Cyborg City - Kybernetik und eine alte Liebe

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Nachdem ich bis in den Vormittag hinein pausenlos gefahren bin, erreiche ich endlich Washington D.C. Tatsächlich ist es mein erster Besuch in der Hauptstadt des Landes, jedoch finde ich mich gut zurecht und mache bald ein geeignetes Hotel aus, in dem ich die nächsten Tage verbringen werde.
Im Gegensatz zu dem kleinen Hotel im Vorort gestern scheint man hier wesentlich besser auf Menschen wie mich zu Sprechen zu sein. Auf Menschen, welche sich dem Fortschritt hingegeben haben. Ob sie eine Wahl hatten oder nicht sei dabei dahin gestellt.

Ganz gemäß der Hauptstadt der USA ist das Hotel recht groß und prunkvoll gehalten, scheinbar etwas für die Reichen und Schönen oder die, die es werden wollen. Nach dem Check-In bei der freundlichen Rezeptionistin erhalte ich eine ID-Karte für den Retina-Scanner meines Zimmers. Ich lege keinen besonderen Wert auf Luxus, da ich aus meiner Vergangenheit große Armut gewöhnt bin und so etwas daher nie großen Stellenwert für mich hatte.
Trotz dessen habe ich eine Suite im 24. Stock, mit angeblich traumhaften Blick über die halbe Stadt. Die Arbeit für CyboCare hat eben auch seine Vorzüge.

An meinem Zimmer angekommen, schiebe ich die Karte durch den Schlitz und führe den Scan durch. Sicherheit geht in einem solchen Edelschuppen bekanntlich vor, weswegen auch Wachpersonal auf jeder Etage zu finden ist. Nach betreten des Zimmers stelle ich den Koffer mit meinem Schwert ab und begehe als erstes die Räumlichkeiten.

Wie zu erwarten, ist alles hochmodern und bestens auf die Bedürfnisse von biologischen Menschen wie auch Cyborgs angepasst. So gibt es sogar ein hauseigenes Techniker-Team, welches für jede Wartung und Reinigung eines kybernetischen Körpers geschult ist. Scheinbar hausieren hier für gewöhnlich eher hochrangige Politiker oder Promis, welche einen solchen Luxus nicht missen wollen.

Ansonsten finden sich in der Suite eine Ladestation für die Energiezellen jeglicher Art von Cyborgs, welche natürlich am Bett vorzufinden ist, eine riesige Leinwand mit Projektor, auf der sich alles mit Gesten steuern lässt und jede Menge weiterer Luxus, welcher den Aufenthalt verschönern soll.
Insgesamt hält sich eine Balance aus cremefarbenen Möbeln und dunklem Holz in der gesamten Suite die Waage, durch unauffällige Lichtinstallationen entsteht hier auch am Abend eine entspannte und wohlige Atmosphäre.

Nach meinem kleinen Rundgang beschließe ich, eine kleine Tour durch die Stadt selbst zu machen. Den Doc treffe ich schließlich erst morgen und Zeit ist bis dahin noch genug, warum also nicht den Besuch nutzen, um sich mit der Umgebung vertraut zu machen?
Nach dem Sperren meines Zimmers verlasse ich das Hotel, mein Schwert trage ich unter einem schwarzen Anzug versteckt auf dem Rücken. Aufgrund der Abschirmung durch die Schwertscheide sollte es bei den Detektoren am Eingang keinerlei Probleme geben. Insbesondere die Erlebnisse in Seattle haben mich daran erinnert, vorausschauend und analytisch zu handeln, zum Schutz anderer und meiner selbst.

Schon einige Minuten auf den Gehwegen der Stadt ist der typische Großstadt-Flair deutlich spürbar. Viele Fußgänger, mindestens genau so viel Verkehr und Menschen verschiedenster Art und Einkommensklassen. Cyborgs stellen hier natürlich keine Besonderheit dar, auch wenn die wenigsten von ihnen einen vollkommen maschinellen Körper, sondern meist eher Prothesen oder diverse Gadgets haben. Die wenigsten von ihnen sind meiner Art ähnlich. Die Scheu davor, als „Kopf auf einer Maschine" angesehen und potenziell ausgegrenzt zu werden ist eines der Probleme unserer modernen Gesellschaft, welche in ihren Grundfesten noch genau so eigensinnig und von Gier getrieben ist wie vor hunderten von Jahren.

Sehenswürdigkeiten, Kaufhäuser, Hotels und diverse Etablissements sind bloß ein Teil dessen, was die mit Wolkenkratzern gespickte Hauptstadt den Leuten bietet.
Die Eingliederung von Cyborgs macht sich jedoch auch durch speziell gebaute Einrichtungen und Kaufhäuser bemerkbar. Diese sind landesweit eher die Ausnahme, aber im allgemeinen sind die meisten öffentlichen Gebäude und auch Wohnhäuser für jegliche Art von Menschen geeignet, manche mehr und manche weniger. Geld spielt auch hier keine unwichtige Rolle.

Viele Leute sehen mich an, scheinbar erkennen sie, dass ich kein eher gewöhnlicher Mensch bin. Zu meinem Glück geben Anzug und Handschuhe nicht mehr über mein Wesen Preis und die Blicke bin ich ja auch schon mehr als gewöhnt. Manche Frau sieht mich interessiert an, der ein oder andere Mann scheint beeindruckt zu sein, was allem Anschein nach meiner Ausstrahlung gutzuschreiben ist. Wahrscheinlich halten sie mich für einen Firmenchef oder jemand ähnlich erfolgreiches, und das obwohl ich bloß ein Söldner im Dienste von Sicherheit und Gerechtigkeit bin.
Schon die alten Samurai wussten, dass eine gute Tarnung ausschlaggebend für eine erfolgreiche Mission sein kann.

Ein paar Stunden später kehre ich zurück ins Hotel, nach Betreten meines Zimmers entdecke ich einen Brief auf dem Couchtisch, welcher sehr altmodisch mit einem Siegel versehen ist.
Erleichtert erkenne ich das Siegel, es ist ein Brief von Cat. Sie ist eine alte Freundin und Geliebte, welche ich bereits seit meiner Kindheit kenne und als Kybernetik-Forscherin hier in D.C. arbeitet. Ihr Brief scheint einladend, aber auch etwas nostalgisch gehalten zu sein:

Willkommen in Washington D.C. Jack, es ist bereits eine gefühlte Ewigkeit her, nicht wahr? Ich habe über CyboCare von deinem Termin erfahren und gehofft, wir könnten uns vielleicht auf einen Kaffee treffen, über alte Zeiten reden und sowas.
Ich hoffe sehr, dass du die Zeit erübrigen kannst, es wäre mir eine große Freude. Auch interessiert mich, wie sich dein Körper im Alltag so macht, vielleicht hast du ja auch schon diverse Upgrades vornehmen lassen?
Oder hast du mein Meisterwerk keinem einfachen Techniker anvertrauen wollen? *zwinker*

Meld dich einfach wenn du Zeit hast, meine Codec-Frequenz findest du auf dem Digitalen Abdruck unter meiner Unterschrift. Ich freue mich schon auf unserer Wiedersehen.

Liebevolle Grüße

Deine Cat

Ich scanne den Abdruck und speichere die Frequenz ein, nebenbei zeichnet sich ein kleines Grinsen auf meinem Gesicht ab. Die gute Cat ist so charmant wie immer, eine bewundernswerte und überragend intelligente Frau.
Nachdem ich mich aufs Bett gelegt und meine Energiezelle an die Ladestation angeschlossen, denke ich noch einmal an sie, bevor ich die Augen schließe und einschlafe.

Codename: BladeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt