11 Kampf oder Flucht?

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Stiles und sein tierischer Hausgast begannen immer besser, sich aufeinander einzuspielen. Sie verstanden sich großartig; der Wolf war brav, ließ Stiles in Ruhe seine Arbeit erledigen und fing erst dann damit an, das Mobiliar des Hauses auseinanderzunehmen, wenn seine Langeweile gar zu groß wurde. Jedoch geschah dies meistens genau in jenen Augenblicken, wo ohnehin eine Pause oder der Feierabend angezeigt war, insofern sorgte das Tier im Grunde genommen bloß für Ausgeglichenheit und Wohlbefinden bei seinem Menschen, richtig?

Und wenn Stiles dann ansonsten nichts Sinnvolles mehr zu tun hatte, schlug endlich Miguels große Stunde: Er forderte liebevolle und ausdauernde Fellpflege für sich ein und ließ sich kraulen und schmusen, bis Stiles die Hände müde wurden.

Kurz gesagt, zwischen diesen beiden herrschte Harmonie!

Der Mensch hatte sich sogar damit abgefunden, dass es des nachts eben eng in seinem Bett wurde, denn der Wolf akzeptierte einfach keinen anderen Schlafplatz, als ganz dicht an seiner Seite. Dafür fror Stiles nun aber auch nie mehr, denn wenn Miguel etwas konnte, dann war es einen so richtig schön warm zu halten!

Ein Problem gab es jedoch. Stiles hatte bereits seit gestern nichts mehr gegessen und seinem Wolf zum Frühstück die allerletzten Cornflakes, mit der verbliebenen Pulvermilch dazu offeriert. Das Tier hatte diese große Geste allerdings nicht im Geringsten zu würdigen gewusst und den Menschen angeschaut, als ob dieser ihn vergiften wollte. Schließlich hatte Miguel sich dann aber doch noch über diese Mahlzeit hergemacht, jedoch nicht, ohne deutlich zu signalisieren, dass es eine Zumutung war, einen stolzen Wolf mit Futter für zahnlose, erbärmliche Menschenkinder abspeisen zu wollen!

Nun waren die Vorräte endgültig aufgebraucht und Danny würde frühestens morgen mit der neuen Lieferung kommen; zumindest sofern das Wetter mitspielte.

Stiles hatte keine Ahnung, was er und Miguel bis dahin tun sollten?

Ein Lichtblick war jedoch, dass Miguels Ringen mit dem Tod vor wenigen Tagen mittlerweile nur noch eine schaurige Erinnerung war. Das Tier humpelte nicht einmal mehr, als habe es die Schussverletzung niemals gegeben. Stiles fragte sich schon heimlich, ob sein verfressener Hausgast vielleicht so eine Art genetisches Experiment sein mochte, denn er kannte kein Säugetier, dass so schnell heilte, wie er es tat.

Und dies war ja nur ein Punkt in der langen Liste der Merkwürdigkeiten in Bezug auf diesen Wolf!

Seit gestern hatte Stiles damit begonnen, Miguel auf seine Exkursionen mitzunehmen.

Es war ein Test. Der Mensch wollte sehen, ob es den Wolf zurück in die Wildnis zog, oder ob er wirklich gern und freiwillig bei ihm blieb. Stiles jedenfalls würde auf keinen Fall versuchen, seinen vierbeinigen Freund mit Gewalt an sich zu binden.

Es war Mitte Dezember und die Tage in dieser Region Alaskas waren kurz. Nicht einmal drei Stunden Tageslicht waren ihnen vergönnt, doch die wollte der Wissenschaftler nutzen, so gut er konnte, weshalb er nun stets im Dunkeln aufbrach und auch wieder heimkehrte. Mittlerweile konnte er sich in der Gegend gut genug orientieren, um seinen Weg auch so zu finden.

Die Sonne ging gerade auf. Stiles hatte seinem Wolf einen Platz auf dem Schlitten angeboten, doch der brauchte offensichtlich Bewegung, denn er rannte lieber nebenher. Und als der Biologe kurz anhielt, um ein paar Proben einzusammeln, lief Miguel einfach weiter und war mit einem Mal verschwunden.

Das war's dann wohl, wie?

Irgendwie hatte Stiles die Hoffnung gehabt, wenn es schon einen Abschied geben musste, dass dieser wenigstens etwas romantischer zelebriert werden würde, doch Sentimentalität war nun einmal Menschensache.

Wolf im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt