Chapter 44

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"So do right people with wrong timing ever get a second try?"

Für einen kurzen Moment blieb mir der Mund offen stehen. ,,Ihr seid aber keine-" ,,Brüder? Nein. Jedoch war auch meine Mutter eine Ordeal und mein Vater ein Kryok." Das erklärte so einiges. ,,Und du kannst in andere hineinschauen?", hakte ich nach und fühlte mich dabei einfach nur bescheuert.

,,Nicht so direkt. Ich sehe, wer genau die Menschen vor mir sind. Namen, Charakter, Lebensgeschichte, Erinnerungsfetzen und so weiter, aber ich lese keine Gedanken, wenn du das dachtest." Erleichtert atmete ich aus.

Damian konnte somit das Gleiche. Hätte er meine Gedanken lesen können, dann wäre das ziemlich peinlich gewesen. Trotzdem wusste er von Anfang an, wer ich genau war. Und das ins kleinste Detail.

,,Bei Ordeals kann man jedoch nicht alles sehen", fügte Mike hinzu, als hätte er doch meine Gedanken gelesen. ,,Sie sind sehr verschlossen. Besonders du. Scheinbar willst du deine Erinnerungen nicht teilen." Wer will das schon? ,,Aber jetzt genug von mir und dir." Er drehte sich zu den anderen. ,,Kommt ins Haus. Das Essen steht auf dem Tisch."

Wir alle betraten nacheinander Mikes Haus und staunten nicht schlecht. Es war einfach wunderschön. Alles war aus Holz und sah unfassbar antik aus. ,,Das Esszimmer liegt auf der linken Seite. Macht es euch bequem, ich komme gleich zu euch", informierte uns Mike und machte sich aus dem Staub.

Vor uns erstreckte sich eine breite Treppe aus Holz, die er hinaufeilte. Im Haus brannten nur einige Lichter, und durch das Holz wirkte alles sehr düster. Mir gefiel das jedoch sehr gut. ,,Na los Leute. Auf uns wartet Essen." Zeke sprintete voraus in das Esszimmer und wir folgten ihm.

,,Du hättest mir ruhig sagen können, dass Mike ein Vari ist. Kein Wunder, dass er so angsteinflösend wirkt", zischte ich Damian im Gehen zu. Er zog einen Mundwinkel nach oben. ,,Du findest mich also angsteinflösend?" ,,Das habe ich nie gesagt", verteidigte ich mich.

,,Du hast gesagt, dass Varii angsteinflösend sind. Ich bin auch einer, solltest du es vergessen haben." Ich wollte etwas erwidern, doch Zeke unterbrach mich. ,,Eins muss man ihm lassen: Kochen kann er." Ich spähte über Lilys Schulter und sah einen langen Esstisch mit allerlei zu Essen darauf. Auch mein Magen meldete sich bei diesem Anblick zu Wort.

,,Warum hilft er uns nochmal?" ,,Weil ich etwas bei ihm Gut habe." Das wusste ich mittlerweile auch. ,,Aber was?" Damian seufzte. ,,Sagen wir es so: Ich habe sein Leben gerettet." Ich nickte langsam. ,,Okay. Damit hat er so einiges bei dir gut, schätze ich."

Wir setzten uns in Bewegung und jeder suchte sich einen Platz an dem scheinbar unendlichen Tisch. Ich setzte mich neben Lily und Zeke, während Damian mir gegenüber neben Ash Platz nahm. Diese lächelte ihn verführerisch an. Igitt.

,,Eine gute Sache hat das alles ja. Wir haben endlich mehr Zeit füreinander", flüsterte sie ihm zu, doch ich verstand leider jedes einzelne Wort. Schnell wand ich den Blick ab. ,,Ist alles okay?" Lily musterte mich verwirrt. ,,Bis auf die zwei Turteltäubchen da drüben? Klar." Lilys Blick wanderte zu Ash und Damian. Sie verdrehte die Augen.

,,Ich denke, dass Damian darauf nicht eingeht." Oh doch. Das denke ich sehr wohl. ,,Ist mir auch relativ egal", bemerkte ich. Damians Liebesleben ging mich nichts mehr an. ,,Also gut Leute. Was ist unser Plan?", fragte Rhonda in die Runde. ,,Nicht sterben", warf Grayson ein. Lily seufzte.

,,Das ist uns denke ich allen klar." ,,Ich weiß nicht, ob das Evelyn klar war, als sie sich in unser Leben eingemischt hat." Grayson gab mir seine Wut zu spüren und ich versuchte es so gut wie nur möglich zu ignorieren.

,,Das hilft uns nicht weiter, Grays", mischte sich Damian ein. ,,Wir brauchen einen genauen Plan." ,,Und der wäre?" Ich schaute ihn fragend an. ,,Deshalb sind wir hier. Mike wird uns helfen. Zuerst müssen sich alle vorbereiten. Jeder muss seine Kraft in Schuss bringen. Es könnte alles passieren." Ja, es könnte alles passieren. Wir könnten zum Beispiel alle sterben. Und das wegen mir.

,,Das ist ja schön und gut, aber was machen wir anschließend?" Ash schlug die Beine übereinander und spitzte die Lippen. ,,Wir werden uns einen genauen Überblick über das COV verschaffen müssen und dann überlegen, wie wir am Besten vorgehen." 

,,Was meinst du mit einem genauen Überblick verschaffen?", fragte Zeke mit vollem Mund. Er war der Einzige, der sich schon etwas zu Essen genommen hatte. ,,Ein paar von uns werden sich das Gelände genauer anschauen. Wir müssen herausfinden, wo wir eindringen könne und wie sich das COV verteidigt." Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. 

Die Lage wurde immer ernster. Ein Zurück gab es nicht mehr. Womöglich war das COV schon bei mir Zuhause und hatte alles auf den Kopf gestellt. Ich hoffte nur, dass meinen Eltern und meinen Freunden nichts zustoßen würde. ,,Und wann?" ,,Am Besten schon Morgen. Es sollte nicht weit von hier sein. Mike kennt sich hier in der Gegend aus und er weiß schon Bescheid, weshalb genau wir hier sind." 

Ich schluckte einen dicken Kloß in meiner Kehle hinunter. Bisher kam mir alles so surreal vor, aber nun wurde alles zur Realität. Vor ein paar Wochen hätte ich mir das niemals vorstellen können. ,,Er lebt in der Nähe des COV's aber weiß nichts davon?" Grayson runzelte die Stirn. ,,Ich weiß wo es ist und ich weiß auch, dass dort unmenschliche Dinge vor sich gehen, aber ich bin noch nie soweit vorgedrungen, um zu wissen, was es für Dinge sind. Nun weiß ich es." 

Mike betrat den Raum und beantwortete somit Graysons Frage. Stille breitete sich um uns herum aus. Im Moment wusste Niemand mehr, was er sagen sollte. Man hörte nur Zekes leises Schmazen. Wir alle starrten ihn wütend an. ,,Was denn? Ich genieße wenigstens das Essen." Rhonda musste lachen und ich stimmte mit ihr ein, bis plötzlich alle anfingen zu lachen. ,,Na dann lasst es euch schmecken", eröffnete Mike offiziell das Abendessen, auch wenn Zeke schon fast fertig damit war. Wenigstens genoss einer den Abend.

,,Ich möchte morgen mitkommen." Langsam lief ich neben Damian die Treppen nach oben zu den Zimmern. Manche waren bereits ins Bett gegangen, andere saßen noch unten und führten lange Gespräche. Ich persönlich hatte, nachdem Ash mich wieder mal beleidigt hatte, beschlossen ebenfalls schlafen zu gehen. Mike sagte mir, dass ich das Zimmer im ersten Stock neben Damians haben durfte. Das war auch der Grund, weshalb er nun neben mir ging. 

,,Das geht nicht, Eve." ,,Und warum nicht?" Oben angekommen, blieb ich stehen und drehte mich zu ihm, damit er mir in die Augen schauen musste. ,,Es könnte gefährlich werden", meinte er trocken. Seufzend verdrehte ich die Augen. ,,Und du denkst, dass ich nicht bereit dafür bin?" ,,Ich denke, dass du deine Kräfte sparen solltest." Sparen. Wie lächerlich. 

,,Du kannst mich davon nicht abhalten das weiß du, oder?" Damian blickte mir mit seinen unglaublichen blauen Augen in meine. ,,Aber ich kann dich davor warnen. Lass das lieber mich, Grayson, Ash und Mike machen." Ich hätte es mir denken können. Natürlich durfte die perfekte Ashley mitkommen. Für sie war das Ganze logischer Weise keine Gefahr. 

,,Und was soll der Rest tun?", fragte ich harsch und suchte mir einen anderen Punkt hinter Damian, den ich anstarren konnte. Seine Augen machten mich nervös. Ich fand einen Blumentopf, der nun meine Aufmerksamkeit bekam. Schön war er nicht gerade. ,,Der Rest kann sich schonmal auf das Schlimmste vorbereiten." ,,Das heißt, wir sollen üben?" Mein Blick streifte flüchtig seinen bevor ich wieder den Blumentopf betrachtete. 

,,Mike hat im Keller eine Art Übungsraum. Er gleicht dem im Spero. Es wäre gut, wenn du dort mit den anderen übst. Deine Kraft ist noch nicht vollkommen ausgereift." Wie bitte? Oh, vielen Dank. ,,Wenn du meinst." Die Idee gefiel mir ganz und gar nicht. Vermutlich würde ich mir morgen den ganzen Tag ausmalen, wie Ash mit Damian flirten würde. Schreckliche Vorstellung. 

,,Ich bin ziemlich erschöpft also gehe ich jetzt schlafen. Gute Nacht." Ich riss mich von dem Anblick des Blumentopfes los und drehte mich um. ,,Eve?" Damian griff nach meiner linken Schulter und drehte mich wieder zu sich. Abwartend starrte ich ihn an. Was wollte er noch? Mir sagen, dass ich bei der ganzen Sache überhaupt nicht mitmachen müsste? Weil meine Kraft noch nicht vollkommen ausgereift war? 

,,Ich will nur, dass du weißt, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, damit dir und Cathy nichts passiert." Blumentopf. Wo ist der Blumentopf? Verdammt. Ich konnte mich nicht von Damians Anblick losreißen. Doch nun war er es, der seinen Blick senkte. ,,Schlaf gut." Und mit diesen Worten ging er mit langsamen Schritten an mir vorbei. 

Ja, schlaf gut. 

Perdition - VerderbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt