Kapitel 10

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❝Sometimes good people make bad choices. It doesn't mean they are bad people. It means they're human.❞

Am nächsten Morgen war alles viel zu normal. Als wäre gestern Nacht nichts geschehen. Das gefiel mir nicht. Wir saßen beim Frühstück, als sich auch die anderen zu uns setzten. Mary sah uns alle an. 

»Götter?«, sagte sie unglaubwürdig. »Wieso glaube ich, dass das alles noch unangenehm wird?« Weil es das werden wird, dachte ich. Weil es bei uns immer so war. Sie schien es genauso wenig glauben zu können wie ich. Das mit Samuel hatten wir ihr nicht erzählt. Sie hatte gerade erst Mason verloren. Mit dieser Sache wollten wir sie nicht belasten. Wir würden damit fertig werden, wenn wir Dacio los werden. 

»Dacio und ich sind mächtig. Dieser Krieg wird nicht schön werden. Er kann sich so viele Sklaven holen, wie er nur möchte«, sagte Adria seufzend. Verwirrt sah ich sie an. »Du doch auch«, entgegnete ich. Nicht, dass ich das wollte, aber wenn es notwendig war, um ihn zu töten, dann könnte ich damit leben. Man muss Opfer bringen. 

Doch sie schüttelte den Kopf. »Ich werde niemanden zum Kampf zwingen«, meinte sie. Wollte sie etwa allein in diese Schlacht ziehen? Das würde ich nicht zulassen. »Musst du zum Glück nicht. Wir machen es freiwillig.« Es war Justin, der das sagte. Und alle anderen stimmten zu. Dacio hatte uns bereits vorher das Leben zur Hölle gemacht und auch da hatten wir ihn besiegt. Das schaffen wir noch einmal. 

»Sind doch nur ein Gott und ein paar Dämonen. Was kann da schon schief gehen?«, meinte Mary schmunzelnd und auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Ich war froh, dass wenigstens eine die Hoffnung nicht verloren hat. 

Doch die Freude hielt nur kurz. Denn Adria sprach das an, was ich vermeiden wollte; unsere Freunde. Sie warnte uns, dass Dacio welche auf seiner Seite hatte. Das mit Xenia war uns klar. Aber von Samuel wusste Mary noch nichts genaueres. 

»Dacio hat starke Dämonen auf seiner Seite. Ursprünglich wollte er Sasha, doch der tauchte nie in der Hölle auf«, sagte Adria und blickte dabei zu Sasha. Auch ich folgte ihrem Blick und sah nun ein kaltes Grinsen auf Sashas Gesicht.

Ich wünschte, niemand hätte weiter nachgehakt. Doch es war Justin, der Namen wissen wollte. Und Adria sagte sie ihm. Hunter und Samuel. Nun war es also raus. Sie waren beide auf seiner Seite und Mary wusste es. Ich seufzte. 

»Gegen Samuel werde ich nicht kämpfen«, sagte sie entschlossen. Es war die Loyalität, die aus ihr sprach. Sie hatte ihn gestern nicht gesehen. Wusste nicht, dass er nicht mehr der alte Samuel ist. Doch das schien ihr egal zu sein. 

Mary blieb bei ihrer Meinung. Und ich würde sie im Ernstfall unterstützen. Wenn wir Samuel retten und zurück bekommen könnten, würden wir es versuchen. Zwar wollte Adria uns weis machen, dass wir Prioritäten setzen mussten, doch Freundschaft ging für mich über alles. Selbst Sasha wusste das mittlerweile. Vielleicht machte es mich schwach. Doch ich würde keinen Freund töten, nur um meinen Feind zu bekämpfen. 

»Dacio kann durch meinen Biss sterben«, erklärte Adria, als jemand nachhakte. Ich hob eine Augenbraue und sah sie fragend an. Dann entblößte sie ihre Zähne, die zu meinem Erschrecken denen von Vampiren sehr ähnlich sahen. 

»Das sieht aus wie ein Vampirzahn«, sagte ich und Adria schmunzelte. »Ich bin fast so alt wie die Erde. Damals gab es keine Vampire und gewiss stammen sie von uns ab«, erklärte sie. »Doch wir bekamen sie auch erst, als wir in die Hölle verbannt wurden. Es sollte eine Möglichkeit geben, uns zu töten.« Das machte irgendwie Sinn. 

Nach diesem Gespräch nahm sich jeder etwas Zeit für sich. Wir wussten nicht, wer von uns überleben würde. Wir brauchten diese Ruhe vor dem Sturm. Arizona kam zu mir, denn ich saß in einem der Aufenthaltsräume. Neben mir ließ sie sich nieder. 

»Wenn wir das alles überleben«, begann sie. »Dann schneide ich mir meine Haare kurz. Neuer Lebensabschnitt und so.« Ich schmunzelte und war dankbar dafür, dass sie, im Gegensatz zu Jorge, an ein Morgen dachte. Andererseits war ich mir nicht einmal sicher, ob man sie überhaupt töten konnte. Vermutlich wusste sie, dass sie das hier überleben wird.

Ich sah kurz an die Decke und dachte nach, bevor ich wieder zu Arizona sah. »Wenn wir das alles überleben, dann werde ich mich mit meinen Eltern versöhnen.« Das war doch ein guter Plan, oder nicht? Nur wusste ich nicht, ob das überhaupt möglich war. Vermutlich hassten sie mich. 

Arizona nahm mich in den Arm. Ich lächelte und war dankbar dafür, sie eine Freundin nennen zu können. Genauso wie Riley, Mary und den Rest. Es war schwer, sich ein Leben vorzustellen, in dem es sie nicht gibt. Ich glaube, es war Schicksal, dass wir uns alle begegnet sind. 

Adria setzte sich mit einer Tasse in der Hand zu uns. Vermutlich wusste sie nicht, wo sie sonst hinsollte. Ich schenkte ihr ein Lächeln. Arizona richtete sich auf. »Kann ich dich was fragen?«, wollte sie wissen und als Adria nickte, fragte sie drauf los. 

»Wie viele der Dämonen, die ihr direkt erschaffen habt, leben noch?« Das war eine interessante Frage. Adria lächelte. »Viele. Alle sogenannten geborenen Dämonen. Keiner von ihnen ist tot«, antwortete sie. Also waren Hunter und Sasha ebenfalls direkt von ihnen erschaffen. Und dennoch hatten sie sich beide abgewandt. Und wer wusste, wie viele sonst noch.

Doch einige von ihnen werden sich wohl irgendwo versteckt halten. Der Teil, der nicht in der Hölle war. Samuel und Hunter konnten nichts dafür, denn sie kamen nicht hinaus. Und die anderen? Wer wusste schon, wie viel sie tatsächlich wussten. Selbst bei Sasha war es ein Zufall, dass er nicht in der Hölle war.

Wir redeten noch eine ganze Weile. Doch nun mehr über belangloses. Irgendwann kam Justin hinzu und legte seinen Arm um mich. Ich kuschelte mich an ihn. Einige Leute sagten mir früher, dass keine Liebe ewig hält. Doch das war eine Lüge. Bei ihnen vielleicht nicht. Oder womöglich hatten sie den Richtigen noch nicht gefunden. Denn ich liebte Justin noch wie am ersten Tag.

Auch wir hatten unsere Höhen und Tiefen. Wir stritten wie es jedes Ehepaar tat. Und wir wussten auch, dass für immer bei uns tatsächlich für immer hieß. Doch die Liebe hatte bei uns immer gewonnen und das würde sie auch immer. 

Ich küsste ihn kurz. Lächelnd sah er mich an und strich mir dann durchs Haar, während sich auch der Rest von uns setzte und sich den Gesprächen anschloss. Ich hingegen lauschte nur noch und lächelte. Genau so sollte es sein. Wir alle zusammen. Glücklich. Ein normales Gespräch. Doch leider war das in letzter Zeit selten. 

Wir mussten das genießen, denn so sollte es nicht bleiben. Nach knapp zwei Stunden des Zusammenseins spürte ich hinter mir einen kalten Windhauch. Ich drehte mich um und erschrak mich beim Anblick von Samuel, der uns alle kalt ansah. 

Schnell sprang ich auf. Justin ebenfalls. Er griff nach meiner Hand. Sasha verschwand mit Sydney in einem anderen Raum. Samuels kalte Augen sahen jeden einmal an. Dann grinste er. »Game over würde ich sagen«, sagte er und um uns herum tauchten weitere Dämonen auf. Unter ihnen auch Hunter. 

Mit seinem dunklen Haar und seinem kindlichen Gesicht wirkte er noch immer so freundlich wie früher. Ich sah in ihm immer noch eine Art Freund, doch ich wusste, bei ihm war es nicht so. Er spürte nur noch Hass. 

»Einer von euch wird sterben«, fuhr Samuel fort. Dann lächelte er. Es war die Art Lächeln, die einem einen Schauer über den Rücken jagte. Und Samuel beherrschte es gut. »Aber wir sind so nett und lassen euch entscheiden.«

dark end ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt