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Max

Ich war auf dem Weg zur Werkstatt. 
Nachdem ich den Beamten mitgeteilt hatte, dass ich nicht so recht wusste wer es gewesen sein könnte, hatten sie zwar etwas ungläubig geguckt, es aber auf sich beruhen lassen. "Falls ihnen noch etwas einfällt, melden sie sich bei uns." hatten sie gemeint und waren wieder verschwunden. Anzeige lief jetzt erstmal gegen Unbekannt. 

Die Jungs konnten zwar erst nicht so richtig verstehen, warum ich Daniel nicht verpfiffen hatte, aber ich wollte erst mit Freddy reden.
Das Auto hatte ich von meiner Werkstatt abschleppen lassen und fuhr nun mit Farid dahin.
"Hast du schon was raus bekommen?" fragte ich meinen Kumpel. "Nee, aber ich bin dran. Offensichtlich ist er ja in Berlin. Ich telefonier nachher nochmal rum."
Ich nahm das ganze mit einem Nicken zur Kenntnis.

"Mensch Junge, wen hast du nur gegen dich aufgebracht?" wollte Steffen, der Werkstattmeister wissen. Er war ein Freund meines Vaters und ich kannte ihn schon so lange ich denken konnte. Kopfschüttelnd lief er um meinen Wagen herum. Aber ich hatte meinen Blick nur auf die Botschaft gerichtet, die mir auf der Motorhaube hinterlassen wurde.

"Ich werde sie beschützen. Koste es was es wolle..." murmelte ich vor mich hin. 

"Max, das wird sicher ne Weile dauern, bis dein Wagen wieder aussieht wie vorher. Wir müssen ja sicher auch auf die Freigabe der Versicherung warten." Mit diesen Worten riss er mich aus meinen Gedanken. 
"Ja, ist mir schon klar. Ich habe ja noch einen anderen Wagen. Also mobil bin ich erstmal." meinte ich knapp. 

"Pass bitte auf dich auf." Verlangte er. "Erst das mit den Bremsschläuchen und nun das..." dabei deutete er auf das Auto. "Wer immer da was gegen dich hat, er ist unberechenbar." Steffen hatte damit ausgesprochen, was mir schon lange durch den Kopf ging.
Wir mussten Daniel finden und dafür sorgen, dass er aus dem Verkehr gezogen wird. Ich reichte dem Mann die Hand und erntete einen aufmunternden Blick. Dann lief ich zurück zu Farid. Er lehnte an seinem Wagen und hatte gerade ein Telefonat beendet.
Sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass er etwas raus gefunden hatte. "Gibt's was Neues?" fragte ich ohne Umschweifen und er nickte leicht.

"Daniel scheint vor circa einem Jahr von der Bildfläche verschwunden zu sein. Keine Wohnung, kein Job, rein gar nichts." sagte mein Kumpel und ich war wirklich etwas enttäuscht. "Das hilft ja nicht wirklich weiter." meinte ich und stieg dann in den Wagen.

Farid brachte mich kurz nach Hause. Ich nutzte die Gelegenheit und drehte eine Runde mit Tuko. Anschließend fuhr ich mit meinem anderen Auto wieder zum Studio. Die ganze Zeit zerbrach ich mir den Kopf darüber, wie ich Daniel finden und wie ich Charlie vor ihm beschützen könnte...


Freddy war genauso geschockt wie ich, als er das Bild von meinem demolierten Auto gesehen hatte. "Dieser kranke Pisser..." hatte er in den Hörer geknurrt. "Das mit dem Auto ist beschissen, aber ich mache mir mehr Sorgen um Charlie. Ich weiß nicht wie sie es verkraftet, wenn sie erfährt, dass er hier ist. Dass er sie nicht in Ruhe lässt." Freddy hatte daraufhin geseufzt. "Du musst es ihr sagen. Sie sollte es wissen." 
Er hatte ja recht, aber wohl war mir dabei trotzdem nicht. Charlie hatte mir auch schon ein paar mal geschrieben, was denn los war. Aber ich hatte bis jetzt nicht geantwortet.

"Wie lange willst du sie noch ignorieren?" fragte Raf und ich glaubte Besorgnis in seiner Stimme zu hören. Doch ich zog nur die Schultern hoch. "Man, ruf sie an. Sag ihr, du erklärst es ihr nachher in Ruhe. Denkst du nicht, dass sie sich vielleicht auch Sorgen macht?"
"Wenn sie nicht schon angepisst ist, weil du dich nicht meldest." kam es von Farid. Die beiden hatten recht, also wählte ich ihre Nummer.

Ich war aufgestanden und wollte schon auflegen, da Charlie nach dem sechsten Klingeln immer noch nicht ran gegangen war. Aber da wurde der Anruf angenommen.
"Ja bitte." fragte eine männliche Stimme und ich brauchte einen Moment, um sie zuzuordnen.
"Wo ist Charlie?" knurrte ich in den Hörer und hatte unweigerlich die Aufmerksamkeit meiner Freunde. Ein falsches Lachen kam vom anderen Ende der Leitung. "Gerade beschäftigt. Soll ich ihr was ausrichten? Schließlich ist es ja meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie zufrieden ist..." lachte Marvin. Ich versuchte ruhig zu bleiben. Er wollte mich nur wieder provozieren. 
"Ach übrigens kann ich es mittlerweile sehr gut nachvollziehen, warum du scheinbar so vernarrt in sie bist." sprach er weiter und ich wurde hellhörig. "Was..." aber ich wurde unterbrochen. "Ihre Lippen schmecken wirklich..." Im Hintergrund hörte ich eine Tür zuknallen und dann war die Leitung tot. Ungläubig starrte ich mein Handy an. Hat er mir gerade indirekt gesagt, dass sie sich geküsst hatten?

Plötzlich ergab alles Sinn. Charlies komisches Verhalten, ihr Rumgedruckse. Und sie hatte selbst gesagt, dass es um diesen Wichser ging... Scheiße. Mit voller Wucht schlug ich gegen die Wand vor mir und bereute es sofort, als er Schmerz in meinem Hirn ankam. "Fuck" entfuhr es mir.
"Alter was ist los?" Farid sah mich an, als wäre ich verrückt geworden. Aber ich ignorierte ihn und stürmte aus dem Studio. "Ich bring den Scheißkerl um." murmelte ich, während ich in mein Auto stieg und zum Bürokomplex fuhr, wo Charlie war.

Wie ein irrer fuhr ich durch die Straßen, angetrieben von meiner Wut. Ausgerechnet jetzt war der Verkehr unerträglich und ich musste Abkürzungen nehmen, die den Weg eigentlich nur verlängerten.
Und immer wieder stellte sich mir die Frage, welche Rolle Charlie in diesem Szenario spielte, dass ich mir ausmalte. Eine leise Furcht, dass ich die beiden bei etwas überraschen könnte, was mein Herz und mein Ego nicht vertragen würden, kratze an mir.

Ohne groß darüber nachzudenken, wo ich eigentlich hin musste, betrat ich das Bürogebäude der Hoffmann GmbH. Hinter dem Tresen am Foyer stand eine junge Frau, die scheinbar gerade ihre Sachen zusammen packte. Ein kurzer Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es bereits kurz nach sechs war. 
Zielstrebig ging ich auf die Frau zu, die überrascht ihren Blick hob, mich dann aber charmant anlächelte und mit den Wimpern klimperte. "Kann ich ihnen helfen?" wollte sie wissen und mir entging der Unterton in ihrer Stimme nicht. Aber ich ignorierte ihn.

Gerade als ich antworten wollte, hörte ich eine bekannte Stimme. "Max?" Ich wandte mich um und sah Christian mit einer Aktentasche in der Hand auf mich zukommen. Sein Lächeln erstarb, als er meinen Gesichtsausdruck sah.
"Was ist passiert?" war seine nächste Frage, doch darauf ging ich gar nicht ein. 
"Weißt du wo ich Charlie finde?" versuchte ich ruhig zu bleiben. Aber meine Hände zitterten vor Anspannung, sodass ich sie zu Fäusten ballte.

"Die ist vor gut fünfzehn Minuten zum Hotel. Sie sah ziemlich blass aus." meinte er besorgt. Ich nickte nur kurz und machte auf dem Absatz kehrt. Dabei entging mir das enttäuschte Gesicht der jungen Frau am Tresen nicht. Doch für sowas hatte ich echt keine Nerven.

Zehn Minuten später parkte ich vor Charlies Hotel. Ich hatte ihr auf dem Weg zum Auto eine Nachricht geschrieben gehabt, welche Zimmer sie hat. Diese hatte sie auch beantwortet, im Gegensatz zu meinen Anrufen.
Ich betrat die Lobby und sah mich suchend um. Rechts hinter dem Check-In-Schalter befanden sich die Aufzüge, auf die ich zielstrebig zusteuerte.

Im Augenwinkel glaubte ich eine bekannte Person gesehen zu haben, aber als ich mich nochmal umdrehte, stand da niemand. Kurz stockte ich, setzte dann aber meinen Weg fort.

Ich beobachtet ungeduldig die Zahlen auf der Anzeige der Stockwerke. Für meinen Geschmack war dieses Teil viel zu langsam. Aber im siebten Stock erlöste mich das Ping und ich trat auf den Flur. Nachdem ich mich kurz orientiert hatte, steuerte ich direkt zu Charlies Zimmer.
Die Tür war nur angelehnt und ich konnte Stimmen hören. Sie war nicht allein.

"Hat dir das heute Vormittag nicht gereicht?" hörte ich Charlie und darauf ein freudloses Lachen. "Du weißt genau, dass es nicht reicht." Das war eindeutig ihr Assistent. Vorsichtig schob ich die Tür auf und dachte kurz, ich wäre in einem schlechten Film.

Charlie und dieser Arsch stand dicht voreinander. Sie hatte ihre Hände auf seiner Brust und es sah schwer danach aus, dass sich das Szenario, welches ich mir in meinem Kopf zusammen gesponnen habe, in die Realität verwandelte.

Sie hatten mich immer noch nicht bemerkt und ich war wie fest gefroren. Er beugte sich nach vorn und wollte meine Freundin wirklich küssen. Ein Schmerz breitete sich in meiner Brust aus, den ich so noch nie gespürt hatte. 

Sie hatte es nicht ernst gemeint...

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