You'll always find your way back home

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Als sie am nächsten Morgen aufwachte, war die Sonne bereits aufgegangen. Kira war froh darüber, dass es noch früh war und somit noch nicht die alltägliche höllische Mittagshitze eingekehrt war.

Noch ziemlich benommen rieb sie sich die Augen und stand auf. Die Nacht mit Gras als Kopfkissen zu verbringen, war im Nachhinein angenehmer gewesen, als sie gedacht hatte.

Während sie ihre Tasche schulterte, sah sie sich um. Am Ufer des Nils hatte das geschäftige Treiben der Menschen begonnen, im Tageslicht erkannte sie, dass bereits viele Fischer mit ihren wie Kanus geformten und aus Papyrus gefertigten Booten auf dem Fluss trieben und ihr Glück beim Fischfang versuchten. Ein wenig weiter entfernt lagen auch größere Schiffe vor Anker, eindeutig Passagierschiffe, welche im Gegensatz zu den Fischerbooten um einiges größer waren und ein rechteckiges Segel sowie ein dutzend Ruder und eine Art bedachte Kajüte an Bord besaßen.

Erst jetzt stellte Kira mit einem Schrecken fest, dass sie nichts hatte, womit sie eine Überfahrt bezahlen konnte. Sie trug weder Gold noch irgendwelche Tauschwaren mit sich.

In den Bestreben, ruhig zu bleiben und nicht panisch zu werden, zwang sie sich, tief durchzuatmen.

Ersteinmal muss ich wissen, wo diese Schiffe überhaupt hinfahren, dachte sie und näherte sich diesen.

Mittlerweile hatte sich eine Traube von Menschen am Ufer gebildet, offenbar wollten sie alle auf eins der Schiffe.

Unauffällig stellte sich Kira zu ihnen. Sie erkannte rasch, dass in der Mitte der Gruppe ein Mann stand, der offenbar das Gold für die Fahrt entgegennahm. Sie wollte sich nicht direkt an ihn wenden, aus Sorge, verdächtig zu wirken und somit ihre Mitfahrgelegenheit aufs Spiel zu setzen.

Also sprach sie ein Ehepaar neben ihr an, welche einen relativ freundlichen Eindruck auf sie machten.

„Entschuldigen sie, wissen sie, wohin diese Schiffe ablegen werden?"

Der Mann, hochgewachsen mit kurz geschnittenem Haar, wandte sich zu ihr um und antwortete: „Eins segelt nach Elephantine, das Andere legt in die entgegengesetzte Richtung, nach Memphis ab."

Als sie das hörte, machte ihr Herz einen Sprung. Was für ein verdammtes Glück sie hatte!

Nun wandte sich auch die Frau zu ihr um, tiefschwarze Locken umrahmten ihr freundliches Gesicht. „Wie kann denn ein so junges Mädchen wie du schon eine so lange Reise auf sich nehmen wollen? Wissen deine Eltern, dass du an Bord gehst?"

Kira stutze. Intef wurde von seinem Vater unter Druck gesetzt, weil er mit siebzehn noch unverheiratet und arbeitslos war, aber diese Frau fragte sie, ob sie – als Siebzehnjährige! – ihre Eltern für eine Überfahrt um Erlaubnis gebeten hatte. Verwirrt sah sie die Frau an, und dachte gerade noch Ägypten treibt mich noch in den Wahnsinn, ehe ihr dämmerte, dass die Frau sie wahrscheinlich für wesentlich jünger halten musste, immerhin war Intef einen ganzen Kopf größer als sie.

„Ja, ähm, meine Eltern wissen Bescheid...Genau die soll ich ja in Memphis treffen." Das war die erste Ausrede, die ihr einfiel, dennoch fühlte sie sich mies, das nett wirkende Ehepaar anzulügen.

Offenbar gaben sie sich mit dieser Geschichte zufrieden, denn das Gesicht der Frau hellte sich mit einem Schlag auf. „Nach Memphis müssen wir auch! Dann sind wir ja für die nächsten vier Tage Reisegefährten...!" rief sie.

Damit wäre die Frage danach, wie viel Zeit mich das alles kostet, geklärt...Super.

Ehe sie etwas erwidern konnte, kniff der Mann die Augen zusammen und musterte sie genauer.

„Kannst du die Überfahrt überhaupt bezahlen?" Entsetzt darüber, wie genau er ihre Sorgen auf den Punkt getroffen hatte, starrte sie ihn an. Was sollte sie antworten? Es war offensichtlich dass sie anderen Passagiere um sie herum besser gekleidet waren, außerdem hatte sie wirklich nichts zum Bezahlen bei sich. Da sie keinen anderen Ausweg sah, entschloss sie sich, ehrlich zu sein. „Nein, aber ich muss trotzdem unbedingt nach Memphis! Sonst sehe ich meine Familie nie wieder."

Dass sie ihre Familie nie mehr zu Gesicht bekommen würde, entsprach sogar einigermaßen der Wahrheit. In diesem Moment schien die Menge sich zu regen. Die Leute begannen, auf ihr jeweiliges Schiff zu steigen.

Das Ehepaar bemerkte dies und wollte sich auch daran machen, an Bord zu gehen, als die Frau stehen blieb und sich zu Kira umdrehte. Vorsichtig packte sie sie am Arm und zog sie mit sich.

„Die Götter werden uns bestimmt wohl gesinnt sein, wenn wir einem Kind helfen, nach Hause zu gelangen!", rief sie fröhlich. Dann flüsterte sie Kira ins Ohr, während sie an Bord gingen: „Wenn irgendjemand fragt, dann bist du unsere Tochter. Bist zwar etwas blass, aber das werden sie uns schon glauben."

Als alle Passagiere an Bord waren löste einer der zuständigen Männer das Tau und vergeudete keine Zeit damit, abzulegen.

Kira konnte es nicht glauben. Leute, die sie gerade erst getroffen hatte, halfen ihr, auf verbotenem Wege nach Memphis zu kommen! Sie konnte sich nicht genug bei dem Ehepaar bedanken.

Während sich das Schiff in der Morgensonne schaukelnd auf seinen Weg gen Norden machte, blickte Kira auf die immer kleiner werdenden Häuser Thebens am Flussufer zurück.

Die Gefühle, mit denen sie die Hauptstadt verließ, waren gemischt. Einerseits verursachte der abrupte Abschied ein Stechen in ihrem Herzen. Sie richtete ihren Blick nach vorn auf das glitzernde Wasser. Andererseits begann hiermit offiziell ihr Weg nach Hause. Mit diesem Gedanken schob sie das Bild von Ahmoses Familie in ihrem Kopf zur Seite und ersetzte es mit dem ihrer eigenen.

Bald wäre sie endlich wieder dort, wo sie hingehörte.

Time Traveler - Durch den heißen WüstensandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt