Als wir landeten, war ich müde. Müde wegen des Schlafmangels, aber auch wegen des Streits und all dieser Aufregung. Gleich nach der Landung stieg ich aus und lief zum Haus. Schweigend. Dave war direkt neben mir. Cora lächelte und an der Tür entgegen, doch als sie meinen Blick bemerkte, nahm sie mich sofort in den Arm, als ich ankam.
Wir gingen in unser Zimmer. Und dort erzählten Dave und ich ihr alles. Erst, wie gut es verlaufen ist. Dass Uriel zugesagt hatte und von den Küssen. Dann wie alles am Frühstückstisch den Bach hinunter gegangen war. Nur wegen einem Namen; Freya. Von ihr erzählte Dave ihr. Er konnte das besser.
"Ich hasse sie", kam es von ihr, als wir fertig waren. Ich nickte. Oh ja, dachte ich, ich auch. Doch Raphael liebte sie scheinbar noch. Und das war das gefährliche an der ganzen Sache. Dave fürchtete, er würde ihr nachgeben, wenn sie auftauchen würde. Und das wird sie, da waren wir uns sicher. Warum sollte sie nicht? Vermutlich hatte Gabriel ihr Europa versprochen, wenn sie siegten.
"Freya hätte sterben sollen. Dann hätten wir wenigstens eine Chance", sagte jemand in der Tür. Ich sah hin. Es war Skylar. Sie musste Freya kennen. Nachdem sie die Tür schloss, setzte sie sich auf ihr Bett. "Wir wissen doch alle, was Raphael machen wird." Das klang, als könnte er sich nicht auch anders entscheiden. Doch das konnte er. Die Zukunft war noch nicht geschrieben.
Aber Dave schien der gleichen Meinung zu sein. Hatten sie so wenig Vertrauen in Raphael? Ja, ich war wütend, weil er sie mir vorzog. Doch dennoch konnte ich nicht glauben, dass er einfach kapitulieren würde. Hier ging es schließlich nicht um sie. Das ist eine Sache zwischen Gabriel und Raphael.
Dann fragte ich nach Coras Tage. Um das Thema zu wechseln. Sie begann zu strahlen. "Du warst nicht die einzige, die einen Kuss hatte", gab sie zu und biss sich auf die Unterlippe. Sie und Azzurra also. Nun grinste ich. "Erzähl mir alles", sagte ich. Und so sprach sie davon, wie Azzurra und sie so gut wie die ganze Zeit zusammen waren. Bis es schließlich am Abend dazu kam. Es klang so romantisch. Ich freute mich für sie.
Wir verbrachten noch die ganze Zeit bis zum Schlafengehen mit reden. Oh wie sehr ich sie vermisst hatte. In der Nacht wachte ich zu dem Lärm von Sirenen auf. Das hatte ich nicht vermisst. Den Alltag des Kriegs. Schnell stand ich auf und zog mir eine Strickjacke drüber. Die anderen zwei warteten nur auf mich, bevor wir uns auf den Weg zu dem Bunker machten.
Dort saßen wir dann wieder. Im engen Raum. Voller Engel und Menschen. Ob sie schon hier waren? So schnell? Laut Dave hat Raphael es jedoch schon schicken lassen, bevor wir in Afrika los geflogen sind. Und ich konnte mir vorstellen, dass Gabriel so schnell reagierte. Dave war jedoch nicht hier. Genauso wenig wie Azzurra. Sie kämpften draußen und ich erwischte mich dabei, dass ich innerlich betete, damit sie überleben.
Auch Raziel hatte ich noch nicht gesehen. Ob er auch draußen war? Oder in Raphaels Raum? Wir würden es wohl erst später erfahren. Oder nie. Denn dieses mal waren wir recht schnell wieder auf dem Rückweg. Dave hatte uns geholt. Er war noch am Leben. Malia war bei ihm. "Jemand ist dort drinnen", sagte sie. Ich blickte zum Haus.
Dave hatte sein Schwert draußen. Malia ebenfalls. Raphael war irgendwo hinter uns. Vielleicht hätte ich ebenfalls weiter nach hinten gehen sollen. Aber ich hatte ja Dave und Malia. Außerdem konnte ich kämpfen. Irgendwie. Also gingen wir hinein. Das Licht war im Esszimmer an. Vorsichtig gingen wir hin.
Dort saß jemand auf dem Tisch und trank etwas aus einer Tasse. Eine Frau. Sie hatte langes rotes Haar. Und sie war komplett in schwarz gekleidet. Auf ihren Lippen bildete sich ein Lächeln, als sie uns sah, doch Dave hob das Schwert.
"Nana Dave, müssen wir da etwa wieder durch?", sagte sie und grinste nun leicht. Ihre Tasse stellte sie ab, bevor sie vom Tisch sprang. "Du wirst mich nicht töten", fuhr sie selbstsicher fort. "Raphael zuliebe." Und dann machte es bei mir klick. Das war Freya. Sie war hier. Bei Raphael im Haus. Und das machte mich wütend. Doch ich schwieg. Ich hatte nicht vor, mich in Schwierigkeiten zu bringen.
Freya kam näher und begutachtete nun Cora und mich. Verwirrt hob sie ihre Augenbrauen und sah zu Dave. "Menschen? Wirklich?", sagte sie. Scheinbar hielt sie nichts von uns. Irgendetwas mussten die meisten Engel ja gemeinsam haben. Und wenn sie auf Gabriels Seite stand, dann würde sie auch seine Meinung teilen.
"Ihr seid wie Ungeziefer", sprach sie weiter und sah wieder zu uns. Nun wirkte sie angewidert. "Ich kann es kaum erwarten, bis ihr alle von der Erde verschwunden seid." Ja, sie hasste Menschen tatsächlich. Cora machte Anstalten, etwas zu sagen. Doch ich hielt sie zurück. Nicht der beste Augenblick für ein großes Mundwerk, dachte ich.
Malia stellte sich leicht vor Cora, was mich überraschte. Sie mochte uns doch genauso wenig. Tat sie es, weil das ihr Auftrag war? War sie Raziel gegenüber tatsächlich so loyal? "Wisst ihr", begann Freya wieder und sah auf ihre Nägel, bevor sie ihr Schwert zog. "Ich kann sie schnell für euch loswerden. Wie früher." Wie früher? Hatte sie das etwas getan? Menschen umgebracht?
Immer wenn man denkt, dass jemand einem nicht noch unsympathischer werden kann, legt dieser wohl noch einen drauf. Freya war grausam und ich verstand nicht, wie Raphael für sie Gefühle aufbringen kann. Sie schien nicht, als sei dieses Verhalten erst kürzlich aufgetreten. Nein, es wirkte, als sei sie schon immer so gewesen.
"Das wäre ein Fehler, den du bereust", kam es von Dave. Erneut hob Freya die Augenbraue. Aber dieses mal amüsiert. "Komm Dave, Raphael kann sich jederzeit neue Diener holen", sagte sie und schmunzelte böse. Wie oft er diese wohl früher gewechselt hat? Langsam kam mir der Gedanke, dass die Gerüchte von früher stammen mussten. Als sie noch hier lebte.
"Wird er aber nicht", sagte Malia dann. "Und wenn du die zwei tötest, werden dich weit mehr jagen als du glaubst." Das schien Freya nur weiter zu amüsieren. "Ach wirklich? Und wer? Wer kümmert sich denn schon um zwei jämmerliche Menschen", meinte sie lachend. Es fiel mir schwer, mich zusammenzureißen. Jämmerlich? Das waren wir definitiv nicht.
"Ich zum Beispiel", entgegnete Dave. "Denn mir gefällt der Gedanke nicht, dass du eine Freundin umbringst." Nun wirkte Freya überrascht. Hatte sie nicht damit gerechnet, dass Dave menschliche Freunde haben würde? Auch Uriel war überrascht, also schien niemand damit gerechnet zu haben.
"Du hast dich mit einem Menschen angefreundet?", wollte sie wissen und musterte uns nun erneut, was mir unangenehm war. Dave zuckte mit den Schultern, als sei das keine große Sache, obwohl es das, was ihn betraf, wohl so war. Freya wollte gerade etwas sagen, doch plötzlich wirkte sie ganz anders.
Etwas Angst stand ihr sogar ins Gesicht geschrieben. Ich drehte mich um. Raziel hatte den Raum betreten. Ohne seinen Bruder. Wo Raphael wohl war? "Reicht es dir nicht, dass ich dich einmal fast getötet habe? Hast du wirklich einen so großen Todeswunsch?", wollte er wissen und trat näher. Gleichzeitig ging Freya ein paar Schritte zurück.
Bei normalen Engeln hatte sie also einen großen Mund. Aber sobald es um einen Erzengel ging, schien sie Angst zu bekommen. Sie kannte Raziel. Er hatte sie einmal fast getötet. Und es gab keinen einzigen Grund, weshalb er es jetzt nicht noch einmal versuchen sollte.

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New World
Teen FictionGeschrieben wird das Jahr 2067. Menschen hatten schon seit Jahrzehnten keine Rechte mehr auf der Erde. Sklaven, Dienstmädchen - das waren sie nun. Die neue vorherrschende Rasse: Engel. Sie versklavten und töteten die Menschen nach Lust und Laune. J...