Chapter 11

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,,Weißt du eigentlich, was für ein Idiot du bist?" Brandon erwiderte darauf nichts, sondern blieb ganz ruhig. ,,Jetzt sag schon was!" Rachel schubste ihn von sich. ,,Du bist doch sonst nicht so ruhig?! Wo ist denn dein Bedürfnis Worte mit Schlägen auszudrücken so plötzlich?! Angst davor, dass ich zurückschlagen würde? Komm schon zeig dein wahres Ich!" Die anderen Schüler blieben im Flur stehen und tauschten verwirrte Blicke aus. Manche zückten sogar das Handy, um das Spektakel festzuhalten. Das war der Moment, indem ich wusste, dass ich etwas unternehmen sollte. ,,NA LOS!" Rachel war nun richtig in Fahrt und schubste Brandon erneut von sich. Ich löste mich endlich aus meiner Starre und eilte zu ihnen. Grace tat es mir gleich. Zusammen hielten wir sie zurück.

,,Das hat doch keinen Sinn, Rachel", versuchte ich es. ,,Komm schon." Grace schaffte es Rachel an Brandon vorbeizuziehen. Ich blieb noch ein paar Sekunden stehen. Vielleicht hatte er ja doch noch etwas zu sagen. Abwartend blickte ich ihm in die Augen. Doch er wich meinem Blick aus, zog sich die Kapuze seines grauen Pullis über den Kopf und eilte an mir vorbei aus der Schule.

Der restliche Schultag verlief einigermaßen normal. Bis auf die Tatsache, dass Brandon nicht hier war, Rachel überaus aufgebracht war und Grace den ganzen Tag nur fluchte. ,,Bis Morgen!" Ich umarmte meine Freundinnen zum Abschied, als die Schulglocke klingelte und machte mich auf den Weg nach Hause. Ich brauchte zu Fuß nur etwa eine viertel Stunde bis ich Zuhause ankam. Wild kramte ich in meiner braunen Tasche nach meinen Schlüsseln, denn meine Eltern waren nicht da.

,,Da bist du ja." Eine fremde Stimme ließ mich überrascht den Kopf heben. An unserer Eingangstüre lehnte ein fremder Junge. Er war in etwa so groß wie Brandon, trug aber die Haare kürzer und blond. Er zog die Augenbrauen nach oben und musterte mich ganz genau. ,,Kenne wir uns?", fragte ich schüchtern. Der Fremde schlüpfte mit seinen Händen in die Taschen seines grauen Mantels und fing an zu lachen. ,,Nein, aber ich kenne dich." Er grinste mich breit an und sein Lachen jagte einen Schauer über meinen Rücken. Seine Augen schimmerten in einem leichten rot, was ich noch nie zuvor gesehen hatte. Das machte ihn einerseits unfassbar interessant, aber andererseits auch sehr unheimlich. Ich hatte den Schlüssel endlich gefunden und steckte ihn in das Schloss. ,,Es tut mir leid, aber ich rede nicht mit Fremden." Mit diesen Worten drehte ich den Schlüssel um und die Türe öffnete sich. Ich quetschte mich durch einen Spalt hindurch und wollte die Türe gerade schließen, als der Fremde seinen Fuß in den Spalt schob.

,,Na, na ,na. Wir wollen doch nicht unfreundlich werden, oder?" Der Fremde schob die Tür mit seiner Hand weiter auf und ich hatte keine Chance sie zu schließen. Er war einfach viel stärker als ich. Gelassen schlenderte er in die Wohnung und blieb mitten im Wohnzimmer stehen. ,,Nett habt ihr es hier", bemerkte er sich umschauend. Ich starrte ihn empört an. Was viel ihm ein einfach so in unsere Wohnung zu schlendern und so zu tun, als wäre er hier ein Gast? ,,Entschuldigung, aber was wollen sie hier?" Meine Stimme zitterte ein wenig, als der Fremde meinen Blick suchte und mich eindringlich musterte. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. ,,Oh, wo sind nur meine Manieren geblieben? Ich bitte um Entschuldigung. Mein Name ist Grayson und du bist Evelyn, wie ich sehe." Schon wieder irgendein Typ, der meinen Namen kannte. Meine Wut wurde immer größer. ,,Woher kennen sie meinen Namen?", fragte ich möglichst ruhig. Er fing wieder an zu lachen und zog einen Stuhl von unserem Esstisch hervor, um darauf Platz zu nehmen. ,,Ja, bitte setzten sie sich doch", murmelte ich kaum hörbar.

,,Möchtest du deinem Gast denn kein Glas Wasser anbieten? Ach, und bitte duzen wir uns doch." Ich schnaubte vor Empörung. Was fiel ihm ein? ,,Vielleicht wenn sie mir gesagt haben, was sie hier machen und woher sie meinen Namen kennen." Das Lachen aus Graysons Gesicht verschwand und er funkelte mich wütend an. ,,Ah. So mutig und unvorsichtig, wie ich mir dich vorgestellt habe." Er stand auf und kam immer näher. Ich bekam es so langsam mit der Angst zu tun. Vielleicht war er ja ein Serienkiller und würde mich gleich qualvoll umbringen. ,,Was reden sie da?" Meine Stimme war brüchig und schon lange nicht mehr so fest wie vor ein paar Minuten. Grayson stand nun direkt vor mir und schaute auf mich herab. Er war einige Zentimeter größer als ich und stank schrecklich nach Männerparfüm. Ich wollte zurückweichen, jedoch knallte ich stattdessen gegen die Wand hinter mir. Er fing wieder an zu lachen und stützte einen Arm rechts neben mir an der Wand ab.

Perdition - VerderbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt