Chapter Fifteen: Ebbe und Flut

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Er war fort, einfach fort und ließ mich hier stehen. Nur langsam drangen seine letzten Worte zu mir durch. Ich taumelte fast zum Pult und ließ mich daran zu Boden sinken. Magie. Die Schatulle war ein magischer Gegenstand! Das hatte er gerade bestätigt und ich glaubte ihm. Er war nicht verrrückt.

Doch was bedeutete das für ihn und alle Geschichten, die er uns erzählt hatte? So weit, dass alles wahr war, konnte und wollte ich nicht gehen. Das würde bedeuten, dass ich, nein dass wir alle unser Leben lang eine Lüge gelebt hatten. Dass die Wissenschaft, alle Beweise, der Urknall, die Evolution, komplett falsch waren. Dass diese Schatulle mehr konnte, als ein normaler Mensch zu begreifen vermochte war eine Sache. Der Rest war nach wie vor unvorstellbar. Ich musste einen Schlusstrich hier und jetzt ziehen. Ich studierte Fächer, bei denen es ganz sicher nicht sinnvoll war an Magie zu glauben. Ich wollte nicht mehr wissen. Ich hatte genug erfahren. Sollte Aidan seine Geschichten nur weiter erzählen, ich würde ihm nicht mehr zuhören. Ich musste mich auf meine Zukunft konzentrieren einen vernünftigen Abschluss zu erreichen. Er würde irgendwann wieder gehen und er hatte jetzt schon viel zu viel Chaos in mir hinterlassen. Ich wusste, dass ich mich selbst verrriet, wenn ich nicht weiter dem Drang folgte mehr zu erfahren. Das war schon immer ich gewesen. Neugierig und mit der Hoffnung auf mehr hinter den Dingen. Ich liebte solche Geschichten, doch waren sie auch gefährlich für mich. Sie brachten mich von meinem Weg ab, von meiner geplanten Zukunft, meine Freunde entglitten mir und wusste, dass es nur einen Weg gab: ich musste Aidan und die nordischen Götter aus meinen Gedanken aussperren.

Und ich schien erfolgreich zu sein. In der kommenden Stunde nahm ich mir ein Beispiel an Jennifer, Liam und Cole. Zwischen letzterem und mir herrschte seit Samstag zwar Eiszeit und egal wie oft er sich auch entschuldigte, ich würde ihm das nicht so schnell verzeihen, wenn ich es überhaupt jemals können würde. Doch ich sprach nicht mehr gegen seine Witze, die er über jeden zweiten Satz machte, als wir wieder ein Stück aus der Edda lesen sollten. Ich ignorierte auch die neugierigen Blicke Aidans, die er mir immer wieder während der Stunde zuwarf. Er sollte nicht wissen, was ich über die ganze Sache dachte. Das schien ihn jedoch sehr wütend zu machen. Er war gereizter als sonst und als ein Junge auf der anderen Seite einen blöden Kommentar abgab, ballte er seine Hand so fest zu einer Faust, dass als er sie wieder öffnete reines Kreidepulver auf den Boden rieselte. Das hatte ich nun wirklich nicht gewollt. Doch konnte das nur an mir liegen, dass ich nicht die gewünschte Reaktion zeigte? Ich konnte es mir nicht vorstellen und doch ließ mich der Gedanke nicht mehr los, dass er viel zu Wert auf meine Meinung zu legen schien. Doch ich hatte einen Entschluss gefasst und selbst, als er verkündete nächsten Montag mit uns ins Museum zu fahren, was er mir letzte Woche angekündigt hatte, zeigte ich mich gleichgültig.

Als die Stunde vorüber war, hatte ich bereits meine Tasche gepackt und verließ das erste Mal mit meinen Leuten gemeinsam den Raum. Als er mich nicht zurückrief, atmete ich erleichert auf.

Wir verbrachten den Nachmittag am Strand mit lernen und sonnen, wie auch die zwei darauffolgenden. Donnerstag war es besonders schön. Große Wolken zogen bei leichtem Wind über den Himmel, und sorgten so für genügend Schatten, um nicht von der Sonne gebraten zu werden. Vicky und Olive hatten sich zu Jennifer und mir gesellt und wir saßen gemeinsam an einigen Aufgaben über die Gezeiten. Das Zusammenspiel zwischen Erde und Mond, die gegenseitigen Anziehungskräfte, die uns Ebbe und Flut bescherten. Alles war so angenehm, bis auf einmal Aidan in der Ferne auftauchte. Anscheinend machte er einen Spaziergang und kam immer näher. Unruhig suchte ich nach einer Möglichkeit zu verschwinden, doch sah ich keinen triftigen Grund so schnell zu gehen, ohne zu verraten, dass es nur wegen unserem Dozenten war und schon war er auf unserer Höhe angekommen. Er war barfuss, die schwarze Jeans hatte er mehrfach umgeschlagen, dass er im seichten Wasser gehen konnte. Sein Hände hatte er tief in den Hosentaschen vergraben und sein Blick ging in die Ferne. Wahrscheinlich hätte er uns gar nicht bemerkt oder ignoriert, wenn Olive nicht plötzlich  aufgesprungen wäre. "Hey Mister Laufeyson", rief sie ihm hinterher und rannte die wenigen Meter zu ihm.

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