Mit lächelnden Augen saß er gespannt auf dem Stuhl. Ganz gewiss, Stephan war die einzige Person, die es schaffte, mit den Augen zu lächeln, auch wenn seine Mundwinkel unberührt waren. Sein Name stand in schwungvoller Schrift auf dem Kuvert, welches sich zwischen seinen Finger befand. Er drehte es gefühlte fünf Minuten und konnte es kaum aufmachen.
"Auf was wartest du", kicherst du und siehst zu ihm hinauf. Im Schneidersitz hast du dich auf dem angenehm kalten Boden niedergelassen. Es war ein heißer Sommertag, der draußen wartete und die Welt mit strahlenden Sonnenschein erhellte. Ihr habt ausgemacht, heute noch in den Park in der Nähe zu gehen und dort zu trainieren. Gerne und oft denkst du an den einen Tag zurück, der euer beider Leben auf den Kopf gestellt hatte. Von der einen Sekunde auf den anderen Herzschlag.
Der deutsche Nationalkader hat es für eine gute Idee gefunden, mit dem Weltcupteam zu trainieren und den Nachwuchstalenten etwas Ansporn zu geben, den Sport auch wirklich zu wollen. Du hast es immer locker genommen. Du bist immer zum Training gekommen, hast dich bei Bewerben unter den besten Zehn gehalten und eigentlich nie verbissen auf die Podestplätze gewittert. Es war wie eine fortfahrende Familientradition zu betrachten, Ski zu springen, weswegen es dir mehr um die Ehre der Familie als um den Spaß gegangen war.
Jeder hat damals einen Springer zugeteilt bekommen und du bist vor Stephan gestanden.Bis heute weißt du noch nicht wirklich, ob er der Grund war, weswegen du beim nächsten Springen wie aus dem Nichts den anderen Bewerbern um gute zehn Meter davongesprungen bist. Und die darauffolgenden Male erneut.
Ob es seine kleinen Korrekturen beim Training und dieses verdammt niedliche Lachen war, ist dir ein weit größeres Rätsel gewesen, als deine plötzlich funktionierenden Sprünge.Zumindest bis dahin, als du an genau dem gleichen Tag wie heute, vor vier Jahren einen Anruf erhalten hast.
Stephan hat über Umwegen deine Nummer bekommen und dich sofort auf ein kleines Eis in der Innenstadt eingeladen. Eine nette Geste, die schließlich darin geendet war, eine Suchaktion nach dir zu starten, da du dich in Innsbruck nicht ausgekannt hast. Doch Stephan hat dich, nach einer guten halben Stunde, ohne aufzuhören, mit dir zu telefonieren, gefunden.
Es war eine heldenhafte Geste, der Geste, weswegen du ihm verfallen bist. Und auch dieses Lächeln. Seine kindliche Art. Einfach alles an ihm war zu perfekt, um es zu verdienen.Stephan hat deine Verbindung zum Skisprungsport verstärkt und dir in gewisser Weise gezeigt, wie viel Spaß man dabei haben konnte. Du hast immer alleine trainiert, was äußerst langweilig war. Seit Stephan da war, trainiert ihr immer gemeinsam.
Obwohl ihr beide immer zusammen seid, fast nie getrennt gesichtet, verneint ihr beide bei zigtausend abgewickelten und noch kommenden Interviews die Frage, ob es nicht mehr als auf freundschaftlicher Ebene knistern würde. Eine Frage, die sie selbst unter sich noch nie gelöst haben.
Stephan schlug sich überwältigt eine Hand vor den Mund und starrte auf die Karte, die er nun während deines gedanklichen Abdriftens aus dem Umschlag gezogen hat. Er sah im Sekundentakt zwischen dir und den Worte hin und her, da er augenscheinlich viel zu überwältigt war. Oder er freute sich nicht. Es könnte beides heißen.
Er nahm seine Hand vom Mund und streckte sie dir entgegen. Du legst sanft deine in seine und wurdest auf deine Beine gezogen, als auch er sich erhoben hat. Sein Blick bohrte sich tief in deine Augen und du wartest ungeduldig auf eine Reaktion, die du deuten konntest.
"Ist das die Wahrheit, was auf der Karte steht?", hob er sie leicht unterstreichend und ließ die Hand wieder sinken. Deine Gesichtszüge sanken ebenfalls und mit ihnen die Farbe aus deinem Gesicht. Wenn er dir doch verdammt nochmal ein Zeichen geben könnte, dass er es ernst oder als Spaß meinte. Es würde dir deine derzeitige Lage um einiges leichter machen. Unter anderem auch deine Antwort in den Mund legen.
Nun verriet er sich selbst und begann zu lachen. Ein paar Tränen flossen über seine Wangen, die du hastig wegzustreichen versuchst, doch er dich daran hinderte. Er nahm deine Hände in seine, der Umschlag mit der Karte müsste zu Boden gesegelt sein und sein Lachen verwandelte sich in ein Lächeln. Seine Wangen standen hochrot in Flammen und er versuchte innerlich einmal runter zu kommen.
"Du hast das wirklich für mich getan?"
Er senkte den Blick und musterte die schwarze Schiene, die sich um sein linkes Bein schnürte und weswegen er nur mehr als drei Schritte maximal ohne Krücken schaffte. Es war das Resultat eines verkorksten zweiten Durchgangs mit einem verschnittenen Telemark auf dem Kunstrasen gewesen.Wenn sie trainieren gingen, ging er meist nur wegen dir mit, auch wenn es in seinem inneren auch noch so schmerzte, nicht auf die Slackline steigen zu dürfen. Er wollte eigentlich nur in deiner Nähe sein.
Du siehst ihn immer noch an, obwohl sein Blick gesenkt war und er offensichtlich nachdachte. Im nachhinein wäre es doch besser gewesen, es ihm von Angesicht zu Angesicht zu sagen. Jetzt hielt er deine Hände und sah divh nicht einmal an, was er sonst nie tat. Seit er vor guten vier Wochen diesen Kreuzbandriss als Diagnose bekommen hat, war Stephan sowieso nicht mehr der alte. Er war zurückhaltender geworden und in gewissen Dingen vorsichtiger. Und langsam schwand das blinde Vertrauen zueinander, da du dir Sorgen um ihn machst.
Erneut entkam ihm ein kurzes Lachen und du spürst den kalten Schweiß über deinen Rücken laufen. Deine Hände zitterten leicht und wurden kalt. Du bekamst ein wenig Angst, auch wenn sie unbegründet war.
Stephan hob seinen Kopf und strich mit den Daumen über deine Handrücken. Das Lächeln auf seinen Lippen war noch stärker als vorher, welches du aber nun mit deiner Frage, die ohne jegliche Vorwarnung aus dir hinausplatzt, abtötest.
"Gefällt es dir nicht?"
Leyhe bekam große Augen und erkannte erst jetzt, wie blass du geworden bist. In deinen Augen stand so etwas wie Angst, welche für ihn unbegründet war und er festigte seinen Griff um deine Hände, da er selbst etwas überfordert war. Er spürte, dass er nicht mehr lange auf dem einen Bein stehen konnte und müsste sich eine aussagekräftige Antwort einfallen lassen.
"Was...doch! Es...", hielt er kurz inne und ein Lächeln kam wieder auf seine Lippen. "Ich glaube ich muss das anders ausdrücken."
Seine Hände ließen ab von deinen Händen und er lehnte sich etwas nach vor. Es hatte jetzt schon kaum ein Skisprungski zwischen euch Platz und Stephan scheint dies noch zu weit entfernt zu sein. Eine Hand wanderte in deinen Nacken während seine Lippen sich auf deine legten und somit den ersten Kuss vollführten.
Dies war nun also seine Antwort.
Seine Lippen schmeckten so süß und es war so, wie du es oft in deinen Träumen schon durchgespielt hast. Auch wenn ihr nicht im Freien unter strömenden Regen steht, war es im Wohnzimmer bei trauter Zweisamkeit auch schön.
Eine Hohegefühl von Freiheit rauschte durch deine Adern und Blut schoss in deine bereits hochroten Wangen, als du langsam spürst, wie sich die zweite Hand von Stephan an deiner Schulter fest krallte. Seine andere Hand an Nacken löste sich und er begann mit seinen Lippen nachzudrücken.Mit einem kurz erschrockenen Schrei fiel Stephan um, handlungsunfähig wie ein Stein und krallte sich an dir fest.
Du stolperst überrascht einen Schritt zurück, beendest den Kuss und fängst Stephan auf, dessen rechtes Bein nun seine Dienste niedergelegt hatte.
Verängstigt kniff er die Augen zusammen und spürte eine warme Hand an seinem Hinterkopf.
"Ich lass' dich nicht fallen."Stephan lächelte und zog sich leicht auf, um dir wieder in die Augen sehen zu können. Er hatte noch nicht das ausgesprochen, was ihm auf der Zunge lag.
"Danke, dass du mir diesen langjährigen Wunsch erfüllst", nahm er dich in die Arme und verkniff sich die Tränen. Es war eine unbeschreibliche Geste, da du die bereits gut angelaufene Saison mit diesem Geschenk in den Sand steckst.
"Danke für alles."
DU LIEST GERADE
Excuse Us While We Kiss The Sky [Skijumpers Shortstories]
Fiksi Penggemar𝓐𝓷𝓯𝓻𝓪𝓰𝓮𝓷 𝔀𝓮𝓻𝓭𝓮𝓷 𝓶𝓲𝓽 𝓕𝓻𝓮𝓾𝓭𝓮𝓷 𝓮𝓻𝔀𝓪𝓻𝓽𝓮𝓽 ! [In der Wintersaison aktiv!] [Slow Updates!]