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Vorsichtiges Kennenlernen

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Immer noch sprachlos stand Kim in der Umkleidekabine. Erst war dieser Kerl arschig und dann plötzlich so nett. Der hatte vielleicht Stimmungsschwankungen. Da hieß es immer, dass Frauen so wankelmütig seien, aber dieser Joshua Fox übertraf jede Frau.

Trotzdem zog sie den Hut, dass er sich entschuldigt hatte, solch ein Verhalten kannte sie von Männern nicht. Er hatte gesagt, sie sähe sexy aus, bei dem Gedanken daran verfärbten sich ihre Wangen rot. Sie wusste, sie konnte gut aussehen, wenn sie wollte, aber nach der durchzechten Nacht sah sie alles andere als gut aus.

Schnell zog sie das Kleid aus und atmete auf. Auch wenn sie es nie zugegeben hätte, sie war über seinen Einfall sehr froh und dankbar gewesen. Sie hatte das Kleid schon seit gestern Abend angehabt, darin getanzt, geschwitzt. Sie hatte sich schon richtig ekelig gefühlt.

Joshua schien einen guten Blick für Größen zu haben. Er hatte ihr tatsächlich eine Hose gereicht, die ihr passte. Lächelnd zog sie den weichen Pullover über und mummelte sich tief darin ein. Endlich was Warmes an. Dazu noch eine Mahlzeit im Bauch. Das war Glück.

Damit er nicht solange warten musste und er wieder griesgrämig wurde, beeilte sie sich. Im Spiegel wischte sie schnell ihre Panda Augen sauber und machte sich einen festen Zopf. Jetzt sah sie schon ganz passabel aus.

Sie musste einen komischen ersten Eindruck hinterlassen haben. Dazu noch die Begegnung mit Trey. Hoffentlich sagte er Mia nichts, die hatte genug eigene Sorgen.

Joshua zog überrascht die Augenbrauen hoch, als er sie sah. Lächelnd drehte sie sich im Kreis für ihn.

„Das sieht sehr nett aus."

Sie hörte die Überraschung in seiner Stimme und bei dem Klang wurde ihr warm im Bauch. Aber das Wort nett wollte keine Frau hören. Typisch Mann, dass die auch einfach nicht wussten, was man sagen musste.

„Ich fasse das mal als Kompliment auf. Können wir jetzt endlich zu Mia?" Joshua deutete an, dass sie vorgehen sollte. Fragend sah sie ihn an. „Hast du denn schon bezahlt? Ich möchte gleich nicht festgehalten werden wegen Diebstahls."

„Nein, wie kommen Sie auf die Idee, dass ich bezahlt hätte? Natürlich wollte ich Sie reinlegen, damit Sie verhaftet werden."

Belustigt sah er auf sie hinunter. Kim hörte die Ironie heraus und streckte ihm die Zunge raus. Am Auto angekommen drehte sie sich um. „Danke, für die frischen Klamotten. Gibt es in dieser Limousine was zu trinken?"

Joshua nickte und Kim sprang in den Wagen. Der blonde Schönling ließ sich gegenüber auf den Sitz fallen und schon setzte sich der Wagen wieder in Bewegung. Joshua drückte auf einen Knopf und eine Minibar öffnete sich.

„Was möchten Sie denn, Ms. Davies?"

Kurz dachte sie nach und grinste ihn dann an. „Überrasche mich, als Studentin ist man nicht besonders wählerisch."

Interessiert sah Joshua zu ihr hoch. „Welche Richtung, wenn ich fragen darf?"

Währenddessen nahm er eine Flasche und Kim sah, dass er ihr einen Martini machte. Er hatte sogar Oliven in dieser Bar.

„Ich habe angefangen Lehramt zu studieren, aber ich habe das Gefühl, dass es nicht das ist, was ich machen möchte."

„Okay und haben Sie eine Idee, was Sie lieber machen würden?"

