Four.

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Klebt man die Scherben eines zerbrochenen Spiegels zusammen, bleiben trotzdem Risse zurück. Möglicherweise ist es mit mir genauso. Immer wieder klebe ich die Stücke meiner Seele zusammen aber die Risse vermehren sich, statt zu verschwinden. Irgendwann wird nichts mehr übrig sein..

Manchmal braucht es nur eine Kleinigkeit, um eine Welle an negativen Gefühlen loszutreten. Man beobachtet die Menschen um einen herum, wie sie mit ähnlichen Situationen umgehen und fragt sich, was stimmt mit mir nicht? Kann ich nicht auch einfach über vergangenes hinweg sehen und über verletzende Dinge, die andere sagen lachen? Vielleicht ist ja nur irgendein Knopf Deffekt und muss ausgetauscht werden, damit ich wie alle anderen sein kann, normal.

Ich habe ein Händchen dafür, die falschen Leute in mein Leben zulassen, zumindest sagen das meine Ärzte immer. Aber woher soll ich wissen, wenn es wieder bei jemandem so sein sollte? 

Ich denke Shadow ist mein größtes Problem, sie beeinflusst mich durch und durch, was mich an die ersten versuche erinnert, sie endgültig loszuwerden..


2013

Es war merkwürdig nicht mehr da zu wohnen, wo man aufgewachsen war, ich hasste mein neues Zuhause und war froh darüber, dass meine neue Schule nicht allzu weit weg von meiner Heimatstadt lag. Es dauerte etwas da ich große Panik hatte mit fremden zu reden um Freundschaften zu schließen, doch mittlerweile war ich teil einer kleinen Gruppe bei der ich mich wirklich wohl fühlte.  Ich lachte viel und verbrachte sogar viel weniger Zeit mit Shadow, was sich gut anfühlte. Eines Abends schrieb mich ein mir unbekannter, jedoch nicht schlecht aussehender Junge über Facebook und ich fragte ihn, woher er mich kannte. Er wohnte im selben Ort und hatte mich wohl einmal gesehen wie ich von der Bushaltestelle nach Hause lief. Er wollte mich gerne kennen lernen und bot mir an am nächsten Tag durch den Ort zu spazieren, da ich mich hier noch nicht auskannte. Ich war total aufgeregt und wusste, dass er im Lidl gegenüber von meiner Schule arbeitete, weshalb ich die Mädels überredete, in der Pause hinüber zu gehen und zu schauen wie er denn so war. Beim ersten treffen bemerkte ich nicht, dass es ziemlich ungewöhnlich ist, wenn ein Kerl die ganze Zeit über seine Exfreundin spricht. Zwar lies er kein gutes Wort über sie fallen aber trotzdem ist das kein Gesprächsthema zum kennenlernen, weiß ich mittlerweile. Ich war vollkommen überrumpelt, als er mich nach kurzer Zeit küsste und meine Hand hielt, so sehr, dass ich anfing zu zittern was mir ziemlich peinlich war aber ich kannte dieses Gefühl nicht und auch nicht, dass jemand so ein Interesse an mir zeigte. Als ich Zuhause war, schrieb er mir gleich, dass er mit mir eine Beziehung führen möchte, ich bat ihn darum mir Zeit zulassen, da ich meinen Eltern auch erst von ihm erzählen wollte, schließlich hatte ich ihn erst einmal gesehen, erst einmal gesprochen was er aber nicht wirklich akzeptierte. In Wirklichkeit ging mir das alles auch viel zu schnell und ich wollte es garnicht, doch ich traute mich nicht es ihm zu sagen und lies mich somit von ihm überreden einer Beziehung zuzustimmen im nachhinein war es ein riesen Fehler. Täglich verhielt ich mich merkwürdiger ich konnte mir selber mein Verhalten nicht erklären und verstand auch nicht was da mit mir vorging. Mir ging es so gut wie jeden Tag unbeschreiblich schlecht, ich weinte viel und suchte Trost bei ihm, schließlich war er ja mein Freund. Jedesmal wenn ich ihn besuchte, beschwerte er sich, ich solle nicht immer weinen und an der Vergangenheit festhalten. Vorwürfe brachte er mir entgegen, ehe er mit mir schlief, egal ob ich immer noch weinte oder nicht und  schickte mich fast jedesmal direkt nach Hause. Da ich zuvor noch nie eine richtige Beziehung hatte, dachte ich das wäre normal und machte mir selber noch mehr Vorwürfe. Wieso musste ich mich so schrecklich fühlen und danach noch schlimmer? Ich bin undankbar, er ist für mich da und ich schätze es nicht sondern fühle mich wie ein Gegenstand. Shadow hatte immer recht, ich war ein wertloses Stück Dreck, da möchte mich endlich jemand und ich versaute wieder alles. Ich  versuchte mehr und mehr mein Empfinden zu verstecken und zu unterdrücken, fing immer öfter und intensiver an mich zu verletzen, es beruhigte mich und lies mich kurze Zeit gut fühlen. Die leichten Schnitte bei denen Shadow mir geholfen hatten waren mittlerweile nicht mehr ausreichend um den Hass und den Schmerz zu lindern. Eines Tages saß ich im Unterricht und konnte mich überhaupt nicht mehr konzentrieren. Gedanken von Selbsthass und Verachtung schwirrten in meinem Kopf herum. Mein Blick wurde starr und ich spürte ein starkes kribbeln, welches sich mehr und mehr durch meinen Körper zog. "Darf ich bitte kurz vor die Tür?" Ich stand auf und eilte vor die Tür, ich wollte nicht, dass man mich weinen sah ich schämte mich doch konnte die Tränen nicht unterdrücken. Die Kraft verließ mich, so sank ich eingekauert in einer Ecke zusammen und bemerkte im ersten Moment auch nicht, dass zwei meiner Freundinnen hinter her kamen um nach mir zu sehen. Ich nahm die Zusprüche und die Berührungen war, doch es half mir in diesem Moment nicht weiter. Ein großer Druck breitete sich in mir aus und es fühlte sich an, als wäre ein schwarzes Loch in meinem Bauch, welches mich verschlang. Ich bekam kein Wort mehr heraus und bemerkte wie mein Körper mehr und mehr verkrampfte. Ich sah Shadows Gesicht vor mir, sie hatte ihre linke Handfläche auf meinem Kopf platziert und die rechte auf meiner Brust. Ihr Blick wurde kalt und durchbohrend ehe ich spürte, wie sie ihre spitzen Fingernägel stärker und stärker in meine Schädeldecke bohrte sowie in meinen Brustkorb. Unbeschreiblicher Schmerz durchströmte meinen gesamten Körper. Ich bekam um mich herum nichts mehr mit und kann mich an die darauf folgenden Minuten auch nicht erinnern, ich weiß nur was man mir danach berichtete..
Ich presste meine Fingernägel in die Kopfhaut und schaukelte vor und zurück während ich immer lauter und lauter werdend vor mir her summte. Sie riefen den Lehrer hinaus und ich begann bereits zu versuchen auf mich selbst einzuschlagen, dabei kratzte ich meine Freundin am Arm, was ich mir ewig vorwarf denn nach diesem Vorfall meideten mich die anderen. Ich empfand nur diesen extremen Schmerz und begann zu schreien und versuchte den Schmerz aus mir raus zu reißen. Zu zweit hielten sie meine Beine und Füße fest, drückten mich zu Boden und wussten selber nicht wie sie mir helfen sollten. An diesem Tag hatte ich den ersten von vielen Anfällen, diese fürchte ich bis heute. Jedesmal wenn dies passierte, wurde es schlimmer ich schlug einmal auch meinen Kopf gegen die Scheibe in Eingang und wurde auf einer Matte im Lehrerzimmer festgemacht, als Schutz vor mir selbst. Hatte ich mich beruhigt, fühlte ich mich ausgelaugt, der Schmerz ließ nach und ich war schwach und müde. Meine Lehrer waren in dieser grausamen Zeit eine enorme Hilfe, dies werde ich ihnen nie vergessen. Die Schüler munkelten über Exorzismus und solche Dinge, das belastete mich und ich begann nur mehr mich zurück zu ziehen und zu verachten. Mein Freund war da auch keine Hilfe und ich aß und trank nichts mehr. Meine Mutter versuchte mich zum essen zu zwingen, was die Situation nicht verbesserte und irgendwann konnte ich kaum noch die Treppen in der Schule meistern. Meine Lehrerin machte sich große Sorgen und sprach fast täglich mit mir, da nicht mal ich selbst wusste was mit mir los war, ich wollte einfach nur sterben aber wem sollte ich diese Gedanken mitteilen? An einem Tag hatte ich in meinem Zimmer zwei Anfälle hintereinander und ich betete zu Gott, falls es ihn gäbe solle er mir sagen weshalb er mir dies antat, wieso er mich so verabscheute. In diesem Moment drehte ich mich Richtung Bett, wo Shadow saß und mit einer Packung Schmerzmittel wedelte, ehe sie mir diese zuwarf und aus dem Zimmer ging. Ich wollte einfach, dass der Schmerz aufhört, also schluckte ich erst eine und dann nochmal ein zwei in der Hoffnung sie würden mir helfen. Ich lag im Bett und starrte an die Decke, ich bekam kaum Luft und meine Lunge fühlte sich abgeschnürt an. Meine kleine Schwester kam ins Zimmer und sorgte sich, das wollte ich nicht also sagte ich ihr das es mir einfach nicht so gut geht und bat sie diese Nacht neben mir zu schlafen, was sie dann auch tat. Der Schmerz ging jedoch nicht weg und ich wollte einfach nicht mehr weiterleben. Ich konnte diesen zerfressenden Schmerz nicht mehr ertragen und so schluckte ich auf dem Weg zur Schule immer mehr Tabletten. Ich schwankte ins Klassenzimmer und konnte mich kaum wach halten, alles fühlte sich schwer an und ich fragte mich, fühlte sich so der bevorstehende Tod an? In diesem Moment schluckte ich die letzten Tabletten ehe mich meine Lehrerin vor die Tür brachte und solange auf mich einsprach, bis ich ihr sagte was ich getan hatte. Unverzüglich verständigte sie meine Mutter und rief einen Krankenwagen, wo mich eine Freundin netterweise begleiten durfte, denn ich hatte panische Angst vor Krankenhäusern. Ich bekam Beruhigungsmittel und Infusionen. Mein Freund wollte nicht ins Krankenhaus kommen, er meinte er wolle wenn ich daheim bin mit mir reden. Das beunruhigte mich sehr. Wir gingen spazieren und er setzte mich stark unter Druck, würde ich so etwas noch einmal tun oder mich verletzen, würde er mich verlassen. Vielleicht meinte er es nicht böse, aber es bewirkte nur, dass mein Zustand schlimmer wurde. Es gab nur noch eine Freundin die mit mir redete, die anderen konnten damit nicht umgehen und äußerten dies indem sie mich fertig machten. Sie mobbten mich in der Schule und sprachen ihre Verachtung mir gegenüber aus. An einem Samstag ging dann alles ganz schnell. Mein Freund antwortete mir nicht mehr auf meine Nachrichten, das verunsicherte mich und ich schrieb ihm mehr und mehr. Dann schrieb er plötzlich in Facebook rein, dass er Single war und ich wurde noch unsicherer. "War doch vorherzusehen, das er dich abserviert, ich sagte dir nur ich bleibe für immer." Ich versuchte Shadow zu ignorieren und schrieb ihm erneut, was dies zu bedeuten hatte. Dann kam das erste mal eine Antwort, nämlich dass es mit uns keinen Sinn machte. Meine Verlustängste stiegen mehr und mehr, sodass ich sie kaum ertragen konnte. Verlassen zu werden fühlt sich für mich an, als wenn ich sterben müsste. Es ist als würde meine ganze Welt zerreißen und unangenehme Gefühle überfluten mich, sodass ich ertrinke muss. Mein Entschluss stand fest, ich wollte meinem Leben ein Ende setzen. Ich verabschiedete mich von meiner Freundin per Whatsapp, steckte eine Klinge ein und lief von Zuhause weg.

Splintered - Splitter meiner SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt