A.M.

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Ich weiß nicht, wie ich hierhergekommen war, aber es war kalt. So kalt, dass meine Hände schmerzten und sich jeder Atemzug anfühlte, als würde jemand meine Lunge zusammenquetschen.

Ich stand am Anfang einer Brücke und sah einen Jungen an. Er konnte nicht älter als 11 oder 12 gewesen sein. Er starrte hinunter ins Wasser. Ich wagte nur einen kurzen Blick und sah da dieses Mädchen. Sie hatte lange schwarze Haare und zitterte. Sie erfror, das spürte ich. Ich wollte ihr helfen, aber ich konnte nicht. Ich war wie festgewurzelt auf dem schon leicht morschen Holz der Brücke.

Als sie unterging, begann auf einmal dieser Ton. Er war so unglaublich hoch, dass mein Kopf davon schmerzte und dann... erhoben sich drei Gestalten aus dem Wasser. Sie trugen Eiserne Masken. Alles an ihnen schien, als würden sie sich künstlich am Leben halten und...

Sie sahen mich an. Sie starrten mir förmlich in die Seele, ohne dass ich ihre Augen sah. Dann wurde der Ton lauter, während sie immer weiter auf mich zu gingen und dann...

...wachte ich auf.

Ich wusste nicht wie mir geschah und sah mich panisch um. Ich stand auf dieser Brücke. Ich stand mitten im Wald. Ich musste gestern wohl neben Kyle auf seinem Bett eingeschlafen sein, was schon beinahe an ein Wunder grenzte. Mein Bruder wurde vor drei Tagen entlassen und war kaum im Zaum zu halten. Er hatte ständig Wutausbrüche und hielt mich damit die ganze Nacht wach. Kalte Duschen waren unser ständiger Lebensbegleiter geworden und dabei hatte er noch keinen Vollmond erlebt. Ich wusste ehrlicherweise nicht, wie er die Schule überstehen sollte, wenn er nicht bald etwas ruhiger wurde.

Immer noch verwirrt über meinen Traum und die Tatsache, dass ich schlafwandelnd hierhergelaufen war, fuhr ich mir durch die Haare und lehnte mich an das Geländer der Brücke. Sofort fiel mir auf, dass die Brücke um einiges älter aussah, als in meinem Traum.

Weiter Gedanken machen, konnte ich mir aber nicht, da ich auf einmal spürte, wie jemand die Brücke betrat.

„Und wer bist du?", fragte er mich und sofort erkannte ich das Gesicht. Es war der Kerl, der meinen Bruder beinahe getötet hatte. Theo.

„Das ist, denke ich, nicht von Bedeutung.", antwortete ich ihm so ruhig wie möglich und konzentrierte mich darauf, ihn nicht auf der Stelle zu töten. Ich wusste, dass es wohl das Beste war, abzuwarten, was Scott als Nächstes vorhatte, auch wenn ich nicht wirklich gut auf ihn zu sprechen war.

Theo lehnte sich neben mich ans Geländer und grinste schief, was mich nur noch mehr dazu veranlasste, ihm die Augen auskratzen zu wollen.

„Ich bin Theo." – „Lass mich in Frieden."

„Und wieso sollte ich das?", bohrte er weiter und sah mich von der Seite an, während ich weiter auf das Wasser starrte.

Eins musste man ihm lassen, er wusste genau, wie er mit den Leuten sprechen musste, um sie zu manipulieren. Ihm war bewusst, wie er sich verhalten musste, um das zu bekommen, was er wollte.

Die Emotionen kochten in mir hoch und bevor ich es verhindern konnte, begannen meine Augen zu leuchten und ich sah ihn wütend an.

„Ich sag es jetzt noch ein letztes Mal, Theo. Lass mich in Ruhe oder es wird böse für dich enden.", keifte ich ihm entgegen und ließ ihn dann einfach stehen.

☾☾☾

Am nächsten Morgen wurde ich von Kyle geweckt, der offensichtlich gegen seine Wand schlug. Sofort war ich aufgesprungen und in sein Zimmer gerannt, wo er bereits ein Loch in die Wand geschlagen hatte.

„Kyle!", rief ich empört und kurz nach mir kam auch schon Andrew ins Zimmer gestürmt.

Kyles Augen leuchteten. Nicht so grünlich wie meine, aber durchaus auch nicht so gold wie Liams.

„Du musst aufhören!", rief ich ihm zu und versuchte ihn von der Wand wegzuziehen, doch er brüllte mich nur an und schubste mich von sich weg. Ich prallte deswegen mit Rücken gegen Andrew, der uns beide gerade noch so vom Fallen abhielt.

