Allmählich schlug er die Augen auf. Langsam lichtete sich seine Sicht und ich beobachtete seine Hand, die er nun über die Augen hielt, denn die aufgehende Sonne schien ihn zu blenden. Nach einiger Zeit konnte er diese von seinen Augen nehmen und richtete sich auf und blickte sich um. Er zog seine Augenbrauen zusammen und auf seiner Stirn bildete sich eine Falte - wie immer wenn er nachdachte. Um uns herum ragten riesige Wolkenkratzer in den Himmel, dennoch war kein einziger Mensch zu sehen. Auch war er mitten auf einer Kreuzung aufgewacht, doch statt rasende Autos oder sich tummelnde Menschenmassen, waren die weißen Streifen auf dem Boden, die eigentlich Markierungen für Fuß-und Autofahrer gewesen waren, teilweise abgeblättert und verblichen und aus den Ampeln rankten wunderschöne Blumen. Aus dem Boden spross Gras und alle Art von Pflanzen, denn hier war niemand mehr, der sie berichtigen oder ausrupfen würde. Er strich sich die leicht lockigen, schwarzen Haare aus dem Gesicht und drehte sich im Kreis. Ich betrachtete genau wie seine funkelnden, smaragdgrünen Augen die Umgebung betrachteten und wie er den Kopf in den Nacken legte und sein Blick den Pflanzen und Bäumen folgten, die sich an den Hochhäusern empor reckten oder aus ihnen wuchsen. Ungläubig folgte er ihnen und sein Blick gelangte so zu dem höchsten aller Skyscraper. Er begann sich auf diesen zu zu bewegen mit unfassbar leisen Schritten, die nur hörbar waren durch das raschelnde Gras.
Als er schließlich vor seinem Ziel stand streckte er seine Hand aus und fuhr sanft mit seinen Fingerkuppen über den verwachsenen Stein, als könnte er mit der falschen Bewegung die gesamte Natur zerstören. Leise musste ich hinter vorgehaltener Hand kichern über sein Verhalten, doch als er zusammenzuckte und sich umdrehte, erblickte er nichts, schon gar nicht mich. Also wendete er sich wieder der Häuserwand zu und begann diese entlang zu laufen, während seine Hand immer noch über die Muster, die die Pflanzen gebildet hatten, strich. Bald darauf entdeckte er einen Häusereingang und nachdem er die gewünschte Treppe im Inneren gefunden hatte, stieg er das Treppenhaus empor. Meine durchscheinenden Füße folgten ihm dabei lautlos. Immer wieder blieb er stehen und seine Augen glitten über die Umgebung, die durch das helle Sonnenlicht, welches durch die pflanzengeschaffenen Lücken drang, erleuchtet wurde. Ich musste aufpassen manchmal nicht in ihn hereinzulaufen.
Doch irgendwann - nach einer gefühlten Ewigkeit- erreichten wir das Flachdach des Hauses und die Sonne hatte sich schon wieder der anderen Seite des Horizonts zugewendet. Mein durchscheinendes Gewand wehte in der leichten Brise, die hier oben herrschte, und auch sein Haar wurde von dem Wind zerzaust. Vorsichtig stellte ich mich neben ihn und meine zarten, kleinen Finger berührten seine Hand. Doch entgegen der Erwartung blieb er ruhig und sein Blick war weiterhin auf die Stadt gerichtet. Und als wäre es das selbstverständlichste der Welt umgriff er mit seiner Hand die meine und fing an sanft zu lächeln und das war der Punkt, wo ich begriff, er hatte verstanden.
"Du bist es Fay-Chan, oder?"
Doch ich war unfähig zu antworten. Immer noch überrumpelt.
"Natürlich bist du es.", sagte er mit seiner beruhigenden, warmen Stimme, die dennoch rau war, weil er solange nicht mehr gesprochen hatte. Fast zu lange.
Und wie wir da so standen, der Sonne beim Untergehen zu sahen, wusste ich, es war nicht das Ende gewesen, denn es wird ein morgen geben und ebenso einen neuen Anfang.
"Ja, Jun, ich bin es.", erwiederte ich so leise, das ich meinte, es müsste unmöglich zu hören gewesen sein, doch ein kurzes Drücken meiner Hand, bewies mir das Gegenteil.
Denn einmal verbundene Seelen können sich eben nicht trennen.Vielleicht setzt ich das mal als ernsthafte Storyidee um.. Wer weiß :)
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Gedankenpaläste
PoetryIch werde hier Texte, die aus meinen Gedanken, Gefühlen, meiner Meinung, als auch aus meiner Fantasie bestehen, hochladen. Wer will nimmt sich die Zeit und liest es. Kritik ist gern gesehen und erwünscht, genauso wie eure Gedankengänge. Have fun wit...