Kim rutschte auf ihrem Sitz hin und her. Wurde das jetzt ein Verhör? Was sollte das?

„Nein, aber mir wird schon was einfallen. Ich hab ja noch Zeit." Sie ließ ihre Stimme emotionslos klingen und sah ihn mit einem Blick an, der ihm signalisieren musste, dass sie nicht weiter darauf eingehen wollte.

Joshua sah sie neugierig an und reichte ihr das Glas. Auch wenn er es nicht gut hieß, dass sie trank, wollte er sie anscheinend nicht schon wieder verärgern. 

„Dann würde ich sagen, finden Sie es heraus, noch hätten Sie Zeit, sich nochmal umzuorientieren, das ist richtig. In ein paar Jahren wird das dann aber schwieriger und ich bin der Auffassung, dass der Job eine Herzensangelegenheit sein muss. Das ist etwas, was uns ein Leben lang begleitet. Wussten Sie, dass der Mensch in seinem Leben die meiste Zeit mit Arbeit verbringt? Erst an zweiter Stelle kommt die Familie. Daher sollte es etwas sein, was einem nach ein paar Jahren nicht frustriert."

Verwundert sah ihn Kim an. Er verurteilte sie nicht. Die meisten, die hörten, dass sie überlegte zu wechseln, zogen die Augenbrauen hoch. Immerhin hätte sie nur noch zwei Semester gehabt. Joshua aber sah sie nicht so an.

„Was machst du denn beruflich?"

Joshua sah nachdenklich auf sein Glas, er hatte sich ein Wasser genehmigt. Spießer! Sie musste auf ihn wirken wie eine Alkoholikerin.

„Ich leite ein PR-Agentur."

Kim verzog das Gesicht. Das hörte sich sowas von langweilig an. „Gut, dass jeder anscheinend andere Interessen besitzt. Ich stelle mir das meeega langweilig vor."

Joshua lächelte sie warm an. „Manchmal ist es nicht so spannend, da haben Sie Recht, aber es kommt auf die Kunden an. Es kann auch sehr stressig werden. Für einige Kunden bin ich der Pressesprecher, wie unter anderem für Samuel, dem Freund von Mia. Die letzten Ereignisse haben mich viel Arbeit gekostet. Die Presse kann sehr gemein und hart sein. Mein Job ist es, einfach gesagt, die Dinge vor der Allgemeinheit klar zustellen und zu schauen, dass meine Kunden gut wegkommen."

„Was genau ist da denn jetzt passiert? Samuel war sehr kurz angebunden am Telefon. Er hatte nur gesagt, dass Mia angegriffen wurde, dass Jayden aufgetaucht wäre. Wie schlimm ist es? "

Joshua schien zu überlegen, was er ihr sagen sollte.

„Du kannst mit alles sagen. Mia und ich sind wie Schwestern. Ich kenne sie mein ganzes Leben lang, soweit ich zurück denken kann."

„Jayden hat sie mit einem Messer verletzt, aber sie ist außer Lebensgefahr. Er hatte sie erpresst, Samuel etwas anzutun, wenn sie nicht zu ihm zurück kommt. Im Park, wo sie sich getroffen hatten, ist es dann leider zu einer Tragödie gekommen. Aber Jayden wurde verhaftet und wird auch nicht mehr rauskommen. Mia hat ihn angezeigt, wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung, sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung. Er wird nie wieder auf freien Fuß kommen. Selbst die Zeit im Heim ist nicht verjährt, dass es um Kindesmissbrauch ging. Es ist vorbei."

Nachdenklich sah Kim auf ihr Glas in der Hand. Es war nie vorbei. Die Vergangenheit holte einen immer wieder ein, ob man es wollte oder nicht. Aber natürlich hoffte sie für Mia das Beste. Ihre Freundin hatte ein wenig Glück verdient, zumindest eine von ihnen.

Save me (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt