Kapitel 9

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❝We're all going to die, all of us, what a circus! That alone should make us love each other but it doesn't. We are terrorized and flattened by trivialities, we are eaten up by nothing.❞

»Wir waren Götter. Das ist lange her«, wandte Adria ein. »Das große Götterpaar. Verehrt und geliebt auf der ganzen Welt. Doch dann vergaß man uns langsam und wir landeten in der Hölle«, kam es frustriert von Dacio. Er klang nicht erfreut darüber.

Sie landeten in der Hölle, weil man sie langsam vergaß? Ob das allen Göttern widerfahren ist? Überhaupt darüber nachzudenken, ist schon krank genug. Götter. Ich war nicht einmal gläubig und jetzt so etwas. Es fiel mir schwer, das zu glauben. 

Ich musterte Dacio erneut und plötzlich wurde es mir klar. Das hier hatte im Grunde nichts mit Dämonen zutun. Sie waren nur ein Werkzeug. Es war er. »Ihr steckt hinter all dem. Ihr wollt die Welt beherrschen. Wissen die Dämonen das?«, wollte ich wissen. Gern hätte ich Sasha diese Frage gestellt, doch er war nicht hier. Hoffentlich passte er auf Sydney auf.

Dacio lachte, als hätte ich einen Witz gerissen. »Natürlich wissen sie es. Und sie verehren uns. Ich bin der allseits bekannte Luzifer«, erklärte er, als wäre das offensichtlich. Er war Luzifer? Dacio war Hunters Boss? Und der, den Sasha nicht mochte? 

Es war seltsam, plötzlich ein Gesicht zu haben. Immer dachte ich, Luzifer sei alt und hässlich. Nie hätte ich damit gerechnet, dass er Luzifer sein könnte. Man hörte immer, er sei nicht so grausam. Doch wenn man Dacio kannte, dann wusste jeder, dass das eine Lüge war. 

»Sie verehren dich nicht, Dacio«, entgegnete Adria. »Würden sie das, dann hättest du sie nicht manipulieren müssen, um dir zu helfen.« Sie sagte diese Worte mit Hass. Das war deutlich zu hören. 

»Du...du hast uns angelogen«, sagte ich geschockt und sah zu Adria. Sie hätte es uns erzählen können. Gelegenheit dazu hatte sie genug. Aber das tat sie nicht. Sie hielt ihre Lüge aufrecht. Doch sie stritt das ab und meinte, seit dem Fluch habe sie nichts mehr mit ihm zutun. 

»Ich wollte mich anpassen, er jedoch hat nie vergeben«, sagte sie kopfschüttelnd, als könnte sie ihn nicht verstehen. »Wieso sollte ich den Menschen ihre Schandtaten vergeben?«, wollte Dacio wissen und trat näher an Adria heran. Schnell griff ich nach Justins Hand.

»Weil wir es nicht anders verdient haben«, entgegnete Adria. »Es gab Gründe, weshalb die Menschen begannen, über uns zu schweigen.« Am liebsten würde ich die Gründe erfahren, doch ich bezweifelte, dass Adria uns davon erzählen würde. 

Mit den Worten ging Dacio nickend wieder zurück. »Du entscheidest dich also für die Menschen und gegen mich.« Das war keine Frage. Es war eine Feststellung. Und ihm gefiel das überhaupt nicht. Als Adria dann noch sagte, dass sie das schon eher hätte machen sollen, war er wütend. 

»Dann solltet ihr wissen, dass ich bis jetzt freundlich war. Ich habe euch verschonen lassen. Doch diese Entscheidung bedeutet Krieg.« Mit diesen Worten verschwanden er und all die Dämonen. Er griff nicht an. Noch nicht. Vielleicht wollte er uns Zeit geben. Oder aber er musste sich erst vorbereiten. 

So oder so gefiel mir die Drohung nicht. Er habe uns verschont. Jetzt wo ich darüber nachdachte, hatte man uns tatsächlich nicht wirklich etwas getan. Außer der Teil, bei dem sie Sydney verletzen wollten und Jorge verletzt haben, war uns nichts geschehen. Er hatte es uns einfach gemacht. 

Wir gingen wieder hinein. Die anderen mussten schließlich gewarnt werden. Mary zum Beispiel. Und Sasha. Beide waren nicht draußen gewesen. Genauso wenig wie Chloe. Eigentlich wollte ich mitkommen, wenn Justin es ihnen erzählt. Doch stattdessen nahm ich mir Adria zur Seite. 

Ich wünschte ich wäre sauer. Wirklich. Das würde es leichter machen. Doch sie war auf unserer Seite, also konnte ich es nicht sein. Stattdessen war ich nun neugierig. Ich wusste nichts über Götter. 

»Gibt es Bücher über dich?«, wollte ich wissen, weil ich mich nicht daran erinnern konnte, dass es in irgendeinem Volk eine Gottheit namens Adria gab. Sie schmunzelte. »Es gibt Erzählungen aus dem antiken Griechenland. Mein richtiger Name ist Athene. Adria habe ich erst in der Hölle angenommen«, erzählte sie. 

Athene. Die Göttin der Weisheit. Doch das erklärte nicht, weshalb sie in der Hölle gelandet ist. Ich bat sie, mir mehr zu erzählen und erfuhr alles, was ich wissen wollte. Sie erklärte mir, dass sie die Dämonen in der Hölle kreiert hatten, in der Hoffnung, sie würden wie sie werden. Doch sie wurden das komplette Gegenteil. Man konnte ihr anhören, dass sie nicht stolz darauf war. 

»Du glaubst, du seist grausam gewesen«, stellte ich fest und musterte sie. »Das war ich auch.« Doch ich schüttelte den Kopf. »Nein. Du warst verliebt. Manchmal macht die Liebe blind«, erklärte ich und lächelte leicht. Wer hatte aus Liebe nicht schon Dummheiten gemacht? 

»Ich war in ein Monster verliebt. Dacio mochte diese Verehrung, ich nie. Als wir irgendwann in der Hölle landeten, riss er die Macht an sich«, erklärte sie und seufzte. Es würde ein 'aber' folgen, weshalb ich wartete und sie bat, weiter zu sprechen. 

»Aber das 21. Jahrhundert ist anders. Nach den Weltkriegen hat sich viel verändert. Die mächtigsten und ältesten Dämonen wie Sasha wandten sich von ihm ab. Er war selbst ihnen zu machtgierig«, meinte sie. Ich konnte nachvollziehen, dass sie sich abwandten. Und ich war irgendwie froh darüber. Doch weshalb so spät? Und es schien Dacio ja nur wütend gemacht zu haben. 

»Und wann hast du dich abgewandt?«, wollte ich wissen. »Als ich gesehen habe, was der Fluch anrichtet. Das alles wollte ich nicht. Ich will es wieder gut machen«, antwortete sie. Ich nickte und erinnerte mich daran, wie sie uns im Nachhinein doch half, als wir sie besucht hatten. 

Ich lächelte, bevor ich mich für heute Nacht von ihr verabschiedete. Doch anstatt in das Zimmer zu gehen, ging ich zu der kleinen Bar im Bunker, die die Soldaten bei Laune halten sollte. Dort sah ich Jorge, kaufte mir einen Drink und setzte mich zu ihm. 

»Du wirkst so nachdenklich«, sagte ich. So sah man ihn selten. Ich trank einen Schluck und schmunzelte. »Hey, die Guten überleben immer, schon vergessen?«, versuchte ich ihn aufzumuntern, weil ich mir denken konnte, dass es um Dacio ging. 

Nun war er es, der kurz schmunzelte, bevor er wieder ernst aussah. »Das ist es ja, Kayleight. Ich gehöre nicht zu den Guten«, sagte er. Ich verdrehte die Augen. Dachte er das wirklich noch immer? Er war hier. Er hatte uns öfter geholfen als mir lieb ist und wir, oder eher ich, vertrauten ihm. Das konnte er nicht ernst meinen. 

»Ich glaube, die Welt wäre besser ohne mich«, fuhr er fort. Vielleicht wäre das vor einigen Jahren noch so gewesen, denn schließlich war er damals nicht gerade ein netter Gesell. Aber jetzt? Er war jemand ganz anderes. Jorge tötete nicht mehr zum Spaß. 

»Vergiss es. Du wirst nicht sterben. Das kannst du Mary nicht antun, verstanden?«, entgegnete ich und trank aus. Er seufzte, als sei ihm das klar. Nun war ich diejenige, die ernst schaute. »Du verdienst es, zu leben. Das tut jeder. Also denk nicht einmal daran, sonst bring ich dich um, klar?« Nun grinste er leicht und nickte. 

Gut, dann war diese Sache also erledigt. Ich stand auf und wir gingen gemeinsam zu den Schlafräumen. Dort verabschiedeten wir uns. Ich ging zurück in das von Justin und mir. Sydney lag bei ihm mit im Bett, was mich lächeln ließ. Rasch zog ich mich um. Dann legte ich mich zu den beiden und deckte Sydney etwas mehr zu. Langsam glitt ich ins Land der Träume.

dark end ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt