Frühstück

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Ich hatte kaum geschlafen. Den ganzen letzten Tag hatte ich nur noch Jonas im Kopf, der mit seiner tiefen Stimme und seinem durchdringenden Blick sich in meinen Erinnerungen eingebrannt hatte.

Ich wollte mich selbst dafür verfluchen, da ich mich davor noch über all die anderen Insassinnen lustig gemacht hatte, die sich über die Männer gefreut hatten und nun war ich selbst Eine davon. Natürlich lief ich nicht wie ein Teeny umher und schmiss mich, so gut es hier im Gefängnis ging, an ihn ran, doch in meinem Kopf war er immer präsent.

Auch Christine und Kelly bekamen davon Wind. Allein ihre Blicke nachdem wir von Hof wieder in das Gebäude liefen, bombardierten mich mit Fragen, die man höchstens in einer langjährigen Beziehung beantworten könnte.

Ich versuchte sie so gut es ging zu besänftigen, als mir das bereits durch eine Schlägerei zwischen zwei Insassinnen abgenommen wurde. Auch hier mussten wir uns sofort auf den Boden legen und die Hände auf dem Hinterkopf platzieren, wenn wir nicht selbst in Iso-Haft wollten.

Ich bin die Erste, die wach wird als die Lichter in unserem Block angehen. Sofort sind meine Gedanken wieder komplett am Arbeiten.
Ich denke über Mike nach, der mich heute besuchen kommen sollte und über das, was ich ihm sagen will.
Beim letzten Gespräch lief das ja nicht wie geplant. Allgemein lief bei uns gerade gar nichts so wie es eigentlich laufen sollte.
Er scheint sich nicht mehr zu freuen, wenn er mich sieht. So als wäre dieser Besuch für ihn nur eine Pflicht, der er nachging.
Ich hatte ihn schon oft gefragt, was es damit auf sich hatte. Antworten wollte er mir nie.

Besonders verdächtig verhielt er sich, als er das vorletzte Mal mit einem Halstuch zum Besuchstag erschien.
Ich weiß noch genau, wie ich ihn darauf angesprochen hatte und er meine Fragen dazu abblockte.
Ich forderte ihn auf es abzunehmen, doch er weigerte sich. Er habe Halsschmerzen und möchte das nicht weiter gefährden.
Zwingen konnte ich ihn auch nicht, schließlich ist kein Körperkontakt möglich.

Auch Jonas, der hier offensichtlich von vielen Gzuz genannt wird, kommt mir direkt in den Sinn, als ich Christine und Kelly wecke, mit denen ich mich auf den Weg zur Mensa mache.
Eins mit der Masse aus orangen Overalls kommen wir in der großen Halle an und stellen uns wie jeden Morgen direkt in die Schlange.

Das Essen hier ist genauso grausam wie bei unseren vorherigen Gefängnis. Jede Woche der selbe Essensplan mit nur geringen Abweichungen. Das Essen selbst ist oft versalzen oder durchweicht, sodass es einfach nur ein Muss ist, sich mit irgendetwas den Magen zu füllen.

Wie bereits am Tag zuvor setzen wir uns an den Tisch etwas weiter im hinteren Bereich der Mensa und beobachten das Spektakel der erneut aufeinander treffenden Geschlechter.
Es dauert nicht lange, da muss ein Beamter eingreifen, als sich zwei offensichtlich zu nahe kommen.

Das laute Rufen der Wache scheint die Beiden Insassen nicht zu interessieren, weshalb zwei der Wachen sie gemeinsam voneinander lösen müssen.

„Ich glaub's ja nicht.", kommentiert Christine ihr Verhalten und stochert weiter in ihrem Essen herum.
„Manche haben bereits jahrelang keine richtigen Kerle abgesehen von Wachmännern gesehen. Ich kann's ihnen nicht verübeln. Die da ist auf jeden Fall schon fünf Jahre inhaftiert." Unbemerkt deute ich auf die dunkelhaarige Insassin die nun mit einem Grinsen dem Typen nachwinkt, von dem sie durch die Beamten getrennt wurde. Ich lache auf und sehe zu Christine. „Was die braucht um ihr Temperament mal wieder unter Kontrolle zu bekommen ist jemand der sie ordentlich durchnimmt."

Meine Anmerkung lässt sie und Kelly auflachen und auch ich kann es mir nicht verkneifen.

„Gute Laune am Morgen? Ich glaub's kaum." Eine tiefe Stimme und ich weiß sofort wem ich sie zuordnen muss.
Ich sehe auf und kann Jonas erkennen, der sich mir gegenüber an den Metalltisch setzt.
Bevor ich etwas sagen kann, stehen Kelly und Christine auf.
„Die Mensa ist groß, auch wenn wir nun deutlich mehr sind. Wir finden einen anderen Platz und lassen euch mal alleine.", kommt es von Kelly, die meine Ansprache wohl deutlich zu Herzen genommen hat.

Ich möchte etwas einwenden, da sind beide bereits zwischen den anderen Insassen verschwunden.
Ich drehe meinen Kopf zurück zu Jonas, der mich amüsiert ansieht.
„Hey." Innerlich schlage ich mich selbst. Mein Gehirn hat wohl vollkommen aufgegeben zu funktionieren. Mehr bringe ich nicht raus?

„Ich hoffe ich störe dich nicht.", bemerkt er und deutet auf meine beiden Freundinnen, die sich zu zwei weiteren Insassinnen setzen, die wir etwas besser kennen.
„Nein, überhaupt nicht." Ich schiebe den Rest meines Essens zur Seite, da ich sowieso nicht mehr vorhatte, es zu essen. „Was verschlägt dich an diesen Tisch?", spaße ich. Da ist er doch wieder. Mein Humor und meine Selbstsicherheit kehren zurück.

„Das habe ich mich auch gefragt. Auf jeden Fall war das instinktiv so." Sein Grinsen steckt mich an.
Einen Moment lang sieht sich Jonas um und lehnt sich dann etwas über den Tisch, was ich nachahme.
„Wenn du irgendetwas brauchen solltest. Ich hab einige Wege Dinge zu beschaffen, die du im Knastladen nicht bekommst."
Ich überlege einige Sekunden, bevor ich ihm eine Antwort gebe.
„Wo ist da der Haken? Ich meine du willst sicherlich etwas zurück haben.", schlussfolgere ich und sehe ihn herausfordernd mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Anscheinend hatte er mit so einer Reaktion nicht erwartet und spielt einfach mit.
Seine Augen wandern kaum eine Sekunde über meinen Körper. „Wie willst du denn zahlen?"
Schnell überprüfe ich, ob die Wachen uns sehen können. Allerdings sind wir in dieser Position nicht in deren Blickfeld, da sie sich nun auf die Dunkelhaarige und ihren Lover konzentrieren, die noch immer einige Versuche starten, sich wieder näher zu kommen.

„Ich weiß nicht.", flüstere ich deshalb und mustere auch ihn nicht gerade unauffällig.
Mit meinen Fingerspitzen berühre ich seine Unterarme, die er auf dem Tisch aufgelegt hat und schiebe eines meiner Beine unter dem Tisch zwischen seine. Durch die metallische Konstruktion, die im Boden verankert ist und sowieso nur eine schmale Tischplatte hat, ist das kein Problem. „Aber ich muss dir da noch was sagen.", führe ich meine Gedanken laut fort.

Vollkommen überrascht sieht mich Jonas an. „Das wäre?" Ich sehe, wie er eine Hand unter dem Tisch verschwinden lässt, die wenige Sekunden später meinen Oberschenkel nach oben gleitet.
Ich erschaudere leicht unter der Berührung, die ich schon seit langem nicht mehr fühlen konnte und warte einen Moment, bis ich mich wieder fange.
„Ich kann nicht." Langsam entziehe ich mich seinen Berührungen und schaue ihn gespielt traurig an. „Draußen wartet jemand auf mich."

So als wäre das kein Hindernis, hebt Jonas eine Augenbraue. „Und das ist ein Problem weil?" Sein Lächeln verliert er keine Sekunde lang.
„Loyalität. Vertrauen, obwohl ich das bei ihm langsam nicht mehr habe.", denke ich zu lange zu laut und würde es am liebsten wieder rückgängig machen.
„Du meinst dein Kerl da draußen fickt ne Andere? Und du willst loyal bleiben?" Ungläubig sieht Jonas mich an.
„Ich vermute es nur. Aber heute will ich mir Gewissheit einholen." Ich schaue auf die große Uhr in der Halle.
„Ich muss los. Aber ich denke wir sehen uns später auf dem Hof, oder?"
„Klar. Wo sollte ich sonst sein?"

Hinter Gittern (momentan pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt