Wut

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Ich atmete mit geschlossenen Augen tief durch, bevor ich sie zögerlich wieder öffnete und in den Himmel starrte. Meine Gedanken überschlugen sich beinahe und vermischten sich schon seit Stunden mit Panik. Ich war, direkt als ich zu Hause angekommen war, hierhergelaufen. Es war ein Hügel am Waldrand von Beacon Hills, von dem man relativ gute Sicht auf die Kleinstadt hatte. Ich hatte mich an diesen Ort erinnert, weil ich als Kind öfter mit meiner Mutter hierhergekommen war. Sie war immer hierhin gegangen, wenn sie Ruhe brauchte.

Doch die momentane Situation ließ mir partout keine Ruhe. Mein Herz schien sich seit der Vision von diesem Monster und Parrish, in der Schule, einfach nicht mehr zu beruhigen. Es hämmerte regelrecht gegen meine Brust. Doch ich hatte momentan niemanden, mit dem ich reden konnte. Alle waren in ihre eigenen Probleme verstrickt und Kyle konnte ich diese ganze Sache auf keinen Fall anvertrauen. Er war nun vielleicht Teil des Rudels, aber ich würde ihn so lange es nur möglich war, heraushalten. Er musste sich erst einmal selbst in den Griff bekommen.

Dazu war da auch noch Theo. In all dem Schlamassel war da dieser Junge, der mich einfach nicht in Ruhe ließ und ich würde nur zu gerne wissen wieso. Irgendwie reizte es mich mehr über ihn herauszufinden, auch wenn ich mir sicher war, dass ich nicht wissen wollte, was sich hinter diesen blau-grauen Augen versteckte. Jeder von uns hatte sein Päckchen zu tragen, wenn es zum Übernatürlichen kam, aber kaum einer von uns hatte so wenig Schuldbewusstsein wie er für seine Taten wie er. Es brauchte nicht viel, um zu merken, dass Theo nichts tat, ohne einen Eigenvorteil daraus zu ziehen und er dieser Aufmerksamkeit von uns nicht würdig war. Dennoch zerbrach ich mir hier den Kopf über ihn.

Ich hasste mich dafür, dass ich mit jeder Sekunde nicht mehr nur seine Kehle herausreißen wollte, sondern eine Antwort darauf wollte, wieso er Menschen so viel Leid zufügte.

Plötzlich gab mein Handy einen Ton von sich, doch bevor ich die Nachricht, die ich bekommen hatte, anschauen konnte, hörte ich ein Geräusch hinter mir und stand deswegen sofort auf.

„Wieso wusstest du, wo ich bin?", fragte ich den Jungen vor mir schockiert. Es war Theo.

„Ich war tatsächlich einfach nur etwas spazieren an der Brücke und hab dann deinen Geruch gerochen.", erwiderte er und ich konzentrierte mich währenddessen auf seinen Herzschlag. Er log nicht.

Ich atmete erneut tief durch und setzte mich dann wieder in die Wiese, bevor ich auf die Stadt hinunter starrte. Wortlos setzte er sich neben mich.

„Warum bist du hier?", fragte er dann und zum ersten Mal lag kein frecher Ton in seiner Stimme. Er wollte es ehrlich wissen.

„Ich hatte einen schlechten Tag, Theo.", sagte ich plump, doch der leicht sarkastische Unterton entging ihm nicht, weswegen er kurz leise lachte und dann schluckte.

„Warum bist du jetzt schon zum zweiten Mal bei dieser Brücke gewesen?", fragte ich dann und merkte, wie ich mich entspannte.

„Ich bin in Erinnerungen geschwelgt.", erwiderte er und ich sah ihn fragend an, „An meine Familie."

„Was meinst du damit?", wollte ich dann wissen und merkte dabei, dass nun ich diejenige war, die nach Antworten bohrte.

„Meine Schwester ist vor Jahren in diesem Fluss ertrunken, weil sie sich im Wald verlaufen hatte.", erwiderte er dann und augenblicklich schnellten meine Erinnerungen zu dieser Vision zurück, die ich gestern hatte. Ich war zu genau dieser Brücke gelaufen und hatte ein Mädchen ertrinken sehen. Was Theos Geschichte aber nicht glich, war der Junge, der auf der Brücke stand und ausdruckslos dabei zusah, wie sie ertrank. Es war sicher Theo gewesen.

Wenn ich, was ihn anging, nicht sowieso schon ein ungutes Gefühl im Bauch gehabt hätte, hätte ich es spätestens jetzt gehabt.

Ich musterte ihn stumm von der Seite. Irgendetwas hatte sich an ihm komplett verändert im Vergleich zu seiner Haltung in der Schule. Wenn ich raten müsste, würde ich beinahe verletzlich als Beschreibung für ihn wählen. Er schien wirklich zu trauern, was für mich nur noch mehr Fragen aufwarf.

FIND YOURSELF ²Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt