Dreiunddreißig

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Zu meiner Erleichterung hat Niall sein angekündigtes Vorhaben, er wolle mir zeigen, wie sehr er mich begehrt, nicht in die Tat umgesetzt. Soviel körperliche Nähe mit ihm hätte mir den Rest gegeben.

Stattdessen ist er irgendwann neben mir eingeschlafen, während ich die ganze Nacht wach liege und an die schwarze Zimmerdecke über mir starre.

Der Mann, welcher nun neben mir friedlich schläft und dabei leise schnarcht, hat sich verändert. Ist zu solch einem Menschen geworden, von dem ich nie geglaubt habe, dass dieses Potenzial in ihm schlummert. Niall hat immer eine Konstante in meinem Leben dargestellt, die mir gezeigt hat, dass es nicht allen Personen in meinem Umfeld nur um Erfolg, Macht und Geld geht.

Warum nur hält er an etwas fest, dass doch offensichtlich kein Sinn macht. Unsere Beziehung, wenn wir denn jemals eine hatten, ist am Ende und dennoch will Niall mich heiraten. Eigentlich lässt er mir keine andere Wahl als „Ja" zu sagen und ich kann nicht anders als ihn dafür zu verachten, dass er die schlimmsten Geschütze überhaupt in Form meiner Eltern auffährt. Er weiß genau, dass ich mich gegen sie nicht wehren kann. Schon gar nicht, wenn ich keinen Rückhalt habe.

Ich bin schwach und verdammt, ich weiß das auch. Ich möchte mich von alldem lossagen, aber irgendetwas hält mich zurück. Es ist mir nicht möglich einfach zu sagen, ich gehe. In einer Nacht und Nebelaktion zu verschwinden und mich nie wieder umzudrehen. Das würde am Ende bedeuten, dass ich alles verlieren würde, was mich ausmacht. Meinen Job, meine Familie, mein gewohntes Umfeld und auch Niall. Es liegt mir, obwohl es mir eigentlich nicht gut tut, etwas an diesen Menschen und Dingen.

Nach achtundzwanzig Jahren kann man doch nicht erwarten, dass man einfach einen Break macht und bei null anfängt. Ich kann es zumindest nicht, dafür bin ich nicht der Typ. Niemand wird das wohl verstehen können und ich kann es nicht einmal erklären. Ich weiß nur, dass es leider so ist.

Als ich bemerke, dass es draußen bereits hell wird und Nialls Atmung weniger tief ist, er somit vermutlich bald wach wird, schließe ich die Augen und tue zumindest so, als würde ich schlafen. Zu groß ist die Angst, dass er sonst doch wieder zurück auf sein Vorhaben kommt, oder er anderweitig die Nähe zu mir sucht.

Irgendwann dann klingelt Nialls Wecker. Ich lasse weiterhin die Augen geschlossen, auch als ich bemerke, wie er sich zu mir dreht und ich spüren kann, dass er mich mustert. Früher hätte er mich mit einem Kuss geweckt, jetzt lässt er auch das zum Glück bleiben. Stattdessen steht er auf und teilt mir mit, vielleicht weil er ahnt, dass ich wach bin, dass wir in einer Stunde beim Frühstück sein müssen.

Die Badezimmertür schließt sich geräuschvoll und ich öffne die Augen. Mein Kopf dröhnt und mein Magen ist flau. Ich glaube kaum, dass ich essen kann. Womöglich auch besser, jetzt wo meine Mutter da ist und mich ohnehin bei jedem Bissen genau beobachten wird.

Als ich hören kann, dass die Dusche abgestellt wird, stehe ich auf und suche mir ein paar Sachen zusammen, um diese gleich nach dem Duschen noch direkt im Badezimmer, ohne dass Niall mir dabei zusehen kann, anziehen zu können.

Dieser hingegen kommt nur mit einem Handtuch um den Hüften gewickelt aus dem Badezimmer. Schnell stehe ich auf und möchte ebenfalls den Waschraum aufsuchen. Aber Niall hält mich auf, indem er mich an meinem Arm zurückhält und fragt, ob ich ihm nicht einen „Guten Morgen" wünschen möchte.

Da ich nicht widersprechen will, murmle ich ein Guten-Morgen-Gruß und hoffe, dass dieser ausreicht. Aber Niall schüttelt nur mit einem falschen Lächeln auf den Lippen den Kopf und deutet auf seine Wange. Ich werde stocksteif und als Niall sich auffordernd räuspert gebe ich ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, welchen er mit einem simplen „Geht doch" kommentiert. Er ist frisch rasiert und durftet nach dem After Shave, welches ich ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt habe.

Opposing Worlds || Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt