16

3.1K 88 1
                                    

Hannah wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, als ich mich an ihr vorbei nach drinnen drängelte. Ich steuerte den Esstisch an und wollte mich gerade neben Viktor niederlassen, als Marion und Hannah wie aus einem Munde riefen: "Vergiss es!" Alle sahen die beiden verwirrt an und ich hatte in meiner Bewegung inne gehalten. "Was ist denn los?" wollte Max wissen, der eigentlich gerade dabei war, mir den Stuhl zurecht zu rücken.

"Ihr beide sitzt nicht nebeneinander." sagte Hannah, und ich konnte das selbstgefällige Grinsen in Bastians Gesicht erkennen. "Aber warum?" wollte Max wissen, der annahm Hannah meinte ihn und mich.

"Hannah hat Recht. Charlie und Viktor werden mit Sicherheit nicht nebeneinander sitzen. Max wärst du so lieb mit Charlie zu tauschen?" bat Marion den Berliner. Verwirrt guckend kam er der Bitte nach und ich setzte mich seufzend neben Max. "Die beiden reden sonst nur über die Arbeit. Das ist unerträglich." wetterte Hannah weiter.

Max entspannte sich wieder und ich legte ihm lächelnd eine Hand auf seine. "Dachtest du, sie meinen uns beide?" flüsterte ich ihm zu. Schief grinsend zog der Rapper die Schultern hoch. "Hätte ja sein können, dass sie Angst davor haben, ich könnte dich am Tisch begrabbeln." Wieder biss er auf seine Unterlippe und sah mich herausfordernd an "Oder du mich." setzte er dann noch hinterher. Lachend schüttelte ich den Kopf.

"Was ist denn so witzig?" Wollte Bastian genervt wissen. Er saß mir gegenüber. Oh welche Freude. Nicht. Doch wir ignorierten ihn und begannen mit dem Essen.

"Oh das ist wirklich gut. Hannah du hast dich selbst übertroffen." Lobte Viktor meine beste Freundin und alle stimmten kauend zu. Hannah wurde leicht rot. "Den Salat hat aber Charlie gemacht." wollte sie die Aufmerksamkeit von sich abbringen. Doch leider war es so, dass meinen Salat noch gar keiner angerührt hatte.

Wir brachten das Essen hinter uns. Marion und ich räumten schnell den Tisch ab und halfen Hannah beim Beseitigen des Küchenchaoses. Als ich kurz mit Marion allein war, nahm sie mich zur Seite.

"Sag mal, was denkst du? Wann werden sie endlich mit der Sprache rausrücken?" Fragend sah ich die Frau meines Chefs an. "Was meinst du?" "Na was wohl. Wann werden sie endlich verraten, dass sie heiraten wollen?"
Ich war nach dieser Frage doch etwas geschockt, denn eigentlich sollten Bens Eltern die Neuigkeit erst heute erfahren. Marion schien meinen Gesichtsausdruck richtig zu deuten.
"Liebes, ich bin Bens Mutter." sagte sie lediglich. In dem Moment kam Hannah zurück.
"Keine Angst, ich werde überrascht tun." flüsterte mir Marion zu, als wir uns zurück zu den Männern begaben.

"Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?" Hörte ich gerade meinen Chef fragen. Bastian stieg direkt mit ein. "Das würde mich allerdings auch brennend interessieren." Meinte er gehässig. Ich sah von hinten, dass Max sich wieder anspannte. Er konnte Bastian wirklich nicht ab, wenn er auf die Bemerkung so ansprang. Hannah warf mir einen viel sagenden Blick zu und deutete zu Max. Ich wusste was sie meinte.

Ich stellte mich hinter den Berliner und legte meine Arme um seine Schultern. "Wir haben uns in einem Club kennengelernt. Max hat mich vor einem aufdringlichen Widerling gerettet." erzählte ich kurz und gab meinem persönlichen Helden einen Kuss auf die Wange. Dann setzte ich mich wieder neben ihn.

"Es soll ja Kerle geben die das als Masche drauf haben." gab Bastian wenig geistreich von sich. Keiner ging auf die Bemerkung ein. Bloß gut.

"Max, was machst du beruflich?" wollte Marion ehrlich interessiert wissen. Das Gesicht meines Nachbarn erhellte sich. "Hauptberuflich bin ich Musiker." meinte er stolz. Der Idiot auf der anderen Seite des Tisches zog arrogant die Augenbrauen hoch.
"Oh, was denn für Musik?" fragte nun Viktor. "Rap." sagte Max knapp. Von gegenüber kam ein komisches Geräusch. Langsam aber sicher brachte Bastian mich zum kochen. Was wollte er mit seinem albernen Verhalten bezwecken?

"Ich hatte euch doch erzählt, dass Hannah Konzertkarten gewonnen hatte. Die waren für das Konzert von Max letzte Woche." erklärte Ben seinen Eltern.
"Ach wofür ihr in Berlin ward?" fragte Viktor nun Hannah und mich und wir nickten.

"Und was willst du mal machen, wenn es mit der Musik nicht mehr läuft?" provozierte Bastian. Aber Max zog nur gleichgültig die Schultern hoch.
"Ich habe außerdem mit meinem Bruder zusammen eine Firma für Industriekletterer. Wenn die Musik mal nicht mehr genug abwirft, wird eben wieder mehr geklettert."

Anerkennend nickte mein Boss. Ich wusste, dass er Menschen respektierte, die hart arbeiteten und auch langfristig dachten, nicht nur bis zur nächsten Ecke.

Ich bemerkte, dass Hannah und Ben sich immer wieder fragende Blicke zuwarfen. Also beschloss ich die Sache endlich mal ins rollen zu bringen. Denn eigentlich waren wir doch hier, weil die Beiden endlich offiziell ihre Verlobung verkünden wollten.
"Ben, wolltest du deinen Eltern nicht noch was erzählen?" fragte ich scheinheilig und kassierte einen düsteren Blick vom angesprochenen. Hannah dagegen sah mich dankbar an. Ich glaube sie hatte die Befürchtung, dass es sonst entweder an ihr hängen bleiben würde oder sie sich erst gar nicht überwanden.

Auch Marion lächelte mich wissend an. Wir kannten Ben doch alle...

"Ja also..." fing Ben an. "Mama, Paps. Wir wollten euch noch etwas mitteilen." Gespannt warteten wir, dass er endlich mit der Sprache rausrückte. Die Sekunden zogen sich.

"Herr Gott Junge. Jetzt spuck's schon aus." sagte Marion ungeduldig, was nicht nur mich zum schmunzeln brachte. Max nahm meine Hand und küsste meinen Handrücken. Wie mir schien, tat er das aber in dem Moment nur, um sich das Lachen zu verkneifen.

"Okay. Ähm... Hannah und ich haben..." wieder machte der Kerl eine Kunstpause, was mich nur die Augen verdrehen ließ.
"Wir wollen heiraten." platzte es dann letztendlich aus Hannah heraus. Plötzlich lagen alle Blicke auf ihr. Und ich konnte ganz genau sehen, dass sie ängstlich auf die Reaktion ihrer Schwiegermutter in Spe wartete.

Marion überraschte dann aber alle. Sie stand auf, ging auf ihrer Sohn zu und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. Anschließend wandte sie sich an Hannah, welche blass geworden war. Doch meine Freundin hatte sich umsonst solche Gedanken gemacht. Marion zog sie in eine herzliche Umarmung. "Das wurde aber auch mal Zeit. Ich hatte schon Angst, mein Sohn würde es gar nicht mehr auf die Reihe bekommen, dich endlich zu seiner Frau zu machen." verkündete die Mittfünfzigerin, nach dem sie ihre zukünftige Schwiegertochter wieder aus der Umarmung entlassen hatte.

"Ich schätze mal, ihr zwei werdet die Trauzeugen sein." mutmaßte Viktor und bedachte Bastian und mich mit einem wissenden Blick. Ich lächelte meinen Boss entschuldigend an, denn mir war klar, dass er nun wusste, ich war schon länger über die Pläne seines Sohnes im Bilde.

Nachdem die frohe Nachricht endlich verkündet war stießen wir an. Aber lange wollte ich eigentlich nicht mehr bleiben. Ich war egoistisch und wollte Max noch etwas für mich alleine haben. Der wurde nämlich schon wieder von Viktor und Ben in Beschlag genommen. Marion unterhielt sich mit Bastian und ich saß mit Hannah draußen auf der Hollywoodschaukel und beobachtete den Mann, der sich in mein Herz geschlichen hatte.

New Possibilities Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt