Juan

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Gegenwart, Tural Sobrena, Oktober

„Hey..." das Mädchen lächelte ihn vielversprechend an, „Ich hätte gerne einen Smoothie. Ist der auch glutenfrei?" Sie warf ihre gestylten Haare über die Schulter und lehnte sich aufreizend über die Theke.

Das war jetzt neu für Juan. Er wusste gar nicht, dass Smoothie-Verkäufer so ein attraktiver Beruf war. „Ja, die sind alle Gluten frei. Wir haben Avocado und Quinoa Smoothies. Welchen hättest du gerne?" Er lächelte sie so nett an, wie Franck es ihm befohlen hatte.

„Was würdest du mir denn empfehlen?" sie warf sich kokett in Pose. „Also, welcher schmeckt besser?" flüsterte sie fast und leckte sich langsam über die Lippen. Juan hoffte, dass er sie missverstand, aber das war sehr unwahrscheinlich. Er wollte nichts von ihr. Sie roch auch nicht nach seinem Geschmack. So wie jeder andere Mensch halt.

Außerdem war Juan ein wenig empört. Vor so etwas hatte Franck ihm nicht im Geringsten gewarnt als er ihm seine Aufgabe erklärt hatte. Franck hatte wortwörtlich gesagt: „Okay, gut. Du hast kein Geld, dann musst du mich auf andere Weise bezahlen. Unter Hipstern vertrauen wir uns. Stell dich hier hin und verkauf Smoothies. Du wirst sehen, wie schwer das ist." Dann zauberte er eine Schürze von irgendwo her und überreichte sie Juan. „Hier, trag das. Dann sieht man dein zerrissenes Hemd nicht und du siehst mehr aus wie ein Verkäufer." Er pausierte kurz und hob dann einen grünen Smoothie hoch. „Die Avocado Smoothies kosten vier Turo und die..." er nahm den undefinierbar gefärbten Smoothie und hielt ihn Juan vor die Nase, „Quinoa Smoothies kosten fünf Turo. Nach zwei Stunden komm ich wieder. Hab' noch einen Termin beim Barbier. Deinen Überschuss darfst du behalten, kauf dir davon ein neues Hemd, am besten ein kariertes." Er klopfte Juan auf die Schulter und erinnerte ihn noch kurz: „Und nicht vergessen: Willst du was verkaufen, dann nicht hecheln, sondern lächeln!" Franck zog Juans Mundwinkel mit seinen Zeigefingern nach oben, verabschiedete sich mit einem erneuten Schulterklopfen und ließ Juan dann stehen. Er hatte ja keine Ahnung davon, was für einen Wortwitz sein Rat beinhielt.

Jetzt stand Juan hier und wurde von einem wildfremden Mädchen angemacht. Sie war ungefähr so alt wie er und wahrscheinlich auch attraktiv, aber doch nicht für Juan! Am besten, er ignorierte es einfach.

„Ich würde dir den Quinoa Smoothie empfehlen. Der ist wirklich lecker." Juan wollte einfach nur so schnell wie möglich seine zehn Turo zusammen haben, obwohl er noch immer nicht so genau wusste was ein Turo war. Er hatte schon zwei Avocado Smoothies verkauft, brauchte also theoretisch nur noch zwei Turo, aber drei Turo für ein neues Hemd oder Schuhe wären ja auch nicht verkehrt. Er dachte auch nicht im Entferntesten daran, Franck zu bestehlen. Dieser vertraute auf Juans Hipster-Ehre, auch wenn Juan noch nicht so genau verstanden hatte, was das war.

„Hmm..." Sie dachte nach, oder tat nur so um Juan weiter mit ihren Augen regelrecht auf essen zu können. Juan fühlte sich unwohl. Er mochte es nicht, so angestarrt zu werden, er wollte, dass sie so schnell wie möglich ging.

„Was willst du denn jetzt haben?" Er probierte seinen ungeduldigen Ton mit einem schiefen Lächeln wieder gut zu machen. Nervös wischte er sich seine Hände an der Schürze ab, dabei schwitzte er gar nicht. Er wollte nur dem Starr-Duell, was sie sich mit ihm liefern wollte, irgendwie entwischen. Leider missverstand sie seine Geste.

„Was ich haben will? Am liebsten deine Nummer." Sie klimperte mit den Wimpern und kam ihm über die Theke hinweg immer näher. Dann flüsterte sie: „Und ein romantisches Mittagessen."

Heimlich hatte sich Juan gewünscht, dass sie zu jedem Mann so wäre, aber nachdem er ihren ersten Wunsch gar nicht verstanden hatte, war ihre zweite Forderung umso deutlicher. Juan wusste nicht was er tun oder sagen sollte. Deswegen brach sie das Schweigen.

„Und ich nehme den Quinoa Smoothie." Sie lächelte verführerisch. Juan reichte ihn ihr und sie trank einen Schluck. Juan war sich sicher, dass normal trinken anders ging. Jedenfalls musste man ihn dabei nicht so komisch anschauen. Er setzte wieder sein Verkäuferlächeln auf.

„Du schuldest mir noch fünf Turo." Daraufhin zog sie einen Schein aus der Gesäßtasche ihrer hautengen Hotpants, hielt in zwischen Zeige- und Mittelfinger vor Juans Gesicht, aber reichte ihn ihm nicht.

„Und du schuldest mir noch deine Nummer." Juan zog ihr das Geld aus der Hand und legte es auf seine Seite der Theke.

„Tut mir leid, das geht nicht." Hoffentlich hatte er sie so abgewimmelt. Aber er hatte falsch gedacht. Sie kam noch näher und lächelte.

„Und wieso nicht?" Musste er es ihr jetzt wirklich sagen? Er hatte es bis jetzt nur vor Julian ausgesprochen. Juan seufzte innerlich. Sie schaute ihm, noch immer von sich überzeugt, in die Augen. Er schaute weg, auf den Fünf-Turo-Schein auf der Theke. Dann holte Juan noch einmal tief Luft und sprach es aus.

WolfsschreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt