Vierzig

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Nachdem Nialls Eltern zu uns gestoßen sind, rast der letzte Tag vor der großen Verlobung nur so an mir vorbei. Niall macht seine Drohung wahr und lässt mich kaum eine Sekunde aus den Augen. Immer ist er in meiner Nähe. Berührt mich, legt scheinbar liebevoll seinen Arm um mich oder gibt mir beiläufig einen Kuss. All diese kleinen Gesten, die nach außen sicherlich verliebt und glücklich wirken. Ich weiß jedoch, dass es alles eine Show ist, damit niemand hinter die Fassade schauen kann und obwohl es einen winzigen Teil in mir, der, der noch Gefühle zulässt, anwidert, beuge ich mich dieser Scharade und setze das jahrelang erprobte falsche Lächeln auf.

Lediglich als ich mit meiner Mutter und Maura unseren Maniküre Termin wahrnehme, lässt Niall mich aus seiner Obhut. Wohlwissend, dass meine Mutter den Posten des Wachhundes übernimmt, auch ohne zu wissen, was genau Sache ist. Allerdings würde sie das auch recht wenig interessieren, solange es am Ende nur zu der ihrerseits lang ersehnten, ewigen Verbindung zwischen mir und Niall kommt.

Aufgeregt plaudern die beiden Mütter miteinander, während ihnen die Fingernägel gefeilt werden. Nicht etwa über die bevorstehende Verlobung, nein, es geht mittlerweile um die anschließende Hochzeit. Auch Maura und Bobby haben schnell mitbekommen, dass ich bereits von dem geplanten Antrag weiß und so sind die beiden rasant dazu übergegangen Nialls und meine Vermählung zu planen.

Maura, Nialls Mum, scheint sich ehrlich über die bevorstehende Trauung ihres Sohnes zu freuen. Immer wieder strahlt sie mich begeistert an und fragt mich, was ich denn für Vorstellungen und Wünsche habe bezüglich der Eheschließung. Wo hingegen meine Mutter einfach nur den nächste große High Society Event zu planen scheint, bei welchem sie zeigen kann, wie weit es doch ihre älteste Tochter gebracht hat, indem sie den Spross einer reichen Hotelfamilie zu ihrem Mann nimmt.

Zurück in Berlin sollen auch die Zeitungen über diesen Event informiert werden. Man müsse dem ganzen schließlich den nötigen Glanz und Glamour verleihen. Von meiner Mutter kommen, wie ich es gewohnt bin, keine Fragen dazu, was ich mir den wünschen würde. Allerdings ist es mir in Wahrheit auch gleich, was alle um mich herum planen.

Ich funktioniere einfach nur noch, verbiete mir jegliche Gefühle, Zweifel oder Gedanken daran, wie ich aus diesem goldenen Käfig ausbrechen könnte. Denn am Ende, wenn ich wirklich einen Ausbruch wagen, ja sogar schaffen würde, wo sollte ich dann mit mir hin? Ich wäre mittellos. Mein Geld ist langfristig angelegt und somit komme ich an dieses nicht so einfach ran und das, was ich monatlich verdiene, würde sofort versiegen, da meine Eltern mit hoher Wahrscheinlichkeit genauso mit mir verfahren würden, wie sie es mit meinem Bruder getan haben. Schneller als ich kucken könnte, würde ich vermutlich auf der Straße sitzen und wüsste nicht wo ich hinsollte.

Niall ist dann selbstverständlich keine Option mehr und sonst habe ich niemanden in meinem Leben. Kurz flattern meine Gedanken zu Harry. Doch auch diesen Gedanken vergesse ich schnell wieder.

Dass der junge Mann mehr als enttäuscht von mir ist und ich ihn verletzt habe, hat sein plötzlicher Abgang nach Nialls

Offenbarung, dass ich kurz zuvor auch mit ihm geschlafen habe bewiesen. Ich habe Harry mit meinem Verhalten getroffen und sicherlich will auch er nichts mehr von mir wissen. Vielleicht hat er sogar schon Trost bei Valeria gesucht und vermutlich auch gefunden. Die beiden bilden ohnehin das viel bessere Paar, als wir es je sein könnten. Unbeschwert, unabhängig und sorglos - Eigenschaften die man wohl nie mit mir in Verbindung bringen wird.

Louis habe ich am gestrigen Tag hinter der Bar gesehen. Habe den Blick seiner Augen, die sich in meinen Nacken brannten, gespürt und im selben Moment ignoriert. Ich will ihn nicht auch noch in Schwierigkeiten bringen, denn genauso, wie er mich aufmerksam gemustert hat, beäugte mich im gleichen Augenblick auch Niall. Er ist wachsamer denn je und wie kann ich ihm das verdenken. Louis soll nicht auch noch seinen Job verlieren. So also mied ich jeglichen Blickkontakt mit dem jungen Kellner, bis ich endlich mit Niall als meinen ständigen Schatten hoch auf unser Zimmer verschwunden bin.

Opposing Worlds || Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt