1. Kapitel

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"Jo Cherie! Kommst du endlich?"
rief Hailey ungeduldig. Sie stand schon an der Hintertür neben dem Securitykerl und wartete auf mich.
"Ja, ein Moment." antwortete ich. Es war für mich noch immer ungewohnt auf den Namen Cherie zu reagieren. Dabei trug ich diesen nun schon seit ein paar Wochen in Unehre. Mein Strippername. Cherie-cake. Ich weiß... bitte lacht nicht. Ich habe ihn mir mit Hailey zusammen ausgedacht als ich hier zum ersten Mal tanzte.
Hastig stopfte ich meinen Bodysuit, meine schwarzen High Heels und das heute verdiente Geld in meinen Rucksack und schlüpfte in meine ausgelatschten Chucks. Dann lief ich zu Hailey. Sie guckte mies gelaunt raus.
"Scheiss Regen."
"Ist doch egal ich will einfach nur nach Hause. Lass uns gehen."
Ich war müde. Wir hatten von 9 Uhr abends bis 4 Uhr in der früh getanzt. 7 Stunden. So lange arbeiteten Hailey und ich fast jeden Tag, esseidenn es war mal was weniger los, was jedoch selten im Honey-Garden vorkam, so hieß der Club.
Wir rannten los. Meine Beine waren so müde, dass ich es mir nicht erklären konnte wie ich es überhaupt schaffte jetzt noch zu laufen. Unsere Wohnung war nur 2 Straßen weiter. Also auch im Rotlichtviertel. Wir wohnten über einem ruchigen Geschäft. "Erotik-Café" hieß es. Ich bin mir bis heute nicht sicher was darin wirklich verkauft wurde. Genauso war mir die Inhaberin nie wirklich geheuer. Doch ihr gehörte auch der Rest des Gebäudes, also auch die Wohnung die Hailey und ich mieteten im obersten Stock. Sie sah aus wie eine Drag-queen, trug jeden Tag eine andere Perrücke und kleidete sich für ihren alten Körper unangenehm wenig. Meistens sah man sie in ihrem extravaganten Nachtmantel und einer dieser langen, alten Zigaretten im Mund. Sie war zwar gruselig aber im allgemeinen immer okay, da sie Nachsicht hatte, wenn wir die Miete ein/zwei Wochen zu spät einreichten. Nachsichtigkeit müsste man bei solchen Wohnungen aber wahrscheinlich auch haben. Denn unsere Wohnung ist sagen wir... etwas schäbig. Es gibt zwei Zimmer, das Bad hat keine Tür mehr, um die Klospülung zu betätigen braucht es viel Kraft, so wie Geduld und in der Küche funktionierte nur eine Herdplatte und der Kühlschrank. Ja, schäbig. Verdammt schäbig. Das trifft es. Und trotzdem liebe ich unsere kleine Wohnung. Die Gelb angestrichenen Wände, die schwarzen Schmetterlinge die wir mal aus Spaß mit Edding an die Wand gemalt haben. Die kaputte Küche in der Hailey es -auf unerklärliche Weise- doch immer schaffte etwas leckeres zu kochen. Und unser Bad ohne Tür, indem wir die wichtigsten Gespräche über Jungs, Nagellack und das Leben führten, während wir uns die Beine rasierten. Als Stripperin eine tägliche Angelegenheit. Wir haben es uns schön hier gemacht. Es ist alles chaotisch und kaputt aber es gehört uns. Und es ist so wie wir es wollen. Ich war so stolz an dem Tag als ich hier einzog. Hailey hatte hier schon vorher gewohnt zusammen mit ihrem Freund. Dann hat sie ihn aber mit einer anderen erwischt und ist verdammt nochmal zu einer Furie geworden. Sie hat seine ganzen Sachen aus dem Fenster auf die Straße geschmissen und rumgeschrien was für ein Arsch er doch sei. So wie es der Zufall wollte, kam ich genau dann die Straße entlang geschlendert mit meinem kleinen Köfferchen und meinem Rucksack. Das war alles was ich hatte. Mir war zwei Wochen nach meiner Anreise schon das Geld ausgegangen und so wurde ich aus dem Hotel rausgeschmissen, welches ich gebucht hatte. Heulend lief ich verloren durch die ganze Stadt. Ich weiß nicht was ich hoffte was passieren würde. Wie ich mir vorstellte wie das weiter gehen soll. Ohne Hailey hätte ich es nie geschafft hier zu überleben. Ich sah den Klamottenberg, mitten auf der Straße liegen und durchwühlte ihn nach Geld in den Hosentaschen oder irgendetwas anderem nützlichen, als plötzlich der Typ aus der Wohnung geschossen kam und mich wütend bei Seite schubste. Ich fiel auf den Boden.
"Lass meine Sachen in Ruhe, du Schlampe. Verpiss dich."
Er fing wütend und hektisch an alles aufzuheben, als dann auch Hailey heraus stürmte.
"Ja, lass besser seine Sachen in Ruhe. Denn alles ist verseucht von Sex mit billigen Schlampen und Loserwichse und Untreue. Du bist der, der sich verpissen sollte. Ich hoffe du traust dich nicht mir nochmal unter die Augen zu treten, denn sonst Reiß ich dir deine hässliche Frisur raus und stopfe sie dir in den Hintern. Du verdammtes Arschloch. Fahr zur Hölle."
In diesem Moment dachte ich mir nur
'Oh man. Dieses Mädchen ist verrückt.'
Er verschwand und sie fing an zu heulen. Ich heulte auch, weil ich hoffnungslos war.
"Heul wo anders!" ,schrie sie mich an.
"Heul du doch wo anders!" ,schrie ich zurück.
Wir heulten beide nicht woanders. Nachdem sie sich einigermaßen wieder beruhigt hatte und ich noch immer den Kopf in meinen Händen vergraben, schluchzend auf meinem Koffer saß, fragte sie "Warum heulst du?"
Ich schaute auf.
"Weil ich alleine bin. Und Obdachlos. Und ich nicht nach Hause kann. Und ich kenne niemanden. Und ich hab kein Geld. Und alles ist scheisse."
,sagte ich wütend. Ich war wütend auf mich selbst. Wütend dass ich so dumm war an mich selbst zu glauben.
Sie nahm meinen Rucksack und meine Hand ohne was zu sagen und führte mich in das Haus, die Treppe hoch bis zu ihrer Wohnung.
Ab da an waren wir Freunde und ab da an hatte ich eine Wohnung in Miami.

16 in the middle of MiamiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt