dem Essen auf mich."

Dann ging ich Stiles nach und erst am Jeep kamen wir wieder ins Gespräch.

Ich fragte: „Wieso ist Malia nicht hier? Sie meinte, sie wollte mir unbedingt ihre Fahrkünste zeigen, weil sie ja jetzt ihren Führerschein hat."

„Sie hat mich gebeten dich zu holen, weil... sie beschäftigt ist.", murmelte er und ich sah ihn deswegen ungläubig an und er knickte schließlich ein.

„Ich weiß ehrlich nicht, was sie tut.", murmelte er und kratzte sich dann im Nacken, bevor er gestand, „Das weiß ich schon seit einer Woche nicht mehr. Wir haben uns getrennt."

„Man, das hättest du mir auch früher sagen können, Stiles. Vielleicht in einer Nachricht. Dann hätte ich wenigstens gewusst, dass du noch lebst.", erwiderte ich etwas grummelig und setzte mich in den Wagen, was Stiles mir gleichtat.

„Tut mir leid.", erwiderte er und auch wenn ich das Gefühl hatte, dass er immer noch etwas verheimlichte, nickte ich lediglich und versuchte mich darauf zu freuen meine Freunde endlich wieder zu sehen.

FIND YOURSELF ²Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt