Kapitel 4

629 28 3
                                    

Ich war von allen umkreist, wobei dies nun auch wieder nicht stimmte. Niemand wollte in der direkten Nähe von mir sein. Deshalb war zu jedem anderen Tisch noch ein Sitzplatz frei, dass ging aber auch nur, weil so viele wegen mir diese Gottverdammte Stadt verlassen hatten. Der Lehrer trat ein. Zu meiner Überraschung, hatte er Suoka im Schlepptau. Ich schaute ihn etwas verwundert an, woraufhin er mir zulächelte. Leicht entsetzt schaute mich die Klasse an.

Ich hoffte, dass ich dafür nun keine Prügel kassieren musste.
„ So, dass ist euer neuer Mitschüler, Rei Suoka. Er ist erst neulich hierher gezogen. Du kannst dich nun an einen freien Platz setzten." Alle Mädchen starrten ihn an. Mir war mir ja auch irgendwie klar, so hübsch wie er war. Kurz begrüßte Suoka die Klasse und machte sich dann geradewegs auf den Weg zu dem freien Tisch neben mir.

Etwas geschockt sah ich ihn an und flüsterte: „ Willst du nicht lieber wo anders sitzen?"
„Nein", antwortete er sofort. „ Warum sollte ich woanders sitzen wenn ich nicht auch neben dir sitzen kann."
Er lächelte mich an. Die Mädchen aus der Klasse sahen mich böse und genervt an. Ich wusste jetzt schon wie meine Pause wohl aussieht. Der Lehrer zog Mathe gnadenlos durch. Eine Doppelstunde. Und da heute Suokas erster Tag war, und er noch keinerlei Bücher hatte guckten wir zusammen in meine.

In der Pause versuchte ich so schnell wie möglich aus dem Klassenraum zu kommen. Doch das half rein gar nichts. Ich wurde von etwa Fünf oder sechs Mädchen in eine Ecke auf dem Pausenhof gezerrt. Sie waren alles andere als sanft. Eine Blonde mit langen Haaren schlug mich in dem Bauch. Ich war nicht wirklich Muskulös und sich zu währen wäre eh nicht ansatzweise gegangen. Also ließ ich den Schmerz über mich ergehen.


„ Und komm ja nicht auf die Idee uns diesen Typen wegzuschnappen, du Schwuchtel!"
Schwuchtel? Das war nichts Neues. Ich war eigentlich nicht schwul. Vielleicht sah es so aus. Ich war klein und zierlich. Fast das komplette Gegenteil von Suoka.
Zusammen gekauert lag ich blutend da. Bis mich irgendetwas Warmes berührte. Ich hatte vergessen wie lange ich eigentlich schon weg war. Aber, dass interessierte ja auch eigentlich keinen.

Er war es nun, der mich aus der erstechenden Kälte rettet und mich ins Krankenzimmer trug. Oder? Es war doch das Krankenzimmer. Langsam zweifelte ich an meiner Wahrnehmung. Mein wurde kleiner und kleiner, bis ich schließlich meine Augen geschlossen hatte.


Als ich wieder zu Bewusstsein gekommen war, spürte ich etwas an meiner linken Hand. Es war Suoka, der sie hielt.
Leise fragte ich was passiert sei.
„ Ich habe das mit den Mädchen geklärt. Sie werden dir nie wieder wehtun. Ich habe ihnen gesagt, dass ich mit Leuten, die so etwas machen überhaupt nichts anfangen kann."

 „ D-Danke", brachte ich leise, lächelnd hervor. Ich nahm meine rechte Hand und legte sie auf seine, die meine noch immer fest umschloss. Dann legte ich mich wieder hin und schlief, mit den Worten „ Bleib bei mir", ein. Ich weiß zwar nicht ob ich die Worte nur geträumt hatte, aber aufgrund dessen, dass die ganz Zeit über meine Hand warm war, glaubte ich daran, dass er sie noch gehört hatte. Als ich wieder wach wurde schaute ich zu einer mir bekannten Decke. Wir waren wieder im Waisenhaus. Ich lag in meinem Bett.

Etwas müde und erschöpft drehte ich mich und blickte in ein schlafendes Gesicht. Mir fiel erst jetzt auf, dass meine Hand noch immer warm war. Ich schaute kurz unter die Decke. Tatsächlich. Er hielt noch meine Hand. Mir stieg Wärme ins Gesicht. Ich kuschelte, wenn auch noch sehr vorsichtig, mich wieder an und fiel dann auch schon wieder in einen tiefen Schlaf. Am nächsten Morgen wachte ich in Suokas starken Armen auf.

Suokas grüne Augen starrten im meine braunen Kontaktlinsen. Ich hatte irgendwie ein schlechtes Gewissen. Suoka war so nett zu mir, wie noch keine anderer zuvor, doch ich hatte Angst, dass er mich verlassen würde, wenn ich ihm mein wirkliches Ich zeigte. Ich stand auf. Ging ins Bad. Zog mich auf, entfernte meine Kontaktlinsen und stellte mich unter die Dusche.


Meine Augen waren leicht gerötet, da die Kontaktlinsen mit der Zeit anfangen zu reiben. Das warme Wasser floss auf meine Haut. Wieder einmal sah ich die etlichen Narbe an meinem Körper. Ich trocknete mich ab und ging mit einem Handtuch um die Hüft in das Zimmer, um meine Sachen zu holen. Was ich aber auch wieder gleich bereute.


Ein hellwacher Suoka schaute mich mit großen Augen an. Zu meinem Entsetzen aber nicht in die Augen, Nein, er schaute auf die unzähligen Narben die meinen Körper schmückten.
„ W-was hast du....", starr und völlig überfordert saß er da, mit dem Blick auf meinen Narben. Ich schaute auf den Boden. Unfähig mich zu bewegen. Ich hörte ein Knarren und im nächsten Moment spürte ich eine Warme Ummantelung.

Es waren die Arme Suokas, die mich nun wärmten. So wohlig warm und muskulös. Eine Wärme, die ich nie spüren durfte und die mir Tränen in die Augen trieb. Eine Wärme, die alles , in diesem Augenblick, veränderte. Eine nach der anderen bahnte sich ihren Weg runter über meine Wange. Suoka spürte das leise Schluchzten, das ich von mir gab und verfestigte seinen Griff.


Schule würde wohl wieder einmal ausfallen, denn in diesem Zustand war ich nicht in der Verfassung mich irgendwohin zu begeben. Suoka und ich blieben eine ganze Weile einfach nur mitten im Raum stehen. Dann nahm er mich auf den Arm. Er trug mich wie eine Prinzessin ins das Bett. Gehen lassen wollte ich ihn in dem Moment ganz sicher nicht. Ich klammerte mich um seinen Hals. Er hatte also quasi keine andere Wahl als sich neben mich zu leben.

Wir lagen neben einander und guckten uns gegenseitig in die Augen. Es war wirklich einer der unglaublichsten Momente in meinem bisherigen Leben. Sanft nahm ich eine Hand und legte sie an seine Wange. Mit meinen Daumen streichelte ich ganz sanft darüber. Er lächelte mich leicht an. Alles um mich herum blendete ich aus.

Ich sah sein schönes nahezu perfektes Gesicht vor mir und konnte, wenn auch nur für einen winzigen Moment, meine Sorgen vergessen. Ich kuschelte mich an seine Brust uns schloss zufrieden meine Augen. Ob mich Suoka später ausfragen wird, weiß ich nicht, aber ich habe irgendwie so ein Gefühl, dass ich es ihn erzählen kann, und er mir zuhören wird.
Als ich eine leichtes streichen auf meinem Rücken war nahm, machte ich langsam meine Augen auf. 

Stummer Hilfe-Schrei (Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt