In meinem Kopf konkurrierten gerade zwei Gedanken. Mich umdrehen und verschwinden, weil ich seinen Blick und seine Nähe nicht aushielt. Oder zu ihm gehen, obwohl er mich verletzt hatte, weil nicht in seiner Nähe sein mich auch wahnsinnig machte.
Ich seufzte leise und blieb dann einfach stehen. Beide Varianten waren natürlich blöd gewesen, aber ich hatte mir meine Gedanken ja wirklich nicht ausgesucht.
Auf einmal spürte ich, wie mir jemand von hinten auf die Schulter tippte und ich drehte mich zu Darcy um, die mich anlächelte. Dankbar, geradezu von Alex wegschauen zu müssen, wandte ich mich ihr zu.
„Du siehst gut aus", meinte ich. „Kyle konnte eben schon kaum die Augen von dir lassen." Sie lächelte und blickte unwillkürlich zu Kyle hinüber, der in der Nähe von Alex stand. Ich war mir sicher, dass er sie bald zum Tanzen auffordern würde. Auch wenn er nicht gern tanzte, wusste er, dass Darcy es tat und für sie würde er alles tun.
„Danke", sagte Darcy. „Du aber auch. Hellblau steht dir. Und im übrigen gibt es da auch jemanden, der die Augen nicht von dir lassen kann." Mir war klar, auf wen sie anspielte und ich seufzte.
„Ich kann meinen Blick ja auch nicht von ihm lassen. Aber es ist kompliziert." Ich sah sie an und hoffte, dass sie verstand, dass ich einfach noch nicht bereit war, darüber zu sprechen. Sie lächelte mich ermutigend an.
„Hey, schon okay. Ich bin nicht nach hier gekommen, um dich dazu zu zwingen, etwas zu sagen, was du nicht willst. Ich wollte dir nur sagen, dass Selena und ich für dich da sind, wenn du reden möchtest." Mir wurde warm ums Herz und ich musste auch unwillkürlich lächeln.
„Danke."
„Darf ich kurz unterbrechen?", ertönte es auf einmal von hinten und Darcy und ich drehten uns zu einem grinsenden Kyle um. „Ich würde meine Freundin gerne für einen - oder mehrere - Tänze entführen." Ich lächelte immer noch, als Darcy, die strahlte, sich von ihm auf die Tanzfläche führen ließ.
Der Rest der Hochzeit verging wie im Flug. Ich versuchte nicht mehr an Alex zu denken, aber irgendwie erinnerte mich einfach alles auf der Hochzeit an ihn. Die Blumenbouquets, für die wir mit Selena ihm Blumengeschäft waren. Die Platzkärtchen, über die wir diskutiert hatten. Die Hochzeitstorte, für die wir zusammen im Café Kuchen probiert hatten.
Später, als schon einige der Gäste gegangen waren, verabschiedete ich mich dann schließlich auch, nicht nur von Selena und Jason, die wie Honigkuchenpferde strahlten, sondern natürlich auch von den anderen Gästen, die ich kannte und mochte. Nur zu Kyle ging ich nicht, denn der stand zu dem Zeitpunkt mit Alex zusammen und ich konnte noch nicht einfach auf Alex zugehen und so tun, als wäre nichts passiert, als täte es nicht mehr weh.
Ich sagte Darcy, dass sie Kyle schöne Grüße von mir bestellen sollte und sie runzelte zwar erst ein wenig die Stirn, sah mich dann aber verständnisvoll an, als ihr Blick meinem zu Kyle und Alex gefolgt war.
Meine Mum wollte noch etwas bleiben, aber ich hatte kein Problem damit, ein Taxi nach Hause zu nehmen, ich war ja mit ihr in ihrem Auto gekommen. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie wusste, dass etwas im Busch war, als ich mich von ihr verabschiedete.
Wäre sie nicht so sensibel und hätte nicht gemerkt, dass ich nicht darüber reden wollte, hätte sie bestimmt gefragt, warum ich nicht bei Alex war, wo wir doch vor und auch nach meinen College-Jahren so unzertrennlich gewesen waren. Natürlich würde ich irgendwann darüber reden können, warum er mich so verletzt hatte, die Frage war nur, wann irgendwann sein würde.
Ich fühlte mich deutlich besser, als ich zuhause auf dem Sofa saß und das Buch aufschlug, das ich noch nicht zu Ende gelesen hatte. Nicht, dass ich mich für Selena und Jason nicht freute und die Hochzeit nicht total toll gefunden hatte, aber zum Ende hin war es mir doch immer schwerer gefallen, nicht an Alex zu denken.
Als ich etwa zwei Stunden - jedenfalls vermutete ich, dass es so lange gewesen war - gelesen hatte, klopfte es an der Wohnungstür. Seufzend blickte ich auf mein Handy, ob mir irgendjemand geschrieben hatte, dass er vorbei kommen wollte, aber ich hatte keine neuen Nachrichten, also stand ich auf.
Normalerweise hätte es nur Leyla an der Türe sein können, da sie fast die einzige meiner Nachbarn war, die ich schon kannte, und es hatte ja geklopft und nicht geklingelt. Andererseits wüsste ich aber auch keinen Grund, warum sie so spät noch zu mir kommen sollte.
Als ich die Tür öffnete und sah, wer da stand, versuchte ich direkt wieder, sie zu schließen, doch er stellte einen Fuß dazwischen, um mich daran zu hindern. Alex Grayson sah mich an, während ich an seinem Kopf vorbei ins Treppenhaus starrte.
„Elena." Mein Kopf zuckte in seine Richtung, als er sanft meinen Namen aussprach, aber ich blickte schnell wieder weg.
„Wie bist du hier rein gekommen?", fragte ich, während ich immer noch geflissentlich Augenkontakt vermied.
„Leyla hat mich reingelassen."
„Hm." Ich würde ihr wohl mal sagen müssen, dass Alex - wenn er zu mir wollte - bei mir klingeln sollte, damit ich entscheiden konnte, ob ich ihn ignorieren würde oder nicht.
„Beantwortest du mir eine Frage?" Ich überlegte. Er würde sowieso nicht gehen, bevor ich zugestimmt hatte und so sehr ich seine Nähe genoss, im Moment tat sie mir mehr weh als gut.
„Wenn du dann gehst." Alex seufzte, protestierte aber nicht.
„Stimmt es?" Verwirrt blickte ich ihn zum ersten Mal - seit er gekommen war - an und er sprach weiter. „Stimmt es, dass du in mich verliebt bist?"
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Trying not to love you
RomanceVier Jahre können eine echt lange Zeit sein, in der sich alles ändern kann - oder eben auch gar nichts. Das stellt zumindest Elena Spencer fest, als sie nach einem vierjährigen College-Aufenthalt wieder nach New York zurückkehrt. Ihre Freunde sind i...