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Um Punkt acht Uhr stand sie vor seiner Tür mit knallroten Wangen und tränenüberströmtem Gesicht. Ihre blonden Haare waren klatschnass, ebenso die Klamotten, die an ihrem Körper klebten. Er wusste genau, wegen wem sie hier war. Es war immer dasselbe.

"Was hat er diesmal getan?", fragte er monoton. Er musste sich zusammenreißen, um so ruhig bleiben zu können, denn innerlich packte ihn wie so oft diese unbändige Wut, die ihn ihren sogenannten Freund zusammenschlagen lassen wollte. Ob es dabei wieder mal um eine Andere und seine endlos billigen Ausreden ging oder sonst was, war Patrick völlig egal. Sie weinte wegen diesem Arsch und das war das Einzige, das für ihn gerade zählte. Er sah sie abwartend an, konnte ihren Anblick dabei aber kaum ertragen. Hörbar sog er die Luft ein. Er hasste diesen Kerl so sehr für das, was er Allie immer wieder antat.

Gerade, als er zu Worten ausholte, die vielleicht nicht mehr ganz so zurückhaltend gewesen wären, löste sie sich aus ihrer Starre und fiel ihm direkt in die Arme. Die Wut drängte er bewusst ein Stück zurück und drückte Allie dafür umso mehr an sich. Anders hielt er das nicht aus. Was auch immer dieser Mistkerl getan hatte - so aufgelöst war sie wegen ihm noch nie gewesen - er würde es definitiv noch bereuen.

Er blickte besorgt auf ihren Hinterkopf hinab, mehr bekam er von ihr nicht zu sehen, denn sie klammerte sich hilflos an ihn wie ein kleines Äffchen. Sie zitterte am ganzen Leib und durchnässte dabei sein T-Shirt. Aber das störte ihn nicht. Nur war sie so eisig kalt, dass er sich fragte, warum sie noch nicht erfroren war. Ohne sie loszulassen, bewegte er sich etwas in das Rauminnere und schob mit dem Fuß die Tür ins Schloss. Dann zog er sie noch etwas fester an sich und streichelte sanft ihren Rücken, während sie das Gesicht in seinem Shirt vergrub und hilflos weiterschluchzte. Für beruhigende Worte fehlten ihm die Nerven, sonst hätte er versucht, sie zu trösten. Er hätte ihr versichert, dass er für sie da war und vielleicht auch, dass alles wieder gut werden würde. Aber das Einzige, das er ihr gerade versprechen konnte, war, dass dieses verdammte Arschloch bluten würde, auch wenn er noch nicht wusste, was er ihr diesmal angetan hatte.

"Du musst dich umziehen, sonst wirst du noch krank." Das war alles, was er gerade herausbrachte. Es würde wohl ein paar Minuten dauern, bis er wieder klar denken konnte, also nahm er sie an die Hand und führte er sie in sein Schlafzimmer, wo sie sich nur widerwillig von ihm löste, und legte ihr eine Jogginghose, einen Pullover und ein Paar dicke Socken von sich auf das Bett. "Ich warte im Wohnzimmer, lass' dir Zeit", erklärte er und wandte sich zur Tür, aber weit kam er nicht. Nach zwei Schritten wurde er am Unterarm zurückgehalten. Er drehte sich um und sah in Allies verweinte Augen.

"Kannst du bitte hier bleiben?", fragte sie mit der piepsigsten Stimme, die er je gehört hatte. Neue Tränen sammelten sich an, als sie flüsterte: "Ich will nicht alleine sein..." Sie klang verzweifelt. Einen Moment haderte er mit sich, fühlte sich bei dem Gedanken unwohl, mit ihr im selben Raum zu sein, während sie sich entkleidete, aber ihr konnte er einfach nichts abschlagen.

"Ich dreh' mich um." Dankbar nickte sie und versuchte sich an einem Lächeln, das schief und gequält in ihrem nassen Gesicht hing.

Dieser verfluchte Wichser!, dachte er, als er nun mit dem Rücken zu ihr stand und stur geradeaus starrte. So oft hatte er sie schon vor ihm gewarnt. Man sollte denken, dass sie irgendwann in den letzten Monaten schlauer geworden war und endlich verstand, was für ein Mensch Jake war, aber sie hatte ihm wieder und wieder verziehen, nachdem sie sich in Patricks Armen ausgeweint hatte. Er hielt sich immer zurück, um nicht auszurasten, denn mitanzusehen, wie sie sich durch diese Beziehung quälte, fühlte sich jedes Mal schlimmer an. Aber auch jetzt rief er sich wieder zur Ordnung. Er musste sich zusammenreißen. Für sie. Es brachte ihr rein gar nichts, wenn er ausflippte.

"Wieso hast du keine Jacke an?", fragte er, um einen relativ neutralen Tonfall bemüht. Es goss den ganzen Tag über schon in Strömen und am Himmel war kein einziges Stück Blau zu sehen. Auf den Straßen liefen kleine Sturzbäche zusammen und die Wiese des Gemeinschaftsgartens seines Wohnblocks stand komplett unter Wasser. Es gab keinen Grund, das Haus ohne Jacke zu verlassen. Einem Reflex folgend sah er kurz über seine Schulter, weil sie sich mit ihrer Antwort so lange Zeit ließ. Sie war gerade dabei, sich seinen Pulli über den Kopf zu ziehen. In der Jogginghose steckte sie bereits drin und hatte sie so eng wie nur möglich zugeschnürt, damit sie ihr nicht über die Hüfte rutschte, aber ihr Oberkörper war komplett zu sehen. Sie trug einen schwarzen Spitzen-BH, der ihre Haut blass erscheinen ließ. Einen Moment lang betrachtete er diesen zierlichen Körper und wusste genau, was Jake in ihr sah. Sie war wirklich sehr hübsch, nicht besonders groß, aber schlank. Ihre helle Haut schien makellos zu sein.

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