Sieben.

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Harry wachte am Montagmorgen auf, in völliger Dunkelheit, es war weit vor sieben Uhr. Er hörte nichts außer das Ticken der Uhr. Keinen anderen Atemzug. Kein Bauchknurren. Er spürte keinen anderen Körper neben sich. Schlagartig setzte er sich auf und knipste das Licht der Lampe auf seinem Schreibtisch an. Das Bett neben ihm war leer und die Decke lag so, als wäre sie zwar benutzt aber vor kurzem verlassen worden. Harry schluckte und fuhr sich durch die Locken. Misstrauisch stand er auf und öffnete die angelehnte Schlafzimmertür.

„Avery?" Es kam keine Antwort. „Avery, bist du da?" Er hörte kein rauschendes Wasser der Dusche und auch keinen Fernseher. Er durchsuchte eilig die Wohnung doch Avery schien weg zu sein.

„Shit", murmelte er und setzte sich auf einen Küchenstuhl. Den Unterarm stützte er auf die Rückenlehne und lehnte den Kopf dagegen. Avery war tatsächlich gegangen. Sie hatte ihm versprochen zu bleiben und war nun abgehauen, bevor er aufwachte? Sie hatte den Ersatzschlüssel und konnte nun immer in die Wohnung, wenn er nicht da war. Sie konnte ihn bestehlen oder seine Wohnung in Brand setzen und er würde es nicht merken. Unruhe machte sich in Harry breit und er überlegte, was er nun tun sollte. Zuerst müsste er ein wenig abwarten, vielleicht tauchte sie ja wieder auf. Vielleicht war sie nur einen Spaziergang machen, auch wenn sie nicht wie jemand wirkte, der morgens um halb sieben Spaziergänge machte. Aber er wusste nicht, was ihre Rituale waren und wie sie die Morgen unter der Woche verbrachte. Wohl fühlte er sich dennoch nicht. Er schaute aus dem Fenster auf die Straße, sah aber nicht viel. Die Sonne ging auf, doch kaum eine Menschenseele war um diese Uhrzeit unterwegs. Er musste selbst erst um neun auf der Arbeit sein, sonst stand er immer gegen acht auf. Er erhob sich und durchsuchte die Wohnung nach einem Zettel oder irgendeiner Notiz die ihm sagen würde, wo Avery sein mochte. Er glaubte ihr, was sie gesagt hatte. Sie war ihm unendlich dankbar, deshalb ging er nicht davon aus, dass sie ohne ein Wort zu hinterlassen gehen würde. Harry stöhnte auf, als er erfolglos blieb und starrte eine Weile im Flur an die graue Wand. Der Laminat knackte an der Stelle, wo er zum Stehen kam, ansonsten war es still. Harry mochte die Stille in seiner Wohnung, er war gerne mal allein mit seinen Gedanken. Doch in diesem Moment wünschte er sich, er wäre nicht allein. Er war dabei, die Gedanken des Mädchens zu durchschauen und sie kennenzulernen, da konnte man sie ihm doch nicht einfach wieder wegnehmen! Versunken in seinen Gedanken hörte er erst im letzten Moment, wie die Wohnungstür aufging und jemand hineinpolterte. Harry starrte die Brünette an, welche ihn noch nicht bemerkt hatte. Sie verzog das Gesicht, weil sie hoffte, ihn durch ihren Lärm nicht aufgeweckt zu haben und zog sich ihre Schuhe aus. Die Brötchentüte in ihrer Hand wollte sie in der Küche auf den Tisch legen, doch sie sah, dass jemand vor ihr auf dem Flur stand.

„Harry", stellte sie tonlos fest. Sie versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie sich erschrocken hatte. Der Angesprochene starrte sie weiterhin mit offenem Mund an. Er blickte kurz auf die Tüte in ihrer Hand, dann wieder in ihr Gesicht, auf welchem sich nun ein Lächeln ausbreitete.

„D-du warst Brötchen holen?", fragte er vorsichtig nach.

„Ähm, sieht wohl so aus, ja."

Nun fiel ihm ein Stein vom Herzen und ohne drüber nachzudenken lief er auf sie zu und drückte sie sanft an sich. „Ich dachte du wärst abgehauen. Ich habe mir solche Sorgen gemacht, oh man. Das tut mir leid, ich vermute immer gleich das schlimmste. Ich ... Ich bin froh, dass du hier bist", gab er leise zu und spielte etwas mit seinen Fingern in ihren Haaren herum.

„Warum sollte ich abhauen? Dann würde ich morgens nicht mehr diese leckeren Brötchen serviert bekommen. Heute dachte ich mir, dass ich einfach mal losgehe und dir quasi Frühstück ans Bett mache. Als Dankeschön." Avery grinste fröhlich.

Beim Frühstück sagte sie dann: „Ich werde heute übrigens noch ein paar Sachen von Zuhause holen, wenn das okay ist. Meine Eltern sind jeden Montag den ganzen Tag unterwegs, das machen sie seit Jahren so. Ich bin also ungestört. Außerdem suche ich im Netz mal nach ein paar Einrichtungen, in denen Jugendliche bis zur Volljährigkeit leben können, wenn sie nicht bei ihren Eltern wohnen möchten."

Miracle ➳ Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt