Chapter 22

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Kurz nach dem Frühstück war Alex nach Hause gegangen, um sich frische Klamotten anziehen zu können und sein Auto von der Werkstatt abzuholen, die angerufen hatte, als er noch bei mir gewesen war.

Irgendwie war ich erleichtert, als er nicht mehr da war. Nicht, weil ich seine Anwesenheit nicht in vollsten Zügen genoss, sondern weil er mich immer mehr verwirrte und verunsicherte, je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte. Während ich Musik hörte, kramte ich das zweite Regal ein, das ich am Vortag noch nicht geschafft hatte.

Ich liebte es, einzurichten und umzudekorieren, hatte aber in der Studentenwohnung, in der ich die letzten vier Jahre gewohnt hatte, nicht wirklich viele Chancen dafür gehabt. Als ich die ganzen Bücher auf das Regalbrett stellte, fiel mir wieder einmal auf, dass ich in letzter Zeit viel zu wenig gelesen hatte. Vielleicht würde ich nach Selenas und Jasons Hochzeit ja noch einmal dazu kommen. Ich hoffte es jedenfalls.

Um die Mittagszeit herum machte ich mich dann auf den Weg zur Wohnung von Selena, in der sie sich mit mir und Darcy treffen wollte. Auch wenn sie mich beide ausfragen würden, freute ich mich auf diesen Mädelsnachmittag. So wie ich uns kannte würden wir sowieso später irgendeinen Film gucken oder eine Serie anfangen und die gut aussehenden Hauptdarsteller anschmachten.

Klar, Selena und Darcy waren vergeben, aber so sehr wie die beiden ihre Freunde liebten, würde es sowieso kein noch so heißer Schauspieler schaffen, ihre Herzen zu gewinnen.

Die einzigen Filme, gegen die ich mich immer wehrte, waren total kitschige Liebesfilme, weil ich einfach nicht verstehen konnte, warum man sich so etwas angucken konnte. Darcy meinte immer, dass diese Filme eine schöne Abwechslung zur harten Realität seien, aber da konnte man sich doch genauso gut einen guten Fantasy-Film anschauen, oder nicht?

Noch immer in Gedanken klingelte ich an der Haustür und wurde sofort von Selena hineingebeten. Im Wohnzimmer saß auch schon Darcy in einem der Sessel und grinste mich an.

„Hey", meinte sie an mich gewandt und ich begrüßte meine zweite beste Freundin auch.

„Selena meinte, du hättest uns etwas zu sagen", sagte sie danach und grinste. Mein Gesichtsausdruck sah also wahrscheinlich so gequält aus, wie ich mich fühlte. Schön zu wissen.

„Das meinte sie also."

„Ja, das meinte ich." Selena war hinter mir aufgetaucht und grinste, während sie sich neben mir und Darcy aufs Sofa fallen ließ. „Komm schon, erzähl! Ich habe dir auch immer von Jason und mir erzählt."

Angewidert verzog ich das Gesicht. Einmal hatte sie erzählt, wie sie mit ihm in einem Eiscafé rumgeknutscht hatte und das waren echt zu viele Details für mich gewesen. Jason war und blieb nun mal mein Bruder.

„Na gut, dann erzähle ich halt zu wenig, aber du erzählst definitiv zu viel. Ich werde das Bild von dir und Jason nie loswerden." Ich schüttelte mich und Selena brach darauf in Gelächter aus.

„Nicht schlecht, der Versuch, uns abzulenken. Aber wir kennen dich viel zu gut, um darauf reinzufallen", steuerte Darcy bei und beugte sich vor. „Na los."

Ich seufzte. „Was soll ich denn sagen? Alex hat bei mir übernachtet." Darcys Augen wurden groß und ich schüttelte schnell den Kopf. „Nein, nein. Nein, nicht so. Es hat geregnet und ich wollte ihn nicht durch den Regen nach Hause laufen lassen."

„Awww! Ihr wart schon immer total süß zusammen", quietschte Selena und auch Darcy lächelte.

„Ja ja. Wir waren schon immer süß zusammen. Das habt ihr mir bei jedem Gespräch über Jungs gesagt. Auch als ich weg war, jedes mal, als wir geskypt haben, habt ihr Alex erwähnt. Ich meine, ich habe euch das nicht übel genommen, er war nun mal immer noch euer Freund, aber er ist der verdammte Grund dafür, dass ich seit vier Jahren keine Beziehung mehr hatte, die länger als zweieinhalb Wochen gedauert hat."

Als ich von dem Kissen, auf das ich gestarrt hatte, aufblickte und in die geschockten Gesichter meiner Freundinnen sah, tat mir mein Gefühlsausbruch sofort leid. Mit mir gingen eigentlich selten die Gefühle durch, aber irgendwann hatte sich einfach zu viel in mir aufgestaut. Es ist nicht gut, alles in dich reinzufressen hatte Jason mir immer gesagt - und er hatte Recht gehabt.

„Sorry", begann ich atemlos. „Ich wollte euch wirklich nicht so anschreien. Tut mir leid. Wie gesagt, ihr könnt nichts dafür. Überhaupt nicht."

„Alles gut", meinte Selena noch immer leicht geschockt, ehe sie sich vollkommen wieder fasste. „Im Ernst, ich finde es gut, dass du dir das alles mal von der Seele geredet hast. Was meinst du, warum ich dich immer so ausfrage? Klar, weil es mich interessiert und so, aber mir war klar, dass du dich viel bedrückter fühlst, als du immer gesagt hast. Geht's dir jetzt besser?"

Ich atmete kurz durch. „Ja, viel besser." Ich fühlte mich wirklich, als wäre jetzt alles viel leichter. „Sorry nochmal."

„Wirklich, du musst dich doch nicht entschuldigen", meinte jetzt auch Darcy. „Ich bin froh, dass es dir jetzt besser geht. Es tut gut, sich mal alles von der Seele zu reden."

„Stimmt", sagte ich und Selena nickte, bis ihr Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck annahm.

„Wie lange hat deine längste Beziehung gedauert, hast du gesagt?"

„Zweieinhalb Wochen", grummelte ich so, dass es keiner verstehen konnte und starrte auf den Boden.

„Was?"

„Zweieinhalb Wochen." Keine von beiden sagte etwas oder äußerte sich irgendwie abfällig darüber, auch wenn ihnen gerade wahrscheinlich erst so richtig klar geworden war, wie abhängig ich von Alex eigentlich gewesen war.

„Ähm", ich räusperte mich. „Wollen wir jetzt den Film gucken, von dem ihr letztens erzählt habt?" Die beiden wussten hundertprozentig, dass das nur ein weiterer Versuch war, das Gespräch vom Thema meines Liebeslebens abzulenken, aber keiner sagte etwas dagegen. Darcy nickte und Selena sprang freudig auf, um den Film einzulegen, von dem die beiden mir vorgeschwärmt hatten.

Trying not to love youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt