Kapitel 6

58 12 10
                                    

Vor einer alten Holztür blieb er schließlich stehen und klopfte. Er öffnete die Tür und gab mir mit einer Geste zu verstehen, dass ich eintreten sollte. Gerade als ich mich umdrehen wollte, fiel die Tür wieder ins Schloss. 

Na super! Jetzt konnte ich mich dem Gespräch alleine stellen. Ein wenig Hilfe wäre nett gewesen. Ich hörte wie sich jemand räusperte und drehte mich in die entsprechende Richtung. Mitten im Raum auf einem gemütlich aussehenden Sofa saß der Obdachlose von heute mittags. Ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt, mit den frischen Klamotten, den gewaschenen Haaren und dem sauberen Gesicht. 

„Hallo Liebes.", sprach er mich freundlich an. „Danke, dass du gekommen bist. Ella richtig? Ich wollte mich persönlich bei dir für deine große Hilfe bedanken. Du hast mein Leben gerettet." Seine Augen funkelten und die Lebensenergie war nahezu spürbar. „Ich bin gerne gekommen und auf meine Hilfe können sie sich immer verlassen. Wenn sie etwas brauchen, wenden sie sich an Pater Georg. Er wird es mir ausrichten. Aber sagen sie mir eins, warum sind sie nicht sauer, wütend oder enttäuscht darüber, wie ich vor den anderen gehandelt habe?", stellte ich ihm ängstlich meine Frage.

„Ach Kind. Setzt dich doch zu mir. Schau hier ist noch Platz. Ich möchte dir gerne etwas erzählen. Auch wenn es scheint, als wäre ich nur ein alter gebrechlicher Mann, habe ich doch schon das ein oder andere erlebt. Manchmal ist nicht alles, so wie es scheint und manchmal scheint etwas so, wie es gar nicht ist. Weißt du, das Leben kann hart sein und man kommt nur durch, wenn man die richtigen Menschen an der Seite hat. 

Ich habe einen dieser Menschen heute in dir gefunden und wer weiß, vielleicht findest du ihn ja schon morgen." Seine Worte erinnerten mich an die Nacht, als die Sternschnuppe über den Himmel zog und ließen mich an meinen Herzenswunsch denken. >>Ich wünsche mir jemanden, dem ich so sehr vertrauen kann, dass ich endlich bereit bin, meine Fassade abzulegen und mein wirkliches Ich zeigen kann. Jemanden, dem ich nahe sein kann, ohne Angst haben zu müssen, dass er am nächsten Tag verschwunden ist. Jemanden, der mich zum Lachen bringt und mir wieder das Gefühl von Glück zurückgibt. Jemanden der immer für mich da ist und meine Einsamkeit vertreibt. Ich wünsche mir eine Person, die ich lieben kann und die mich genauso liebt.<< 

„Sind sie mir denn gar nicht böse, dass ich sie vor meinen Freunden verleugnet habe?", stellte ich zaghaft meine nächste Frage. „Nein ganz und gar nicht. Diese jungen Männer waren nicht deine richtigen Freunde und aus diesem Grund brauchst du auch kein schlechtes Gewissen haben. Deine wirklichen Freunde hingegen würde ich schon gerne einmal kennen lernen.", er zwinkerte mir zu. 

Ohne es zu wollen färbten sich meine Wangen Rot. „Wenn das bloß so einfach wäre.", flüsterte ich in die Stille. Willi sah mich an und überlegte kurz. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. „Ich werde dir eine Geschichte erzählen. Besser gesagt meine Geschichte. Vielleicht fühlst du dich danach ein wenig besser. Ein Versuch ist es auf alle Fälle wert. Also hör gut zu. 

Ich wurde als Bauernsohn in ärmlichen Verhältnissen geboren. Meine älteren Geschwister wurden von meinem Vater der Reihe nach in den Betrieb eingeführt, doch für mich war dort kein Platz. Du musst wissen, ich bin nicht gerade sehr begabt, was körperliche Arbeit betrifft und so war ich vollkommen nutzlos für meine Familie, zumindest waren das ihre Ansichten. Schon mit neuen wurde ich von zu Hause weggeschickt und fand erst Tage später, nachdem ich bereits kurz davor war aufzugeben, eine Hütte im Wald. 

Mein Weg führte mich wie durch Zufall zu ihr und ich beschloss, neugierig wie ich war, nachzusehen. Wie sich herausstellte, war die Hütte verlassen und deshalb betrat ich sie. Die Türe war zum Glück nicht abgesperrt und ließ sich ohne Probleme öffnen. Tja mit dem, was dann passierte, hatte ich allerdings nicht gerechnet. Kaum war ich durch die Tür, sprang mich etwas von der Seite an und warf mich um. 

Sternenkuss- Unter Sternen erwacht #GoldenAward18, #brilliants18, #BeginnerAwardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt