Kapitel 3

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Ich kehre zu dem Platz, an dem ich vorher gestanden habe, zurück, doch es ist mir nicht möglich nicht an Gavroche zu denken. Ich wünschte, dass ich mehr für ihn tun könnte und ich fühle mich schrecklich dafür, dass ich ihn gehen lassen habe, wo es mir doch möglich ist ihm mehr zu geben, als dieses kleine Stück Brot und Kuchen. Ich lehne mich gegen die Mauer und sehe zu dem Gebäude aus dem Marius kommen muss - er nimmt sich auf jeden Fall viel Zeit!
"Was du getan hast war sehr nett von dir", spricht mich plötzlich ein Mädchen an. Ich sehe nach links um sie anzusehen. Sie ist jung, vielleicht ein oder zwei Jahre jünger als ich und steht etwas von mir entfernt, an die gleiche Mauer gelehnt. Sie trägt Lumpen, genau wie Gavroche - ein Kleid mit Löchern und Rissen, welches ihr von den Schultern fällt und an der Taille von einen alten und dicken Ledergürtel gehalten wird. "Verzeihung?", frage ich leise, da ich mir sicher bin, ob sie nun wirklich mit mir spricht. "Was du für den kleinen Blonden getan hast - das war sehr nett...nicht viele Reiche denken an so etwas...", sie lächelt herzig. Unter all dem Schmutz und Ruß liegt ein wunderschönes Mädchen.
"Oh...Vielen Dank.", antworte ich, wieder unsicher was ich sagen soll. Ich bemerke, dass ich vor Verlegenheit rot werde. "Aber ich bin nicht reich...nicht so wie sie. Ich lebe nur bei meinem Großvater, das ist alles.", ich zucke mit den Achseln. Sie lächelt wieder und sieht dann auf den Boden. Ich öffne meine Tasche noch eimal und nehme ein paar Münzen heraus. "Hier.", ich nicke ihr zu. "Ich möchte, dass du die hier nimmst...", "Oh nein!", sie schüttelt den Kopf. "Ich brauche kein-", "Bitte. Ich bestehe darauf. Du brauchst es mehr als ich.", jetzt lächel ich ihr zu. Nachdenklich sieht sie zu meiner Hand und ich nicke wieder, um ihr zu zeigen, dass es in Ordnung ist, wenn sie es nimmt. Endlich greift sie nach den Münzen. "Vielen Dank...", sie lächelt schüchtern. "Gerne...oh...Entschuldigung, Ich kenne deinen Namen nicht.", ich lache verlegen. "Eponine.", antwortet sie. "Juliette.", ich gebe ihr die Hand. "Was macht jemand wie du eigentlich hier?", fragt sie nun, während sie sich wieder gegen die Mauer lehnt und zu dem Gebäude starrt, welches ich die letzten fünfzehn Minuten beobachtet habe. "Ich warte auf einen Freund...", sage ich leise. "Ich auch...", sie lächelt.

Nach weiteren fünfzehn Minuten erscheint Marius endlich wieder, doch dieses Mal ohne Koffer, was bedeutet, dass meine Vermutung richtig war und er etwas zum Wohnen gefunden hat. Ich sehe mich nach einem Schild oder Wegweiser um, sodass ich sein neues Zuhause auch wiederfinden kann.
"Ich werde nun besser gehen...", ich seufze und drehe mich wieder zu Eponine. Das fühlt sich komisch an - als ob ich eine neue Freundin gefunden habe, obwohl ich sie erst gerade getroffen habe. Sie tut mir leid, sie befindet sich in einer schrecklichen Situation - ich könnte in dieser Situation sein. Wie würde ich mich fühlen, wenn ich sie wäre? Ich sehe auf mein Halstuch, welches um meine Schultern gewickelt ist - wahrscheinlich habe ich mindestens noch drei von dieser Sorte zu Hause und Großvater kann mir schnell ein neues kaufen - wozu brauche ich also drei? Ich nehme das Tuch von meinen Schultern und lege es Eponine um. "Das möchte ich dir auch geben.", durch eine plötzliche Eingebung umarme ich sie. "Pass auf dich auf, Eponine...", flüstere ich. "Danke Juliette.", flüstert sie zurück. Als wir unsere Umarmung lösen halte ich ihre Hand einen Moment länger als nötig und bete das Gott sie schützen möge. "Bis bald...", ich lächel ihr zu und gehe dann meinem Bruder hinterher.

Ich versuche ihn nicht zu verlieren, doch er ist sehr schnell, wo er doch immer wieder durch Menschenmassen läuft. Ich stoße häufiger gegen einige Passanten, natürlich nicht absichtlich. Auch meine Haube droht von meinem Kopf zu fallen, doch ich kann sie gerade noch festhalten. Dann laufe ich wieder etwas schneller, um unseren Abstand ein wenig zu verringern. Auf den letzten Metern sind nur noch wenige Schritte zwischen uns, doch ich versuche mein Gesicht zu verbergen, sodass er es nicht sehen kann. Dann betritt er ein Gebäude.
Auch ich halte an und sehe zu dem Schild über der Tür - "Café Musain". Ich atme einmal tief durch und frage mich, ob ich gerade die richtige Entscheidung treffe. Die Chancen stehen gut, dass ich das hier später bereuen werde, doch gerade jetzt ist meine Neugier stärker als die Angst. Ich greife nach dem Türgriff und sehe noch einmal auf die Straße bevor ich eintrete.

Die Tür knallt hinter mir zu und ich stehe einen Moment starr in dem Raum, während ich diesen betrachte. In dem Raum stehen Holzstühle und Holztische, selbst Wände, Boden und die Zimmerdecke sind aus Holz, weshalb mir dieser Ort etwas zu arm für Marius' Verhältnisse scheint - warum sollte er hier her kommen? Eine Frau steht hinter der Holztheke am Ende des Raums und sieht mich an.  "Was kann ich für Sie tun, Miss?", fragt sie und grinst breit. Ich gehe zögernd auf sie zu, meine Tasche fest umklammert, und bin etwas nervös und ängstlich hier zu sein -außerdem kann ich Marius nirgendwo entdecken. Wo kann er nur hin sein? Er ist nur eine Sekunde vor mir eingetreten und ich habe ihn nicht gehen sehen. Er ist definitiv hier eingetreten, oder etwa nicht?
"Oh, ähm...könnte ich vielleicht etwas Wasser bekommen?", frage ich leise und räuspere mich, um sicher zu gehen, dass meine Worte nicht in meiner trockenen Kehle stecken bleiben. Sie nickt und dreht sich zur nahen Pumpe um etwas Wasser zu holen. Ich räuspere mich noch einmal. "Gehört Ihnen dieses Lokal?". "Das tut es tatsächlich!", antwortet sie stolz. "Mein Name ist Madame Houcheloup.", sie stellt das Glas Wasser vor mir auf dem Tresen ab. "Ich mag es alle meine Kunden zu kennen und Dich habe ich noch nie hier gesehen, also denke ich nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind...", sagt sie um meinen Namen herauszufinden. "Oh, Ich bin Juliette. Juliette Pontmercy.", "....Pontmercy?", sie hebt eine Augenbraue. "Ist das etwa eine Verbindung mit unserem jungen Marius?", sie verschränkt ihre Arme. "Ähm...ja...", antworte ich nervös, während ich eine Münze für das Getränk heraussuche.
"Ehefrau?", fragt sie sofort. "Oh Nein, nein! Schwester...", erkläre ich. "Hier.", ich schiebe ihr die Münze über den Tresen. "Ach, lass das, es ist dein erster Besuch hier. Ich werde das auf die Rechnung deines Bruders schreiben!", sie lacht und bringt mich ebenfalls zum Lachen. Plötzlich fühle ich mich etwas wohler hier, in ihrer Gesellschaft. "So, was führt dich hierher, Miss Pontmercy?".
"Oh bitte, nennen Sie mich Juliette.", ich lächle. "Nun...eigentlich suche ich meinen Bruder. Ich muss dringend mit ihm sprechen, doch ich sehe, dass er nicht hier ist.", erkläre ich. "War er heute schon einmal hier?". "Hinterzimmer und dann die Treppe hoch...", sie nickt zu einer Holztür hinter dem Tresen. "Ist er-? Darf ich-? Macht es Ihnen etwas aus wenn ich-?", versuche ich zu fragen, doch ich bekomme keinen ganzen Satz heraus. "Eins nach dem anderen meine Liebe!", sie lacht. "Ja, er ist dort. Und ob du darfst...nun...Enjolras mag es nicht, wenn Frauen in ihre Versammlungen kommen...", sie kommt nun auf meine Seite des Tresens und legt eine Hand auf meine Schulter, um mich zur Tür zu führen, zu der sie zuvor genickt hat. "...doch sie müssen wohl eine Ausnahme für dich machen!", "Wer ist Enjolras?", frage ich.
"Oh, du wirst ihn gleich treffen...", sie grinst. "...und wenn er oder einer von den Jungs Probleme macht...schick sie sofort zu mir!".

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Ich habe nun entschieden, dass jeden Montag ein Update kommt. Doch aus welchem Buch - das weiß ich nicht. Ich werde dort ein Kapitel posten, wo eins fertig ist. Sei das nun hier oder bei Crime in Progress. Ich möchte mich einfach nicht mehr so unter Druck setzen wie bisher. Ich hoffe ihr versteht das.

The Barricade Girl //Übersetzung//Translation//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt