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Als ich am nächsten Tag die Augen aufschlug, erwartete mich die abgedunkelte Decke meines Zimmer's. Verwirrt setzte ich mich langsam auf, rieb mir die Augen und schaute zum Fenster. Es schien zu dämmern. Komisch, dachte ich. Hab ich so wenig geschlafen?

Die erschreckende Antwort auf diese Frage fand ich auf dem Sperrbildschirms meines Handy's. Es war 17 Uhr und mir blieb eine Stunde Zeit, um es zum Unterricht zu schaffen.

"Allah!" rief ich entsetzt und sprang hektisch aus meinem Bett. Total unkoordiniert sammelte ich Kleidung aus meinem Schrank und sprintete ins Badezimmer, wo ich mir mein Gesicht zu wusch, die Zähne putzte und mich schnell anzog. 10 Minuten später packte ich meinen Rucksack und rannte rasch aus dem Haus.

Alhamdoulillah, dankte ich innerlich meinem Schöpfer, als ich völlig ausser Atem die Bushaltestelle erreichte. Der Bus wartete an einer roten Ampel und hatte die Haltestelle noch nicht erreicht. Mit tiefen Atemzügen versuchte ich mein pochendes Herz zu beruhigen und drückte mir meine kalten Hände an die Wangen, damit diese nicht Rot werden würden. Es war Anfang November, die Sonne ging früh unter, es war kalt und Isha'a würde eintreffen, ehe ich vom Unterricht zurück sein würde. Ein Vorteil an der frühen Abenddämmerung war, dass Passanten meine Hektik nicht so leicht bemerken konnten und ich deshalb unbemerkt blieb.

Da ich den Bus bekommen hatte, schaffte ich es nach fieberhaftem Rennen noch rechtzeitig zum Zug und fand dort auch direkt einen Sitzplatz. Kaum hatte ich mich hingesetzt, sprang ich aber wieder auf. Ich hatte vergessen mich zu schminken! Zwischen den eng einander stehenden Fahrgästen eilte ich zur Zugtoilette und versuchte schnell, meine Augenringe zu verdecken und meine Augen frischer wirken zu lassen. Mit zittrigen Strichen füllte ich die Lücken meiner Augenbrauen und hoffte, einigermaßen wach zu wirken.

Ein letzter Strich und ich war fertig. Bescheiden betrachtete ich mich im Spiegel. Es war mir eigentlich egal, wie ich auf die Aussenwelt wirkte, denn auch, wenn ich nicht die Schönste war in mancher Augen, war ich zufrieden. Ich war gesund und hatte normale Gesichtszüge. Braune mandelförmige Augen, eine leicht afrikanische Nase, schmale und dennoch volle Lippen schmückten mein Gesicht. Meine Augenbrauen hatten keine besondere Form. Sie erinnerten gerne an Zeichentrickfiguren. Meine Wangenknochen stachen, trotz meiner marokkanischen Herkunft nicht hervor, lagen aber hoch. Die Gesellschaft hätte mich als gewöhnlich betitelt, aber in den Augen meiner Eltern und Familie, war ich alles andere als gewöhnlich. Und das war auch okay so. Ich war einzigartig in meiner eigenen Art und Weise, denn so hatte mich Allah swt erschaffen und so würde ich auch von dieser Welt gehen.

Dennoch hoffte ich, mit ein bisschen kosmetischer Hilfe jemandem gefallen zu können.

Jemand, bei dem ich nicht wusste, ob er überhaupt da sein würde. Samir. Ich hatte das Bedürfnis, ihm zu schreiben und zu fragen, ob er im IWI war. Da ich aber nicht voreilig sein wollte, schob ich es auf meinen Aufenthalt auf der Zugtoilette und eilte schnell raus. Der Shaytan hält sich an solchen Orten auf und ich verbringe noch Zeit drin? A3dhubillah...

Es fehlte nur noch eine Haltestelle, bis ich in Düsseldorf ankam und ehe ich mich versah, stand ich vor dem IWI. Erleichtert sperrte ich mein Handydisplay, während ich zum Unterrichtsraum schritt. Ich hatte noch 2 Minuten bis zum Unterrichtsbeginn.

"Salam aleikum, Mira." Verwundert und hoffnungsvoll fanden meine Augen die von Samir.

"Wa aleikum Salam wa rahmatullahi wa barakatuh." erwiderte ich seinen Friedensgruß schüchtern und blieb vor ihm stehen. Er stand alleine neben dem Brunnen und sah besser aus, als ich es in Erinnerung hatte. Ich bemerkte, dass er keine Jacke trug sondern nur einen Pullover und Jeans. War ihm denn nicht kalt?

"Du siehst schön aus. MashaAllah!" kommentierte er lächelnd. Ich spürte, wie meine Wangen erröteten und hoffte innerlich, dass die Kälte es retuschierte.

"BarakAllahou feek. Ich muss leider rein, sonst komm ich zu spät. Ich schreib dir später, okay?" schlug ich vor und machte Anstalt weiterzugehen. Er nickte freundlich und trat ohne etwas zu sagen beiseite. Mein Herz raste, als ich zum Unterrichtsraum ging und hörte auch nicht auf zu rasen, als sich die Tür hinter mir schloss. Er hat ein echt schönes Lächeln... kicherte ich innerlich und eilte auf meinen Platz neben Salma, welche mich neugierig beobachtete.

"SubhanAllah, du siehst so glücklich aus." bemerkte sie, nachdem wir uns begrüßt hatten.

"Echt?" fragte ich. Nickend musterte sie mich bewundernd.

"Ja. Das gefällt mir. Was hat dich denn heute so glücklich gemacht?" hakte sie nach. Ehe ich antworten konnte, rettete mich unsere Lehrerin mit dem Beginn des Unterrichtes. Ich freute mich allerdings zu früh, denn in dem Moment fiel mir ein, dass ich etwas vergessen hatte.

"Mist! Ich hab die Hausaufgabe nicht gemacht!" ärgerte ich mich entgeistert. Und leider auch laut.

"Das will ich jetzt nicht glauben, Mira! Du vergisst sie doch nie." Ich spürte die Blicke aller anderen auf mir. Kein Blick lag aber so schwer, wie der verwirrte Blick meiner Lehrerin. Beschämt, versuchte ich zu lächeln und entschuldigte mich.

Heute ist einfach so ein komischer Tag.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 08, 2017 ⏰

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MIRA - VersuchungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt