Auf dem Weg zu Sydenia

175 13 0
                                    

»Wo gehen wir hin?«, fragte Lilia, als sie mit Leandra das Haus verlassen hatte. »Zu Sydenia, schon vergessen«, antwortete sie, schloss die Tür hinter sich und ging los. Nach wenigen Sekunden schon bemerkte sie, dass Lilia nicht mitgekommen war und sie fragend ansah. »Sydenia ist die Schwester der mächtigsten Hexe hier in unserem Dorf und somit die derzeitige Königin?« - »Wow, eine Königin?« Lilia staunte nicht schlecht, als sie realisierte, dass sie auf den Weg zu einer Königin waren, doch eine Frage stellte sie sich schon. »Warum ist Sydenias Schwester nicht Königin, obwohl du behauptest, sie sei die mächtigste Hexe hier.« Leandra schwieg und blickte nur zu Boden. »Nun ja«, sagte sie leise. »Eigentlich darf ich dir davon noch nichts erzählen. Meine Eltern wollen wohl nicht, dass du Angst bekommst.« Lilia sah sie mit bettelndem Blick an, in der Hoffnung sie würde es ihr dennoch verraten.

»Das Königspaar ist spurlos verschwunden. Ist noch nicht lange her, doch niemand weiß, wie das geschehen konnte. Ob sie entführt worden sind oder ob sie untergetaucht sind, aufgrund einer bevorstehenden Gefahr, darüber spekuliert man« - »Welche Gefahr?« Leandra seufzte. »Khyron. Doch diese Geschichte erzähl ich dir ein andermal« Lilia war sprachlos. Das Königspaar, einfach verwunden? »Ich glaube jedenfalls nicht, dass Lyrelle und Jeffron wegen ihm untergetaucht sind. Sie würden ihr Dorf nie im Stich lassen« Doch Lilia wusste darauf nichts zu sagen, schließlich kannte sie das Königspaar nicht, doch sie glaubte, was Leandra sagte.

Während die beiden durch das Dorf spazierten, achtete Lilia sehr auf die Umgebung. Alles sah zum Erschrecken gleich aus. So viele kleine Häuser und Hütten, und sämtliche Abzwei-gungen, die alle ähnlich waren. Obwohl das hier ein Dorf genannt wurde, war es ganz schön groß oder zumindest ziemlich verzweigt. Am Rand des Weges befanden sich fast überall Bäume und Büsche und natürlich die Häuser, die davon umgeben wurden. Hin und wieder sah man winzige Kreaturen durch die Lüfte huschen, ihre Flügel schlugen so schnell, dass hin und wieder glitzernder Staub davon abfiel. »Elfen«, erklärte Leandra, während Lilia begeistert davon war, wie sie umher sausten. »Oh, ein neues Gesicht, ein neues Gesicht«, hörte man eine piepsige Stimme rufen und schon schwebte eine der winzigen Elfen vor Lilia. Im nächsten Augenblick schwebten noch zwei vor Lilias Gesicht. »Sag bloß, du bist Lilia Devany«, kicherte eine Elfe und schlug Purzelbäume in der Luft. Lilia nickte. »Die verschollene Hexe ist hier!«, riefen alle im Chor und waren im nächsten Moment schon wieder verschwunden. Voller Freude flogen sie hoch am Himmel im Kreis herum. »Nervige Kreaturen«, meinte Leandra.

Auf dem restlichen Weg gab es keine weiteren Störungen mehr von anderen magischen Krea-turen. Fast niemand begegnete ihnen, obwohl sich Lilia gewünscht hätte noch Hexen, Zaube-rer oder andere Wesen mit magischen Kräften zu treffen. Nach nicht allzu langer Zeit kamen die beiden schließlich an ihrem Ziel an, so wie es schien. Leandra blieb vor zwei großen, kräftigen Kreaturen stehen. So etwas wie die beiden hatte noch nie zuvor gesehen, noch nicht mal in einem Märchenbuch. Sie sahen duster und unheimlich aus. Hinter ihnen befand sich der Weg zu einem riesigen Palast, das sogar großer als das der Gallaghers war, den sie bewachten. Das musste wohl der Ort sein, an dem sie Königin Sydenia treffen würden. Die beiden Kreaturen blickten finster und ließen Leandra auch erst an ihnen vorbei, als sie mit ihnen zu reden begann. Sie zeigte auf Lilia, als die beiden plötzlich ein freundliches Gesicht machten und ihr zunickten. Schließlich gingen die zwei scheußlich aussehenden Kreaturen beiseite, um Lilia und Leandra den Weg freizumachen. Schnell nahm Leandra sie an der Hand und huschte schnell vorbei. »Was hast du zu ihnen gesagt?«, flüsterte Lilia. »Sie wissen, dass ich im Auf-trag der Königin unterwegs bin. Ich hab nur gesagt, dass ich die verschollene Hexe mitge-bracht habe« Lilia nickte. Kannte sie wirklich jeder in diesem Dorf? »Weißt du, nicht jeder kommt so einfach in diesen Palast. Erst recht nicht, seit dem Verschwinden des Königspaares. Man hat schreckliche Angst, es könnte noch Schlimmeres geschehen. Es ist tragisch.«

Ein langer, schmaler Weg führte in das riesige Schloss, umgeben von verschiedenen Arten von Bäumen, jedoch waren dieser hier viel schöner und kräftiger. Als die beiden vor dem Tor des Schlosses standen, nahm Leandra ihre Kette ab, an der sich ein Anhänger in der Form eines Herzens befand. Es schimmerte so blau, wie das Wasser. Genauso wie das Portal heute Morgen, das wurde Lilia sofort klar. Leandra hielt den Anhänger ihrer Kette an das Tür-schloss. Sofort umhüllte sich das Tor mit Schleiern, die so hellblau schienen, wie ihre Kette. Wie von Zauberhand öffnete sich das Tor. Leandra und Lilia gewannen sofort Einblick in die Eingangshalle des Schlosses und traten ein. Lilia wurde wieder von Leandra an der Hand gepackt, da diese aus dem Staunen fast erstarrt war. »Du wirst dich noch daran gewöhnen«, murmelte Leandra. Das Schloss war so königlich eingerichtet, wie sie es immer aus Märchen-büchern kannte. In Wirklichkeit war es sogar noch atemberaubender. Die Eingangshalle des Schlosses war riesig, wie es zu erwarten war.

Sofort kam eine große, schlanke Frau mit langem, dunkelbraunem Haar auf die beiden zu. Ein silbernes Diadem befand sich auf ihren Kopf und sie trug ein wunderschönes, märchenhaftes Kleid, wie eine wahre Königin. »Oh, da seid ihr ja endlich. Ich hab schon auf euch gewartet.« Ihre Stimme klang aufgeregt, als wäre es wirklich etwas Besonderes auf Lilia zu treffen. »Mein Name ist Sydenia. Das weißt du bestimmt schon.« Lilia nickte. »Und ich bin...« - »Lilia Devany«, unterbrach Sydenia sie. »Jeder kennt dich. Leandra hat dir bestimmt schon er-zählt, warum.« Lilia nickte.

»Ich habe euch herbestellt, da ich dir noch so einige Dinge erzählen muss. Dazu gehört, dass du von nun an bei den Lithgows wohnen wirst. Keine Sorge, das haben wir alles schon be-sprochen. Du musst nur noch deine Sachen von dem Haus deiner Großmutter holen.« Lilia nicke wieder nur. Ihre Großmutter würde ihr fehlen, das wusste sie schon jetzt. All die Jahre hatte sie für Lilia gesorgt und war immer für sie da, wenn es ihr nicht gut ging. Und nun sollte sie das einfach hinter sich lassen? Das fiel ihr ziemlich schwer. »Außerdem wirst du morgen mit Leandra die Schule besuchen. Ach ja, wundere dich nicht, wenn du viel Aufsehen erregst, wie gesagt, du bist eigentlich schon fast so etwas wie eine Berühmtheit im Dorf.« - »Was ist mit dem Vergessens-Zauber?«, fragte Leandra plötzlich. »Der wird morgen durchgeführt, doch das lass unsere Sorge sein«, meinte Sydenia. Leandra nickte einsichtig, während Lilia sie besorgt ansah. Lilia hatte Angst, irgendetwas könnte schief gehen, und ihre Großmutter würde sie vergessen, als ob sie nie existiert hätte.

Schon nach kurzer Zeit verließen die beiden das Schloss wieder um zurück zum Haus der Li-thgows zu gehen. Lilia war bereits hungrig geworden, vom ständigen herumwandern. Sie musste sich erst an das Leben hier gewöhnen und das würde auch einige Zeit dauern, da war sie sich sicher. Morgen ging sie also zum ersten Mal auf eine richtige Zauberschule, wo sie, wie Sydenia behauptet hatte, lernen würde, mit ihren Kräften umzugehen. Sie meinte, da steckt noch viel mehr dahinter, als Windstöße zu verursachen und Leute durch die Luft zu wirbeln. Sie war gespannt, was sie in dieser Schule erwarten würde, doch gleichzeitig hatte sie auch ein wenig Angst. Würden sie wirklich alle Schüler und Lehrer dort erkennen?

Zauber der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt