Seit gefühlten Ewigkeiten laufen wir jetzt schon durch den Wald. Der Himmel ist schwarz und es droht jeden Moment zu regnen.
"Wo willst du hin?", frage ich Mike verunsichert.
"Zu meiner Schwester.", antwortet er knapp.
"Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?"
"Ich hoffe mal." Ist das Einzigste, was ihm dazu einfällt.
Wir laufen weiter ohne dass irgendjemand von uns etwas sagt. Vom Himmel fallen nun vereinzelt Tropfen, die immer mehr werden, bis es irgendwann wie aus Eimern schüttet. In der Ferne erkenne ich ein paar Lichter, die wahrscheinlich zu einem kleinen Ort gehören. Wir nähern uns den Häusern und als ich erkenne wo wir sind bleibt mir der Atem stehen. Genau hierher wollte ich nie wieder. Hier habe ich die wohl schönsten, aber auch schlimmsten Jahre meiner Kindheit verbracht.
"Ist irgendwas?", fragt mich Mike, weil ich stehen geblieben bin und auf mein altes Haus starre.
"Nein alles in Ordnung.", lüge ich ihn an. Eigentlich ist nichts in Ordnung. Ich wurde entführt und jetzt bin ich mit Mike hier. Dass ergibt für mich alles keinen Sinn. Eigentlich müsste ich versuchen zu fliehen, so lange ich noch kann, aber ich möchte erst mal wissen, was dass alles zu bedeuten hat.
"Hier wohnt meine Schwester.", sagt Mike, als er vor einem kleinen Haus stehen bleibt. Er drückt auf die Klingel und kurzdarauf erscheint ein Mädchen, etwa um die 20 in der Tür. Sie hat die selben braunen Haare und dunkelblauen Augen, wie Mike. Es kommt mir so vor als würde er vor mir stehen, nur in weiblich. Diese ähnlichkeit ist schon verrückt.
"Wie seht ihr denn aus und was macht ihr hier bei dem Wetter? ", fragt sie uns besorgt. Seine Schwester zieht uns ins Haus und macht die Tür zu.
"Omg, was hast du denn da am Arm?", Vorsichtig säubert sie die Wunde und wickelt einen Verband drum.
Ich schaue aus dem Fenster, was ich aber sofort wieder bereue, denn der Friedhof, auf dem sie begraben ist, liegt direkt gegenüber vom Fenster. Mike redet mit seiner Schwester, was ich aber eher nebensächlich mitbekomme. Ich versuche seinen Worten zu folgen, doch meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Wieso musste sie damals sterben?
"Jannik?" Mike winkt mit seiner Hand vor meinem Gesicht hin und her. Erschrocken zucke ich zusammen und schaue ihn fragend an.
"Was ist los mit dir? Seit wir hier angekommen sind verhältst du dich irgendwie komisch."
"Wie soll ich mich denn auch normal verhalten, wenn ich entführt wurde? Kann mir dass mal jemand erklären?", fahre ich ihn gereizt an. Mehrere Sekunden herrscht schweigen zwischen uns, bis Mike etwas sagt.
"Ich habe dir das Leben gerettet.".
"Kannst du es bitte so erklären, dass ich es verstehe?"
Nach langem zögern fängt Mike an zu erzählen.
"Mein Vater hat mich jahrelang beleidigt, geschlagen und ausgenutzt. Eines Tages kamst du dann. Ich wollte mich endlich an ihm rächen und habe ihm einen Brief geschrieben, dass ich für immer weg bin. Für den Fall, dass er mich suchen wird, habe ich dich mitgenommen, weil ich ihm dann drohen kann mit dir als Beweis zur Polizei zu gehen. Wenn ich dich nicht mitgenommen hätte, dann wärst du früher oder später gestorben, dass wollte ich nicht...."
Sprachlos schaue ich ihn an. Seine Schwester sieht genauso geschockt aus wie ich."Er hat dich geschlagen, beleidigt und ausgenutzt?", stottert seine Schwester.
"Ja...", antwortet er verlegen, während er den Tisch anstarrt.
"Wieso hast du mir nichts gesagt? Ich hätte dich bei mir aufgenommen.", wirft sie ihm vor.
"Ich wollte dir nicht zur Last fallen."
"Du weißt doch, dass du immer zu mir kommen kannst." Sie geht zu Mike und nimmt ihn in den Arm.
"Wo sollen wir schlafen?", fragt Mike, als die beiden sich aus ihrer Umarmung gelöst haben.
"Ich hab leider nur ein Gästebett. Einer von euch kann ja auch auf der Couch schlafen."
"Wir können zusammen im Gästebett schlafen.", antwortet er und grinst mich dabei an. Wie wärs damit mich vielleicht vorher zu fragen? Er geht aus dem Raum und dreht sich noch mal kurz um als Zeichen, dass ich ihm folgen soll. Das Zimmer ist relativ klein, aber sehr gemütlich eingerichtet. Ich lasse mich auf das Bett fallen und betrachte den Raum.
"Ich geh duschen.", sagt Mike und verlässt daraufhin das Zimmer.
Jetzt oder nie! Ich springe aus dem Bett und gehe zum Fenster, um es zu öffnen, doch es ist verschossen. Irgendwie muss ich hier doch rauskommen. Verzweifelt gehe ich zur Tür und drücke die Klinke nach unten. Wann hat Mike denn die Tür abgeschlossen? Ich versuche die Tür noch ein paar mal zu öffnen, aber sie geht nicht auf. Eigentlich könnte ich doch einfach das Fenster einzuschlagen, dazu brauch ich nur einen harten Gegenstand. Im Zimmer steht eine Figur aus Eisen, die ich nehmen kann. Es tut mir zwar leid für Mikes Schwester, dass ich das Fenster kaputt mache, aber ich will nicht mein ganzes Leben in Gefangenschaft verbringen. Gerade als ich aushole um das Fenster einzuschlagen, spüre ich plötzlich eine warme Hand an meinem Arm. Fuck...
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Der Sohn des Entführers//BxB//abgeschlossen
RomanceJannik ist 17 Jahre alt, hat in der Vergangenheit einen geliebten Menschen verloren und wird in der Schule gemobbt. Als Jannik entführt wird, rechnet er damit sterben zu müssen. Aber was ist wenn der selbstverliebte Sohn von einem der Entführer ihm...