Abschiedsbrief

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Lieber Tom,

kannst du dich noch an den Tag erinnern, an dem sie mich in das Auto gezogen haben? Der Tag, der nun bereits über ein Jahr zurückliegt, der Tag, an dem man uns trennte und du schriest, um mich nicht zu verlieren?

Sie haben mich weggeschafft, in eine psychiatrische Klinik. Die Klinik, in der ich jeden einzelnen Tag an dem verschmutzten Fenster in meinem Zimmer stand und aus diesem starrte, an dich dachte.

Ich wollte dich nicht vergessen, die Zeit mit dir. Du hast mir Hoffnung gegeben, selbst in den schwierigsten Zeiten. Ohne dich fühlte ich mich zersplittert, ausgelaugt, kraftlos.

Ich habe mich selbst aufgegeben. Es hatte keinen Sinn mehr. Meine Diagnosen reichten von Depressionen, über Anorexie bis hin zur Suizidgefährdung. Die Ärzte sagten mir ständig, dass sie mir helfen könnten.

Doch so war es nicht.

Niemand kann mir mehr helfen.

Ich kann meine Gefühle in den letzten Monaten nur schwer beschreiben, vielleicht will ich es auch gar nicht. Ich fühlte mich verlassen, betrogen, einsam, hoffnungslos und vor allem zersplittert.

Zersplittert bis in mein Inneres.

Doch selbst wenn ich irgendwann entlassen werden würde, wer würde dort noch auf mich warten? Außer dir habe ich niemanden mehr, der noch an mich glaubt, der für mich durch eine Wand aus Feuer gehen würde.

Und hier stehe ich nun, heute werde ich es tun. Ich werde mich dem Tod hingeben, mit ihm gehen und mein letzter Gedanke wird dir gelten. Und ich werde auf dich warten, dort, wo ich nun hingehe.

Nur noch eine letzte Bitte liegt auf meinem Herzen. Ich muss dich bitten, ein Buch über meine Geschichte zu schreiben. Du kennst sie, bis in jedes noch so kleine Detail.

Denn wenn ich nicht mehr da bin, möchte ich trotzdem, dass etwas von mir bleibt.

Und nun liegt es an dir, die richtigen Worte zu finden.

Und noch etwas letztes: Nenn die Geschichte Zersplittert.

ZersplittertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt