Kapitel 13

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❝We could have been happy. I know that and it is perhaps the hardest thing to know.❞

Am nächsten Morgen verließen Mary und ich fast zeitgleich unsere Zimmer. Sie hatte ihr braunes Haar in einem Pferdeschwanz. Sie wirkte heute etwas motivierter. Nicht, dass sie die Trauer überwunden hatte. Aber nun richtete sie die Wut vermutlich erst einmal auf Dacio. 

»So motiviert heute«, sagte ich. Sie blieb am Türrahmen stehen, sah kurz zu mir und dann nach vorn. »Ich habe ein neues Ziel vor Augen«, erklärte sie. Fragend sah ich sie an. »Dacios Tod. Ich möchte, dass dieses Monster von der Erde verschwindet.« Ja, sie war definitiv wütend. Vermutlich war das für sie einfacher als Trauer. 

Als ich Justins Arme um meiner Taille spürte wusste ich, dass er in die Kantine wollte. Sydney huschte an uns vorbei und lief vor. Sie hatte früh immer so viel Energie. Es war unglaublich. Gemeinsam mit Mary gingen wir ihr dann hinterher. Sie saß am gleichen Tisch wie Riley und Arizona. Nachdem Justin und ich unser Essen geholt hatten, setzten wir uns dazu. 

»Wo sind Adria, Caroline und Chloe?«, wollte Mary wissen und biss in ihr Brötchen. Ich genoss mein Müsli und lauschte dem Gespräch. »Mit Sasha die Gegend absuchen«, erklärte Riley. Heute trug er keine Uniform. So sah ich ihn viel lieber. Das erinnerte mich mehr an den Riley, der hier noch nebenbei eine Firma zu leiten hatte, die in New York stand. 

Ich beneidete ihn nicht dafür. Obwohl er auch mein Arbeitgeber war. Er verlangte jedoch nichts von mir, während wir hier waren. Sollten wir das überleben, hatte er gesagt, würde ich weiterhin dort arbeiten können wie ich es gewohnt war. Ich konnte mir dieses Leben jedoch zur Zeit einfach nicht vorstellen. Zu lange ist es bereits her, dass wir normal lebten. 

Unwillkürlich dachte ich an die Zeit zurück, als Justin bei Mason lebte und jeden Tag Trubel in dem Haus war. Oder als wir alle im gleichen Wolkenkratzer gelebt haben. Die Zeiten waren vielleicht nicht einfach, aber sie waren einfacher. Obwohl im Gegensatz zu jetzt vermutlich alles besser war. Ich fragte mich, ob es Cress und meiner Familie gut ging. Oder Arizonas und Rileys Sohn. Ich wünschte mir, ich hätte Sydney ebenfalls in New York gelassen. 

Plötzlich störte jemand unsere Ruhe. Es war Adria. Sie hatte eine Wunde am Kopf. Ich wusste nicht einmal, dass das möglich war. Panik kam hoch. Es musste etwas geschehen sein. Sasha war nicht bei ihnen. Genauso wenig wie Caroline oder Chloe. Ich sprang auf. 

»Sie haben sie«, sagte sie leicht außer Atem. Kurz schloss ich die Augen. Es war also soweit. Jetzt würden wir gegen Dacio kämpfen. Ich sah zu Sydney und erinnerte mich an den Plan, den ich gleichzeitig wieder verwarf. Ich konnte ihr das nicht antun, griff nach ihrer Hand und lief zu Smith. 

Ihn bat ich, auf sie aufzupassen. Und wenn schlimmeres geschehen sollte, würde er sie nach New York bringen. Ich hatte sein Wort. Dann ging ich mit den anderen nach draußen. Adria musste uns zu dem Ort bringen. Er war mitten im Wald. 

Dort sah ich wie Caroline bewusstlos auf dem Boden lag. Sasha und Chloe wurden von anderen Dämonen auf die Knie gezwungen. Hunter war einer von ihnen. Samuel hingegen lehnte lässig neben Dacio an einem Baum.

»Glaubt ihr wirklich, ihr würdet gewinnen?«, wollte Dacio wissen und schmunzelte. Es gab keine Worte dafür, wie sehr ich ihn verabscheute. »Würdest du gegen uns gewinnen, dann wäre das kein Sieg«, entgegnete ich und krempelte meine Ärmel hoch. Jederzeit bereit, sollte ich angegriffen werden. 

»Loyalität hast du dir manipuliert. Genauso wie die Verehrung«, fuhr ich fort, doch das schien ihm nicht zu gefallen. Er wirkte nicht länger belustigt. Ganz im Gegenteil. »Adria scheint es doch ebenfalls zu machen«, meinte er und sah sie an. Mittlerweile hatte ich verstanden, dass er gekränkt war, weil sie ihm nicht mehr folgte. 

Doch zu wissen, dass er vermutlich tatsächlich noch etwas für sie empfand, war seltsam. Man konnte es aber in seinem Blick sehen. Er würde sie niemals töten. Ich hoffte, dass es andersrum nicht ebenso war. 

»Nein, wir alle sind freiwillig hier«, meinte ich. »Sie musste niemanden zwingen. Und sie möchte die Welt nicht unterwerfen, sondern sie schützen. Das macht eine wahre Göttin aus.« Es war nicht nur Dacio, der mich überrascht ansah. Auch Adrias Blick konnte ich auf mir spüren. Vermutlich hatte sie nicht mit Lob gerechnet, doch vor diesem Kampf war etwas Selbstbewusstsein notwendig, denn nur sie konnte ihn töten. 

Ein Grinsen legte sich auf Dacios Lippen. »Beweist es.« Diese zwei Worte eröffnete den finalen Kampf, vor dem ich mich die letzten Tage so gefürchtet hatte. Auch wenn ich hoffte, dass wir ihn gewannen. Wir würden ebenfalls etwas verlieren. Einen Teil von uns. Das tat man bei so etwas immer. Niemand blieb unschuldig. 

Einige der Dämonen erledigte Adria mit ihren Blitzen. Mein erstes Ziel war es, Sasha zu befreien. Doch dafür musste ich mich Hunter stellen. Kein einfacher Gegner. Und das, obwohl er keine besonderen Kräfte hatte. Vermutlich hatte Dacio ihm welche verliehen. Doch ich schaffte es, ihm irgendwie das Genick zu brechen. Er wurde bewusstlos. 

»Töte ihn!«, rief Riley mir zu, obwohl er fast neben mir war. Rasch befreite ich Sasha. »Wir müssen Prioritäten setzen«, entgegnete ich. »Meine ist, dass ich trotz allem ich selbst bleibe.« In dem Moment schmiss Sasha sich auf mich, um mich vor etwas anfliegendem zu schützen, was dadurch jedoch Riley traf. 

Er ging zu Boden. Während Sasha mir schnell aufhalf, sah ich wie Arizona einen Schutzzauber für ihn sprach. Es schien tatsächlich ein mächtiger Zauberspruch zu sein, denn der Wind verstärkte sich urplötzlich. 

Als ich bemerkte, dass Justin Hilfe benötigte, wollte ich in Vampirgeschwindigkeit dorthin, doch es funktionierte nicht. Kurz fragte ich, was denn los war. Doch dann fiel mir das Gespräch mit Sasha wieder ein. Während des Schutzzaubers waren die eigenen Kräfte ausgeschaltet. Ich sah zu Arizona. 

»Was? Nein! Arizona, ich muss ihnen helfen«, schrie ich. Sie sah zu mir. »Sydney braucht ihre Mutter«, rief sie mir zu und machte weiter. »Das ist meine Priorität.« Verzweifelt versuchte ich, aus diesem Zauber zu entkommen, doch so sehr ich es auch wollte, es funktionierte nicht. 

Also lief ich zu Riley, welcher am Arm blutete. Ich hockte mich zu ihm und sah mir die Wunde an, während er das Kampfgeschehen beobachtete. Plötzlich stieß er mich am Arm und ich sah ebenfalls hin. Adria hatte Dacio erreicht und biss ihm ohne zu zögern in den Hals. Ihr, für ihn tödliches, Gift wurde in seinen Körper gepumpt. 

Er schien keine Luft zu bekommen. Langsam stand ich auf und auch Riley tat es mir gleich. Dacio stürzte auf die Knie, während Adria sich über die Zähne leckte. »Ich wünsche dir einen schnellen Tod. Aber den wirst du nicht bekommen«, sagte sie. Dacio kippte nach hinten und rang weiterhin nach Luft. Er würde langsam ersticken. 

Riley und ich umarmten uns auf Anhieb erleichtert, als er in Rauch aufging und mit dem Wind davon geweht wurde. Endlich war er tot. Nun war es vorbei. Alles würde besser werden. Wir würden ein normales Leben haben. 

Ich sah, wie langsam alle Dämonen die Kampfhandlungen niederlegten und aus dieser Trance erwachten. Samuel rollte sich von Mary, welche sich erleichtert aufsetzte und durch ihr, nun offenes, Haar fuhr. Justin stand ebenfalls auf, als ich Hunter hinter ihm bemerkte. 

Ich spürte, wie ich losrennen wollte, aber es noch nicht funktionierte. Vor allen Augen rammte er Justin den Dolch ins Herz und zog ihn augenblicklich wieder hinaus, während auch er aus der Trance erwachte. Nein, das geschah gerade nicht wirklich. 

Auf der Stelle, auf der ich eben noch gestanden hatte, ging ich nun auf die Knie und ließ die Tränen fließen, während ich nur am Rande bemerkte, wie Hunter verschwand. Verdammt es war doch alles vorbei. Wieso hatte er denn nicht aufgepasst? Verdammt, wieso hatte niemand aufgepasst? 


dark end ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt