„Also ihr seid bestimmt hier, weil ihr etwas essen wollt, oder?", erkundigt sich Valeria, nachdem das Begrüßungsritual abgeschlossen ist.
„Genau so sieht es aus", bestätigt Harry ihre Vermutung und lächelt seine Freundin an.
„Dann folgt mir, bei uns gibt es immer was."
Schwungvoll geht sie voran und Harry folgt ihr direkt. Mit etwas Abstand gehe ich den Beiden hinterher. Irgendwie fühle ich mich im Augenblick absolut fehl am Platz.
Warum bringt mich Harry ausgerechnet hier hin? Was genau ist Val für Harry? Seine Ex-Freundin vielleicht? Obwohl, müssten sie dann nicht mehr auf Abstand gehen? Ihre Umarmung wirkte jedoch sehr herzlich, sodass man im ersten Moment hätte vermuten können, es handle sich bei der jungen Latina um seine Schwester. Aber ihr Akzent, der in ihrem Englisch mitschwingt, lässt keine Zweifel daran, dass ihre Muttersprache Spanisch sein muss.
Unweigerlich erwische ich mich dabei, wie ich Valerias Erscheinung genauer unter die Lupe nehme. Sie hat Kurven, solche, auf die wohl alle Männer stehen. Ihre Rückenansicht, in der hautengen Jeans lässt keine Zweifel daran, wie perfekt geformt ihr Po ist. Zu der tollen Figur gesellen sich glänzende, dunkle Haare und eine olivfarbene Haut. Sicherlich hat sie genug Verehrer und Harry scheint einer von diesen zu sein.
Ihr vielsagendes Grinsen, als sie sich erkundigt hat, ob sie nur eine gute Freundin sei, lässt eine Menge Interpretationsraum zu. Allerdings lässt mich Harrys Reaktion darauf vermuten, dass die beiden zumindest eine Affäre gehabt haben müssen.
„Vicky kommst du?", mischt sich plötzlich Harrys Stimme in meine Gedanken ein.
Ich muss mich kurz orientieren, wo ich mich eigentlich befinde, so sehr versunken bin ich in meinen Spekulationen gewesen. Im Grunde kann es mir doch egal sein, in welchem Verhältnis die beiden zueinander stehen, aber zu meinem Leidwesen ist das nicht der Fall.
Als ich zu Harry aufgeschlossen habe und er mir den Vortritt lässt, um die kleine Lokalität zu betreten, spüre ich wie er seine Hand unterhalb meiner Schulten ruhen lässt und mich auf diese Weise sanft in die richtige Richtung lenkt. Seine Finger sind warm und die Hitze breitet sich durch den dünnen Stoff meines Kleides schnell über meinen ganzen Rücken aus.
Val ist aus unserem Sichtfeld verschwunden. Gemeinsam mit Harry betrete ich durch das doch recht dunkle Innenleben des Bistros den wunderschönen Innenhof. Der Himmel ist fast vollständig unter dem dichten Blattwerk der Weinreben verschwunden. Kleine, bunte Lichter sind dazwischen verwoben und schaffen so eine gemütliche, fast heimelige Atmosphäre.
Harry bemerkt meinen Blick und erkundigt sich, ob es mir gefällt. Ich nicke begeistert und wir suchen uns einen Tisch, welcher direkt an der hohen, alten Backsteinmauer steht und somit diesen Innenhof von dem des Nachbarn trennt.
Zu meiner Überraschung, und obwohl die Zeit bereits fortgeschritten ist, sind wir nicht alleine. Einheimische sitzen in teilweise größeren Gruppen gemeinsam am Tisch und genießen ihre Tapas und den Wein aus Karaffen. Die Stimmung ist ausgelassen und die Anwesenden unterhalten sich rege, scheinen so ihren Feierabend sichtlich zu genießen.
„Hast du Lust auf ein Glas Wein? Vals Familie macht den noch selbst", erklärt mir Harry, während er mir eine der bereitliegenden Karten reicht.
Bei dem Spitznamen der jungen Frau aus seinem Mund muss ich kurz schlucken, hoffe aber, dass Harry meine Reaktion nicht bemerkt. Ich könnte mich selbst dafür Ohrfeigen, dass es mich so sehr beschäftigt was sie ihm bedeuten könnte. Schnell schüttle ich den Kopf und erkläre, dass ich eigentlich nicht so gerne Alkohol trinke und nur wenig vertrage.
„Wollen wir uns ein Glas Rotwein teilen?", fragt Harry dennoch.
„Bitte, du musst den wenigstens mal probiert haben. Wenn man nicht ein Glas Wein hier getrunken hat, dann hat man in seinem Urlaub wirklich was verpasst", versucht er mich zu überzeugen und ich stimme schließlich nickend zu. Ein Glas Wein, das wir uns gemeinsam teilen wird sicherlich keine katastrophalen Folgen haben.
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Opposing Worlds || Band I
أدب الهواةViktoria lebt in einer Welt, die es ihr nicht erlaubt sich zu entfalten. Ihr ganzes Leben lang ist sie den hohen Erwartungen ihrer Eltern ausgesetzt, welchen sie auch nicht entkommen kann, obwohl sie bereits in einer scheinbar glücklichen Partnersch...