Der kommende Morgen läuft ab, wie die letzten hier auf Teneriffa auch. Gemeinsam mit Niall stehe ich auf, um anschließend mit ihm zu frühstücken.
Harry scheint an dem heutigen Tag keine Frühschicht zu haben, da ich ihn nirgends entdecken kann. Das ist vermutlich auch besser so, denn die Stimmung zwischen mir und Niall ist angespannt.
Es wirkt fast so, als hätten wir gestern Abend einen riesigen Streit gehabt, obwohl dies ja so nicht der Fall war. Doch nachdem Niall mir offenbart hat, dass er Harry im Augen behalten will und keine Widerrede zuließ, sind wir schlussendlich schweigend eingeschlafen.
Diese Stille zwischen uns änderte sich auch heute Morgen nicht. Bis auf einen Guten-Morgen-Gruß haben wir nicht viel miteinander gesprochen.
Ich brauche Niall nicht fragen, was mit ihm los ist. Auch so ist mir klar, dass er sich Gedanken über gestern Abend macht. Wie naiv von mir zu glauben, dass er meine Lügen einfach glauben würde. Ganz sicher wollte er genauso wenig Streit wie ich und hat aus diesem Grund den Weg des geringsten Widerstandes gewählt.
Nun sitzen wir uns schweigend gegenüber. Während ich einfach nur Löcher in die Luft starre, nippt Niall immer wieder an seinem Kaffee. Als er sich räuspert, wende ich meinen Blick in seine Richtung. Zu meiner Verwunderung bemerke ich, dass auf seinem Teller fast noch sein ganzes Frühstück liegt. Normerweise isst Niall immer auf, außer es beschäftigt ihn etwas. Meistens hat dies mit der Arbeit zu tun, nur heute sagt mir meine Intuition, dass er sich vermutlich Gedanken um uns macht.
Allerdings bin ich viel zu feige, um ihn zu fragen, was ihm denn auf dem Herzen liegt. Ich will dieses Thema jetzt nicht erneut aufrollen, es würde am Ende wohl auch zu nichts führen außer Streit.
Niall unterbricht dennoch die Stille zwischen uns, indem er mir erklärt, dass er heute Nachmittag frei hat und er sich gerne mit mir etwas die Insel ansehen möchte.
Ehrlich begeistert stimme ich seinem Vorschlag zu, auch weil ich hoffe, dass ein wenig Zweisamkeit abseits von diesem Hotel uns helfen kann, wieder zu dem zu werden, was wir sind. Obwohl ich mich seit gestern Abend noch immer die Frage beschäftigt, was das zwischen mir und Niall denn genau ist.
Bevor er sich auf den Weg macht, erkundigt Niall sich, was ich denn diesen Vormittag vorhabe. Wahrheitsgetreu antworte ich, dass ich nichts weiter geplant habe. Doch diese Antwort scheint ihn nicht zufriedenzustellen. Stattdessen huscht eine gewisse Skepsis über seine Gesichtszüge, als er nachhakt, ob ich vorhabe im Hotel zu bleiben.
„Ich denke schon", antworte ich vorsichtig.
Niall erhebt sich von seinem Platz und schiebt den Stuhl zurück unter den Tisch, dabei erklärt er scheinbar völlig beiläufig, dass es vermutlich besser wäre, wenn ich heute hierbleibe, da es ja nicht wie gestern Abend laufen soll, als wir uns verpasst haben.
Seine Andeutung und die Art, wie er mich versucht zu manipulieren, stoßen mir mehr als bitter auf. Dennoch nicke ich einfach stumm und sage, dass ich hierbleiben werde.
„Gut", antwortet Niall mit einem Lächeln, das seine Augen nicht erreicht.
Kurz gibt er mir noch einen Kuss auf die Stirn, um anschließend wortlos zu verschwinden. Wohin ich hingegen noch einen Augenblick sitzen bleibe und mir durch den Kopf gehen lasse, was hier gerade passiert ist.
Gestern Abend war ich wohl nicht die Einzige, die den jeweils anderen angelogen hat. Nialls heutiges Verhalten zeigt deutlich, dass er mir nicht vertraut. Ich brauche nicht lange darüber zu grübeln, warum er unbedingt möchte, dass ich mich am Vormittag im Hotel aufhalte. Er will mich wohl einfach in seiner Nähe, besser unter seiner Kontrolle, wissen. Diese Tatsache ärgert mich maßlos. Erinnert es mich doch viel zu sehr daran, wie meine Eltern mit mir umgehen.
DU LIEST GERADE
Opposing Worlds || Band I
FanfictionViktoria lebt in einer Welt, die es ihr nicht erlaubt sich zu entfalten. Ihr ganzes Leben lang ist sie den hohen Erwartungen ihrer Eltern ausgesetzt, welchen sie auch nicht entkommen kann, obwohl sie bereits in einer scheinbar glücklichen Partnersch...