11 Jahre danach - 21. Oktober 2016

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Thalia lag auf der Pritsche in ihrer Zelle und starrte an die Decke. Sie hatte das Gefühl, dass keiner mehr genau wusste, wie er mit ihr umgehen sollte. Früher hatten die Wachen sie angeschrienen, aber nun trauten sie sich das nicht mehr so richtig. Sie bemerkte die seltsamen Blicke, die manche Wachen ihr zu warfen und hörte wie sie verstohlen flüsterten. Wahrscheinlich hatte man den Wachen verboten, darüber zu reden, wer Thalia wirklich war, doch darin hielten sie sich ohnehin nicht. Tja das was nicht Thalias Problem.

Sie dachte an Thomas und Amy, zwei der besten und wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Sie war schon immer eher vorsichtig im Umgang mit anderen gewesen. Mit der Zeit hatte sie sich angewöhnt Menschen erstmal zu misstrauen und eigentlich hatte sie auch nie schlechte Erfahrungen damit gemacht. Sie hatte dadurch zwar nicht so viele Menschen, denen sie vertraute und die sie liebte, aber sie wusste das auf jeden dieser Wenigen zu hundert Prozent Verlass war. Und Amy und Thomas, waren für sie einfach ihre Familie- eine Familie in die sie nicht hineingeboren worden war, sondern die sie sich selbst ausgesucht hatte. Würde sie die beiden jemals wiedersehen? Oder Alaric, Max oder Alex?

Sie zuckte zusammen, als die Tür geöffnet wurde. Sie setzte sich auf, blickte zur Tür und sah einen blonden, großen Mann. Sie erstarrte. Damit ihn hier zu sehen hatte sie nicht gerechnet. Sie hätte nie daran gedacht, wie es wäre, wenn sie ihn in ihrem Leben noch einmal sehen würde. Das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, war sie noch Jarina gewesen.

Der Mann schien auch nicht so recht zu wissen, was er tun sollte. Unsicher stand er da und sah sie an. Schließlich ergriff er zögert das Wort: „Du bist es wirklich, Jarina."
„Thalia bitte. Den Namen Jarina habe ich schon vor langer Zeit abgelegt. Das bin ich nicht mehr.", antwortete sie und blickte den Mann an. Obwohl er das letzte Mal, als sie sich gesehen hatten erst sechzehn gewesen war, hatte er sich nicht groß verändert. Er war groß (bestimmt war er seit ihrer letzten Begegnung noch gewachsen), hellblond, hatte kalte goldene Augen und war sehr muskulös. Er trug die graue, mit Orden geschmückte Uniform eines Soldaten der Sigriosi.
Er ignorierte ihren Einwand. „Ich dachte du wärst tot!"
„Hat dein Vater dir das gesagt?", fragte sie.
„Vergiss nicht er ist und bleibt auch dein Vater, Jarina. Auch wenn dir das nicht in den Kram passt. Und nein. Er hat nichts dergleichen gesagt. Du giltst hier nur, als tot und irgendwann habe ich akzeptiert, dass meine kleine Schwester tot ist."
„Tja das ist schön für dich Daeron Artos Sora. Denn Jarina Sora ist tot. Thalia Night hingegen, die lebt und sitzt hier vor dir.
Daeron schnaubte genervt: „Du warst schon immer unglaublich nervig und dickköpfig, Schwesterlein. Daran hat sich wie es aussieht nichts geändert."
Thalia zuckte nur die Achseln. Früher hatten sie und ihr Bruder oft über unbedeutende Kleinigkeiten stundenlang diskutiert.
Sie zog eine Augenbraue hoch und sah ihn an. „War es das jetzt? Was wolltest du überhaupt hier? Hast du nichts Besseres zu tun? Baby Kätzchen töten oder Waisenhäuser niederbrennen zum Beispiel?"

Sie sah, dass Daeron wirklich wütend wurde und sich selbst davon abhalten musste ihr in die Fresse zu schlagen.
„Erstens ich wollte sehen, ob es stimmt, was sie sagen. Ob du wirklich meine Schwester bist. Und zweitens ich wüsste nicht warum ich Waisenhäuser niederbrennen oder Babykätzchen niederbrennen sollte.", erwiderte er.
„Ist es nicht das was Freunde der Sigriosi Regierung normalerweise tun? Unschuldige Menschen foltern? Waisenhäuser ausrauben und niederbrennen?"
Daeron blickte sie zornig an.
„Eine Sekunde lang dachte ich wirklich das hier würde ein glückliches Wiedersehen mit meiner kleinen Schwester werden, aber scheinbar war die Gehirnwäsche, die du bekommen hast damit du gegen uns arbeitest, echt wirkungsvoll. Also Lebewohl Jarina."

Er drehte sich um, ging zur Tür.

„Daeron!", rief Thalia und er drehte sich nochmal zu ihr um. „Es gab keine Gehirnwäsche. Alles was ich getan habe, habe ich freiwillig getan!"

Kurz erstarrte er und blickte sie fassungslos an, bis er sich schließlich abwandte und die Zelle verließ. Thalia ließ sich auf ihre Pritsche fallen und stützte den Kopf in die Hände. Es sollte sie nicht wundern, wenn sie mit ihrem Verhalten jegliche Chancen lebend hier raus zu kommen verwirkt hatte. Doch sie hatte sich entschieden. Niemals mehr würde sie mit den Sigriosi zusammenarbeiten. Das war endgültig vorbei. Sie hatte ihre Seite gewählt und wenn ihr Tod der Preis wäre, den sie dafür bezahlen müsste, dann würde sie das auch tun!

Ein Leben zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt