Sonntag, 12. Juni

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 16:27 Uhr.

„Mein Bruder kommt aus Tokyo zurück."

Ich schaue von meinem Smartphone auf und zu Junko hinüber, um den Ausdruck in ihrem Gesicht deuten zu können. Er ist finster, so wie ich es bereits erwartet habe.

„Schau nicht so böse, Junko, du verschreckst sonst noch die Kinder.", stichele ich. Ihre grimmige Miene wirkt auf dem Spielplatz, wo gerade eine Horde Kinder fröhlich kreischend an uns vorbeirennt, ein wenig fehl am Platz. Während Junkos Aura anfängt, dunkler zu werden, hebe ich schnell mein Smartphone und schieße ein Foto von ihr.

„Wenn du deine Augenbrauen weiter so zusammenziehst, bekommst du schlimme Falten. Sieh!" Ich halte ihr das Foto vor die Nase.

„Das ist nicht lustig, Nanami."

Junkos Miene erhellt sich ein wenig und sie ringt sich zu einem Schmunzeln durch, als sie mein Smartphone wegschiebt. Doch das Schmunzeln verschwindet schnell und weicht wieder einem angespannterem Ausdruck.

„Im Ernst, das ist nicht lustig. Als dieser Kerl wegen seines Studiums nach Tokyo gezogen ist, dachte ich, ich sei ihn endlich los geworden. Und dann kommt er nach seinem Studium direkt wieder zurück in diese Kleinstadt? Ich meine, wer möchte denn lieber hier anstatt in Tokyo leben?", fragt sie zähneknirschend.

„Vielleicht vermisst er dich ja und kommt nur zurück, um dich zu sehen."

„Ich bitte dich. Er kommt höchstens zurück, um mir sein neues Wissen auf die Nase zu binden. Damit ich bloß nicht auf den Gedanken komme, ich würde jemals schlauer sein als er.", gestikuliert meine beste Freundin wild.

Anscheinend hat Junkos Wut gegen ihren Bruder selbst nach vier Jahren ohne seine Anwesenheit kaum nachgelassen.

Erstaunlich. Sie scheint wirklich sehr viel Hass übrig zu haben, denke ich.

Ich habe Eiji noch nie richtig kennenlernen können. Er studierte bereits zwei Jahre in Tokyo, als ich Junko in der Highschool kennenlernte. Doch wenn ich nach ihren Erzählung gehen würde, muss er der Teufel sein. Wenn nicht sogar noch schlimmer.

„Und warum kommt er nun zurück, wenn ihm Tokyo doch so gefallen hat?", frage ich ernsthaft interessiert. Obwohl ich nicht sonderlich große Lust habe, eine erneute Hasstirade über ihren Bruder zu ertragen, erscheint es mir höflich, wenigstens nachzufragen.

„Angeblich wurde er als Aushilfe an einer Grundschule hier angenommen, weil dort die Mathematik-Lehrerin überraschend schwanger wurde. Zum Glück ist es eine Grundschule und keine Highschool. Sonst würde er wahrscheinlich nach kurzer Zeit entlassen werden, da er sich mit seinen Schülerinnen vergnügt, dieses perverse Schwein."

Der erschrockene Blick einer Mutter von der Bank neben uns lässt mich einen entschuldigenden Blick hinüberwerfen.

Die Frau steht auf und geht mit ihrem Kind zum Sandkasten.

Ich wusste, es war eine schlechte Idee, nachzufragen.

Junko scheint diese Szene in ihrem Wahn nicht mitbekommen zu haben und redet fleißig weiter. Sie ist zwar meine beste Freundin, aber ihr schlimmster Makel ist eindeutig, sehr schnell ausfallend und aufbrausend zu werden, was meistens zu ziemlich unschönen Situationen führt.

Ich versuche, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, und sage: „Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wann ich deinen Bruder jemals richtig gesehen habe, nicht nur auf den alten Kinderfotos bei euch im Flur. Ich glaube, es müsste zu Neujahr gewesen sein, als wir dich und deine Familie zufällig beim Schrein getroffen haben. Aber ich glaube, da habe ich ihn nur von hinten gesehen, da er..."

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