Meine hohen Pumps, die bereits den ganze Tag unangenehm drücken, hallen auf dem Betonboden wider. Verschluckt wird das Geräusch für Außenstehende allerdings durch den Lärm der pulsierenden Metropole um mich herum.
Gestresst wische ich mir eine lose Strähne meiner rötlichen Haare hinter die Ohren. Bevor ich mich mit dem nächsten Kunden treffe, muss ich unbedingt meine Frisur in Ordnung bringen, überlege ich während ich die Stufen zur U-Bahn runtereile.
Immer wenn es mir möglich ist, nehme ich die öffentlichen Verkehrsmittel. Mein Vater belächelt mich ständig dafür. Er ist der Meinung, dass es sich für eine Frau meines Standes nicht gehört mit der Bahn zu fahren. Dennoch weigere ich mich, mir ein Taxi zu nehmen oder mich täglich mit dem Auto durch die vollen Straßen von Berlin zu drängeln. In den meisten Fällen bin ich mit dem Nahverkehr ohnehin viel schneller an meinem Ziel, als ich es mit dem Auto wäre. Ausserdem mag ich es einfach mal normal zu sein und dabei keine Sonderbehandlung zu erhalten. Und wenn es nur zwanzig Minuten täglich sind. Ich brauche diese Normalität, als Konstante in meinem Alltag.
Mein ganzes Leben schon muss ich mit der Bürde zurechtkommen, dass meine Familie Erfolg hat. Und wenn ich von Erfolg spreche, meine ich nicht, dass wir etwas Glück hatten. Nein, meine Familie ist wirklich stinkreich. Der Vater meines Ur-Opas hatte vor langer Zeit ein Unternehmen gegründet, das sich mit Elektrotechnik beschäftigt. Heute ist diese Firma eines der führenden Unternehmen weltweit auf dem Gebiet.
Ich spreche nicht ohne Grund von einer Bürde. Mit dem Wissen aufzuwachsen, dass man irgendwann solch ein Unternehmen dieser Größenordnung übernehmen und leiten soll, ist eine Last. Ich hatte nie die Möglichkeit mir zu überlegen, was ich einmal werden möchte. Ob ich Medizin studieren will oder einfach nur eine Ausbildung zur Floristin machen möchte, stand nicht zur Debatte. Als erstes Kind, war es für mich vorherbestimmt, dass ich die Geschäfte übernehmen würde. Schon in der Vorschule habe ich Englisch gelernt, hatte Geigenunterricht und wusste bereits, dass eine Serviette beim Dinner nur dazu dient den Mund abzutupfen und nicht abzuwischen. Widerworte, oder selbstständiges Handeln sind in meiner Familie verpönt. Ich habe mich meinem Weg, meinem Erbe, und den damit einhergehenden Pflichten zu fügen.
Auch Privat bewege ich mich immer in den gehobeneren Kreisen, welche meine Eltern für lukrativ erachteten. Vom Kindergarten an, bis heute zur Mitgliedschaft im Segelclub wurde darauf geachtet, dass ich mich mit den richtigen Leuten umgebe.
Ich hatte nie die Gelegenheit falsche Freunde zu haben, oder Fehler zu machen und aus diesen zu lernen. Wichtige Entscheidungen, die mich betreffen, wurden mir einfach abgenommen und ich habe in mittlerweile neunundzwanzig Jahren alles mit einem höflichen Lächeln hingenommen. Wie schon erwähnt - Wiederworte sind nicht erwünscht.
Stattdessen habe ich dankbar dafür zu sein, dass ich mir niemals Gedanken darum machen muss, wie ich meine Miete bezahlen soll. Oder ich etwa in einer Boutique auf das Preisschild für ein Kleid, welches mir gefällt, achten muss.
Dennoch, neben all diesem Reichtum fehlt mir etwas. Ich habe, obwohl es natürlich nicht der Fall ist, das Gefühl eingesperrt zu sein. In meiner Position als Juniorchefin muss ich tagtäglich Entscheidungen treffen, die maßgeblich für das Leben unzähliger Mitarbeiter sind und diesen Job mache ich gut. Also, warum habe ich dann immer den Eindruck, dass man es mir nicht zutraut Entscheidungen zu treffen, die mein eigenes Leben entscheidend beeinflussen?
Während ich mich bereits auf dem Weg nach Hause befinde, starre ich aus dem Fenster der S-Bahn und sehe die herrlich grünen Bäume des Grunewalds an mir vorbeiziehen. Es ist ein heißer Julitag und durch die offenen Wagonfenster weht mir eine angenehme Brise entgegen. Die Folterinstrumente an meinen Füßen habe ich gleich zum Feierabend, gegen bequeme Ballerina getauscht. Meine Mutter würde nur missbilligend mit der Zunge schnalzen, wenn sie dies wüsste. Doch zum Glück, kann ich mir sicher sein, dass sie mir niemals in der S-Bahn über den Weg laufen wird.
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Opposing Worlds || Band I
FanficViktoria lebt in einer Welt, die es ihr nicht erlaubt sich zu entfalten. Ihr ganzes Leben lang ist sie den hohen Erwartungen ihrer Eltern ausgesetzt, welchen sie auch nicht entkommen kann, obwohl sie bereits in einer scheinbar glücklichen Partnersch...