„Kyle!", schrie Andrew schließlich, doch das richtete die Aufmerksamkeit meines Bruders lediglich auf Andrew und bevor ich mich versah, hatte er mich beiseitegeschoben und hatte Andrew über die Backe gekratzt.

Ich atmete erschrocken ein, doch bevor er auch nur weiter machen konnte, brüllte ich los und verwandelte mich. Im Nu hatte ich ihn aus dem Zimmer geschmissen und zog ihn am Kragen in die Dusche, welche ich sofort einschaltete. Anfangs wehrte er sich noch, doch dann wurde er merklich ruhiger und verwandelte sich schließlich wieder zurück.

„Hast du komplett den Verstand verloren!", brüllte ich ihm ins Gesicht und drückte ihn erneut gegen die Fliesen der Duschwand, weswegen ein Knacken zu hören war. Die Fliese hinter seinem Kopf war zerbrochen.

Schmerzerfüllt zischte er und hielt sich den Kopf, bevor er murmelte: „Ich wollte das nicht."

Ich grummelte, bevor ich ihn gehen ließ und schnell zu Andrew hechtete, der immer noch schockiert an die Stelle sah, wo Kyle gerade stand, während er sich die blutende Wange hielt.

„Alles in Ordnung?", fragte ich vorsichtig und er schien so aus seinem Trance-Zustand heraus zu kommen. Er nickte, obwohl ich merkte, was los war.

„Andrew-..." – „Ich kann euch nicht helfen."

Damit ging er aus dem Zimmer und geradewegs nach unten ins Badezimmer.

Ich überlegte für einige Sekunden, was ich jetzt tun konnte und entschied mich schließlich dazu Kyle zu helfen.

Wir fanden uns also eine Stunde später auf dem Parkplatz der Schule wieder und als ich den Motor ausschaltete, atmete ich tief durch.

„Tu mir den Gefallen und versuch wenigstens dich zu beruhigen.", redete ich auf ihn ein und er seufzte.

„Wenn ich könnte, würde ich es tun, Alicia. Es macht mich einfach fast alles wahnsinnig.", erwiderte er, bevor wir beide ausstiegen und unsere Taschen aus dem Kofferraum holten.

„Wir müssen uns irgendwas überlegen, wie du dich beruhigen kannst. Ich ertrag diese Woche nicht noch eine kalte Dusche.", meinte ich schließlich, bevor wir nach innen gingen und ich direkt von Malia abgefangen wurde. Es war das erste Mal, seit ich wieder in Beacon Hills war, dass wir uns wirklich sahen.

„Kann ich dich kurz entführen, Alicia?", fragte sie vorsichtig, weswegen ich Kyle deutete, wo das Sekretariat war, bevor ich meiner Schwester folgte.

„Was hast du vor?", wollte ich verwirrt wissen, als sie ein Regal in der Bibliothek ansteuerte.

„Das wirst du sofort sehen.", erwiderte sie und bevor ich protestieren konnte, räumte sie die Bücher aus einem Regal heraus, die eins nach dem anderen zu Boden gingen. Zum Vorschein kamen Buchstaben. Es waren Initialen verschiedenster Leute.

„An der Beacon Hills High ist es so eine Tradition, dass alle Seniors Anfang des Jahres ihre Initialen im Regal verewigen und weil du nicht da warst, dachte ich mir, du könntest es heute nachholen.", erklärte sie mir und reichte mir dann leicht lächelnd einen Stift.

Ich sah mir die Buchstaben an, die bereits auf dem Regal waren.

L.M. ... Lydia Martin
S.S. ... Stiles Stilinski
S.M. ... Scott McCall
A.A. ... Allison Argent

Ich lächelte sanft, als ich erkannte, dass Scott sogar an sie gedacht hatte.

M.T. ... Malia Tate

Sie hatte den Nachnamen ihrer Adoptivfamilie benutzt und brachte mich so zum Nachdenken. Wer war ich? War ich eine Hale? Eine McClark? Oder doch eher eine Arcane, wie meine Mutter hieß, bevor sie Andrew geheiratet hatte. Peter Hale war vielleicht mein leiblicher Vater, aber er hatte mich nicht einmal im Geringsten geprägt in meinem Leben. Andrew hatte sich mein Leben lang um mich gekümmert und mich behandelt wie sein eigenes Fleisch und Blut und das obwohl er die Wahrheit kannte. Er hatte mich nie im Stich gelassen und selbst jetzt... In einer für ihn komplett neuen Situation tat er sein Bestes. Ich entschied mich also für das einzig richtige in dieser Situation.

A.M. ... Alicia McClark

FIND YOURSELF ²Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt